Terra X - die Wissens-Kolumne von Andreas Löschel 11.09.2022 hier
Gas wurde lange als Brücke zu Erneuerbaren Energien verwendet. Das hat der Ukraine-Krieg verändert. Auf diese Fragen kommt es nun an.
Die deutsche Energiewende zielt auf eine bezahlbare, saubere und sichere Energieversorgung für die nächsten Jahrzehnte. Dieses Zieldreieck wurde in der Vergangenheit ständig nachjustiert, um ökologische, ökonomische und soziale Ziele nachhaltigen Handelns in Einklang zu bringen. In den 1980er Jahren hieß die Antwort für Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit "Weg vom Öl" - neben Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien - insbesondere weiter "in die Kohle".
Kohle bis 2010 dominant
Bis 2010 hatte die Kohle eine dominante Stellung in der Stromerzeugung für Deutschland. Es gab sie günstig am Weltmarkt, Deutschland verfügte zudem über große, günstige Braunkohlereserven. Doch Kohle ist hauptverantwortlich für den Klimawandel.
Daher wurde das energiepolitische Zieldreieck später ökologisch nachjustiert. Beschleunigt durch die Berichte des Weltklimarates zu den Folgen der Erderwärmung, dem Pariser Abkommen zum Klimaschutz und jüngst die Proteste der Klimaschutzbewegung. Deshalb wurde in Deutschland beschlossen, spätestens 2038, wenn möglich 2035 bzw. - wenn es nach der Regierung geht - bereits 2030 aus der Kohleverstromung in Deutschland auszusteigen.
Deutschland will aussteigen: keine Kohle, kein Gas, keine Atomkraftwerke. Stattdessen wollen wir voll auf erneuerbare Energien umsteigen. Droht ein großer Strom-Blackout?
Beitragslänge:43 min
Datum:01.08.2022
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Gas als Brücke zur Klimaneutralität
Nach dem Klimaschutzgesetz sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden und spätestens im Jahr 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral sein. Bis 2035 soll das Stromsystem CO2-frei werden. Erneuerbare Energien nehmen dann den Platz der Kohle ein und sollen durch das weniger klimaschädliche Gas komplementiert werden, bis dieses durch grünen Wasserstoff ersetzt wird. Gas also als Brücke zur Klimaneutralität.
Die Hinwendung zum Gas wurde auch dadurch begünstigt, dass in den 2000er Jahren Fragen der Energiesicherheit im Sinne einer dauerhaften und zuverlässigen Energieversorgung in den Hintergrund getreten sind. Durch Horizontalbohrungen und Fracking kam es zu einem rapiden Anstieg von günstigem Erdgas und Erdöl. Insbesondere der Bezug von billigem Erdgas ermöglichte eben die Zusammenführung von Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit. Weniger Öl und Kohle, dafür mehr Erdgas. Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie war so gegeben.
Der deutsche Wirtschaftserfolg mit seiner starken Rolle der energieintensiven Industrien fußte auch auf der Nutzung günstigen Gases. Natürlich hat das auch etliche Fragen zur Energiesicherheit aufgeworfen. Versorgungsunsicherheit oder unzuverlässige Energieversorgung spielten aber kaum eine Rolle - bis jetzt.
Erneuerbare Energien punkten doppelt
Der Krieg gegen die Ukraine hat gezeigt, dass bei einer ernsthaften Versorgungskrise die Gewichtungen im energiepolitischen Zieldreieck schnell wieder umgekehrt werden.
Die augenblickliche Energiekrise macht deutlich: Die Vernachlässigung der Energiesicherheit führte zu Marktversagen. Was für den Einzelnen - etwa die energieintensiven Unternehmen - durchaus sinnvoll erscheint, führte zu einer gesamtwirtschaftlich unerwünschten Situation, nämlich der hohen Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas.
Zudem wurden die "wahren" Kosten fossiler Energieträger, die ja oft im Besitz autokratischer Länder sind, offengelegt. Erneuerbare Energien punkten nicht nur mit Blick auf die Energiesicherheit, sondern nun auch bei der Bezahlbarkeit.
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Wird Deutschland im Winter über genügend Erdgas, Öl und Kohle verfügen, um den Bedarf zu decken? Ist die Energie noch bezahlbar?
Beitragslänge:58 min
Datum:01.09.2022
Das Bekenntnis zur Klimaneutralität ist ein wahrer "Gamechanger"! Es braucht dafür eine Vervielfachung des Tempos beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, die massive Steigerung der Energieeffizienz und umfangreiche Innovationen bei sauberer Energie.
Wie kommt neue Wertschöpfung nach Deutschland?
Wie gelingt die Elektrifizierung, der Markthochlauf bei Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen, die Entwicklung von Negativemissionstechnologien? Wie können die umfangreichen Infrastrukturinvestitionen gestemmt werden, von Strom- und Wasserstoffnetzen über Lade- und Tankstelleninfrastrukturen für die klimafreundliche Mobilität bis hin zu dringend notwendiger Verkehrsinfrastruktur?
Und wie kann bei all dem die Verlagerung von Wertschöpfung an Standorte mit guten Bedingungen für die Erzeugung Erneuerbarer Energien abgemildert - beziehungsweise verkraftet - und im Gegenzug neue Wertschöpfung nach Deutschland und Europa geholt werden?
LNG und Wasserstoff kommt besondere Rolle zu
Kurzfristig muss aber geklärt werden, wie wir durch die nächsten zwei Winter kommen. Die zu ergreifenden Maßnahmen sollten dabei möglichst nicht im Widerspruch zu unserer langfristigen Zielsetzung stehen. Tatsächlich ist das meiste, was geplant wurde, auch weiterhin sehr sinnvoll, insbesondere Energieeffizienz, Ausbau Erneuerbarer Energien und die Entwicklung eines Marktes für grünen Wasserstoff. Aber bei den aktuellen Verwerfungen ist eben auch der Ausstiegspfad aus der Kohleverstromung und der Kernenergieausstieg auf dem Prüfstand.
Und wir müssen stärker auf Resilienz achten, also darauf, dass die Funktion des Energiesystems unter Belastungen erhalten bleibt oder zumindest innerhalb kurzer Zeit wiederhergestellt werden kann. Den neuen LNG-Terminals und der zukünftigen Infrastruktur für Wasserstoff kommt dabei eine besondere Rolle zu. So ist der Weg ins Unbekannte zu meistern.
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