Standard hier Julia Beirer 29. September 2022
Der Strom könnte die Infrastruktur selbst versorgen oder ins Netz eingespielt werden. Auch in Österreich experimentiert man mit PV-Modulen als Lärmschutzwände
Die Ausfahrt der "Rastanlage im Hegau" auf der A81 nahe der Stadt Engen im deutschen Bundesland Baden-Württemberg ist wie jede andere Autobahnausfahrt auch. Pkw-Fahrer und Lkw-Lenkerinnen müssen das Tempo auf diesem Streckenabschnitt reduzieren. Danach finden sie einen Parkplatz und eine Toilette, können einen Kaffee trinken oder ein Sandwich essen und sich die Füße vertreten. Kein besonderer Ort also, und trotzdem könnte genau diese Ausfahrt die Abzweigung in die Richtung erneuerbarer Energie weisen.
In wenigen Monaten soll hier nämlich eine Überdachung mit Solarpaneelen über den fließenden Verkehr ragen. PV-Süd heißt das Pilotprojekt, das Manfred Haider vom Austrian Institute of Technology (AIT) leitet. Die Baugenehmigung sei fast durch.
Strom für Tunnel und Rastplätze
Auch die deutsche Autobahn GmbH bestätigt auf Nachfrage des STANDARD, dass die Fundamente noch heuer gebaut werden sollen. Stahlbau und Photovoltaik-Elemente folgen Anfang nächsten Jahres. Ab kommendem Frühling misst und zählt eine Forschungsgruppe rund um Haider die Energieerträge. Mitte 2024 soll das Projekt abgeschlossen sein. Dann wird feststehen, wie viel Strom über der Autobahnausfahrt erzeugt werden kann.
Die gewonnene Energie könne etwa naheliegende Anlagen wie Tunnel, Rastplätze oder Tankstellen mit Strom versorgen. "Das ist die einfachste Lösung", sagt Haider. Es gebe aber auch die Möglichkeit, den Strom ins Netz einzuspeisen. Relevant werde das aber wahrscheinlich erst in weiterführenden Projekten. Haider konzentriert sich derweil auf Errichtung, Energieproduktion und die Auswirkungen der Photovoltaik-Module auf bestehende Infrastruktur wie etwa die Straße selbst. Immerhin soll das Projekt auch zeigen, ob die PV-Überdachung überhaupt praxistauglich ist und Wind, Wetter sowie Schneedecken beziehungsweise deren Räumung aushält.
Die Autos unter dem 14 mal zwölf Meter großen Solardach fahren mit maximal 50 km/h, also noch keine Autobahn-Geschwindigkeiten. Trotzdem, die Idee ist, die Module in späteren Projekten einfach aneinanderzureihen, erklärt Haider.
Platz für Paneele
Es sei ein komplett neues Forschungsprojekt, Langstreckenüberbauungen von Autobahnen mit Photovoltaik-Paneelen gebe es noch nicht. Wichtig sind derartige Überbauungen vor allem, um den Anteil an erneuerbarer Energie zu steigern. Denn die Paneele brauchen ausreichend Platz. Dieser ist rund um Autobahnen und Schnellstraßen zwar gegeben, werde aber "kaum in Betracht gezogen", heißt es in einer Aussendung des Austrian Institutes of Technology.
Dass das Photovoltaik-Potenzial rund um Straßen groß ist, hat auch das Schweizer Bundesamt für Straßen (Astra) erkannt. Seit Mitte September läuft das Bewerbungsverfahren für PV-Anlagen auf Lärmschutzwänden und Rastplätzen. Die Flächen sind kostenlos.
Mitmachen kann jede und jeder – gewinnen ebenso. Denn: Das Los entscheidet über die Zuteilung. Den Schweizerinnen und Schweizern sind derartige Losungsrunden nicht neu. Bereits 2018 hat Astra Standorte für Schnellladestationen auf Rastplätzen auf ähnliche Weise vergeben.
Lärm rein, Strom raus
Ein ähnliches Konzept verfolgt man auch in Österreich. Der hiesige Autobahnbauer Asfinag hat vergangenes Jahr ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem grüner Strom mithilfe von Lärmschutzwänden gewonnen werden soll, ohne neue Bodenflächen versiegeln zu müssen. Auf 70 Metern werden auf der Wiener Außenringstraße im Gemeindegebiet Vösendorf sieben verschiedene Varianten seit nunmehr einem Jahr getestet.
Ergebnisse gibt es zwar noch nicht, natürlich sei es aber das Ziel, PV-Anlagen langfristig in Betrieb zu nehmen und daraus grünen Strom zu gewinnen, so ein Sprecher aus dem Verkehrsministerium.
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