RND hier Barbara Barkhausen 08.09.2022
43 Prozent weniger Co₂ bis 2030
Australien will die Kohleförderung nicht aufgeben und trotzdem gegen den Klimawandel kämpfen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes soll ein Klimagesetz sicherstellen, dass die CO₂‑Emissionen bis 2030 um 43 Prozent sinken. Damit schließt das Land immerhin zu anderen Industrienationen wie Japan, Südkorea oder Kanada auf.
Australien stand in den vergangenen Jahren an der Front des Klimawandels: 2019/20 verwüsteten verheerende Buschfeuer den Osten des Landes. Anfang des Jahres erlebte das Great Barrier Reef die sechste Massenbleiche seiner Korallen seit 1998. Gleichzeitig versanken große Teile der Ostküste unter Wassermassen. Viele Forscher vergleichen das Land gerne mit dem Kanarienvogel in der Kohlemine, dessen Gesundheitszustand den Minenarbeitern einst verriet, wann sie aufgrund schlechter Luftqualität lieber das Weite suchen sollten.
Doch trotz der spürbaren Klimakonsequenzen hat das Land lange mit sich gehadert, ehrgeizigere Emissionsziele zu verfolgen. Über Jahre boykottierte die frühere australische Regierung sogar den globalen Kampf gegen den Klimawandel. Beispielsweise zeigten durchgesickerte Dokumente im vergangenen Jahr, wie die Regierung unter Scott Morrison Lobbyarbeit geleistet hatte, um den UN‑Klimareport abzuschwächen. Erst kurz vor dem Klimagipfel in Glasgow wollte das Land dann doch noch zum Rest der Welt aufschließen und verkündete ein Nullemissionsziel bis 2050. An den schwachen Emissionszielen bis 2030 sollte dagegen nicht gerüttelt werden. Ursprünglich waren nur 26 bis 28 Prozent Reduktion unter das Niveau von 2005 geplant.
Senkung der CO₂‑Emissionen gesetzlich verankert
Diese Tatenlosigkeit trug letztendlich dazu bei, dass das Mitte-Rechts-Bündnis unter Morrison bei der australischen Parlamentswahl im Mai eine empfindliche Niederlage einstecken musste. Der Nachfolger, die Labor-Partei unter Anthony Albanese, hat das historische Klimagesetz nun in die Gänge gebracht.
Bereits im August verabschiedete das Repräsentantenhaus in Australiens Hauptstadt Canberra den Gesetzesentwurf mit 89 gegen 55 Stimmen. Nun stimmte auch die zweite Kammer, der Senat, zu: Damit wird die Senkung der CO₂‑Emissionen um 43 Prozent bis 2030 gesetzlich verankert. Die verbleibenden Schritte gelten nur noch als Formalia. Mit dem neuen Ziel schließt Australien nun auch endlich zu wichtigen Handelspartnern wie Kanada (40–45 Prozent), Südkorea (40 Prozent) oder Japan (46 Prozent) auf.
Ein großer Schritt für ein Land, das jahrelang von Klimawandelskeptikern geführt wurde
Für ein Land, das über Jahre von Klimawandelskeptikern geführt wurde, ist dies ein großer Schritt. Trotzdem wollen auch die Sozialdemokraten der Kohleindustrie im Land nicht den Rücken zuwenden. Im Juli lehnte Albanese beispielsweise einen Stopp von fossilen Brennstoffprojekten ab, weil dies „verheerende Auswirkungen auf die australische Wirtschaft“ hätte.
Im gleichen Monat schürte der Premierminister den Mythos, dass Australiens „Qualitätskohle“ relativ sauber sei – eine Meinung, die auch schon seine liberalkonservativen Vorgänger wiederholt vertreten haben. So argumentieren Befürworter der australischen Kohleexportindustrie gerne, dass die globalen Treibhausgas-Emissionen steigen würden, wenn ausländische Kunden Kohle aus einem anderen Land beziehen müssten. Schließlich seien Australiens Kohleexporte qualitativ hochwertiger und würden weniger Emissionen verursachen.
Klimasünder Australien
Obwohl das neue 43‑Prozent-Ziel und seine gesetzliche Verankerung ein wichtiges Zeichen setzen, argumentieren Experten, dass das Land durchaus noch mehr erreichen könnte. Denn für Australien gebe es „viele Möglichkeiten, Emissionen einfach zu reduzieren“, wie Frank Jotzo, Klimaexperte an der australischen Nationaluniversität in Canberra, in einem Fachbeitrag im akademischen Magazin „The Conversation“ schreibt.
So könnte das Land seine Umstellung von Kohle auf erneuerbare Energien beschleunigen und an einer besseren Energieeffizienz arbeiten. Die Umstellung auf E‑Autos verlief bisher ebenfalls schleppend und auch Industrie und Landwirtschaft könnten dank sauberer Prozesse erhebliche Einsparungen erzielen. Der Beitrag, den Australien auf globale Sicht leisten kann, ist dabei auch gar nicht so gering: Denn obwohl das Land nur 26 Millionen Einwohner hat, machte es bisher immerhin mehr als ein Prozent der globalen Emissionen aus. Zählt man die Emissionen der fossilen Brennstoffe dazu, die das Land exportiert, war es bisher sogar für 3,6 Prozent verantwortlich.
Ehrgeizige Solarprojekte
Eine kohlenstoffarme Wirtschaft ist laut einer Studie von Deloitte Access Economics durchaus auch ökonomisch sinnvoll. Laut den Experten könnte die Umstellung zu einem Wirtschaftswachstum von 680 Milliarden Australischen Dollar, umgerechnet rund 458 Milliarden Euro, und 250.000 neuen Arbeitsplätzen bis 2070 führen. Außerdem mangelt es dem Land nicht an erneuerbaren Energiequellen: Neben Wind-, Gezeiten-, Wellen- und geothermischer Energie ist vor allem das Potenzial für Solarenergie groß.
Im Norden des Landes entsteht beispielsweise mit dem Sun-Cable-Projekt eines der ehrgeizigsten Solarprojekte der Welt. Ein Großteil des dort produzierten Sonnenstroms soll nach Singapur fließen. Zudem stecken noch weitere interessante Projekte in der Pipeline: Ein großes Zentrum für Wind- und Solarenergie soll in der Pilbara-Region im Nordwesten des Landes entstehen – der sogenannte Asia Renewable Energy Hub. Und für die Südküste Westaustraliens ist ein großes Wind- und Solarprojekt geplant. Im Rahmen des sogenannten Western Green Energy Hub sollen Millionen Tonnen grüner Wasserstoff – also Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energien produziert wird – für Australien wie auch für den Export produziert werden.
Eines der Länder, das Australiens grünen Wasserstoff importieren will, ist Deutschland. Seit Ende 2020 untersucht ein deutsch-australisches Wasserstoffprojekt, ob es Sinn ergibt, grünen Wasserstoff über die große Distanz von Australien bis nach Deutschland zu transportieren. Das Projekt namens Hysupply wurde von der deutschen und der australischen Bundesregierung gemeinsam in Auftrag gegeben. Erste Zwischenergebnisse im Juni waren positiv: So sollte es weder technisch noch ökonomisch größere Probleme geben und das trotz der großen Entfernung von über 20.000 Kilometern.
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