ZDF Terra X - die Wissens-Kolumne am 18.09.2022 : Dr. Jane Goodall
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Auch wir Menschen sind nur Affen und hängen von der Natur ab.
Um die Welt noch retten zu können, sollten wir unsere Denkweise ändern - schnell.
Gombe ist ein sehr kleiner Nationalpark, der kleinste in Tansania. 1960 und auch noch 1970 war er Teil des großen äquatorialen Waldgürtels, der bis zur Westküste reichte. In den späten 80er Jahren war er nur noch eine kleine Waldinsel, umgeben von kahlen Hügeln.
Menschen für Lebensunterhalt helfen
Als ich aus dem Flugzeug hinunterblickte, sah ich, dass es hier mehr Menschen gab, als das Land ernähren konnte. Menschen, die zu arm waren, um Lebensmittel zu kaufen, und die ums Überleben kämpften, weil das Ackerland übernutzt und unfruchtbar war.
Da wurde mir bewusst: Wenn wir diesen Menschen nicht helfen, Wege zu finden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ohne die Umwelt zu zerstören, können wir weder Schimpansen noch Wälder oder sonst etwas retten.
In der Gegenwart sterben hundert Mal mehr Arten aus als bei einer natürlichen, evolutionsbedingten Rate zu erwarten wäre. Zeit für Klartext - Zeit für Fakten des Artensterbens.
Beitragslänge:43 min
Datum:04.07.2021
Zukunft der Schimpansen hängt von Menschen ab
Es hängt ganz von uns ab. An bestimmten Orten werden die Affen unweigerlich verschwinden. Andererseits helfen die Programme wie die des Jane-Goodall-Instituts und anderer dabei, die Wälder, in denen die Schimpansen leben, wieder größer zu machen. Und sie helfen, Menschen für den Umweltschutz zu sensibilisieren. Denn eines ist sicher: Den Gombe-Nationalpark, in dem ich 1960 anfing, gäbe es ohne mich gar nicht mehr und auch keinen Wald und keine Schimpansen.
Um es ganz klar zu sagen: Wir nähern uns wohl dem Ende der Menschheit und der Menschenaffen, wenn wir nichts tun und nicht schnell handeln. Wenn wir so weitermachen wie bisher: mit einer ständig wachsenden Weltbevölkerung auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen und der irrsinnigen Vorstellung, dass es dauerhaft wirtschaftliches Wachstum auf diesem Planeten geben kann.
Was wir brauchen, ist eine neue Denkweise. Das hört sich gut an, aber wie schafft man diese neue Denkweise? Meine Hoffnung ruht auf den jungen Menschen. Obwohl in den Medien oft schwarzmalerisch von Umweltzerstörung und Artensterben die Rede ist, treffe ich überall auf der Welt viele tolle Menschen, die erstaunliche Projekte durchführen.
Auch Schimpansen haben eine brutale Seite
Früher dachte ich ganz naiv: Oh, Schimpansen sind wie wir, nur viel netter. Dann entdeckte ich, dass sie diese dunkle, aggressive, brutale Seite haben, genau wie wir. Sie haben also diese Seite, und sie haben auch die mitfühlende, altruistische Seite. Der große Unterschied ist, dass sich unser Intellekt explosionsartig entwickelt hat.
Die Aggression, der Krieg von Schimpansen unterscheidet sich stark von unseren Kriegen. Schimpansen sind territorial veranlagt - so wie Jäger- und Sammlerstämme, die mit ihrer Aggression die Versorgung sichern. Nicht wie Wladimir Putin, der in die Ukraine einmarschiert, um seinen Machtbereich auszubauen.
Absurd: Intelligentestes Wesen zerstört eigenen Planeten
Wir sollten durch unseren Verstand in der Lage sein, unser Verhalten zu kontrollieren. Wir tun es aber nicht. Und das ist das eigentliche Rätsel unserer Spezies.
Wir haben eine Rakete entwickelt, die zum Mars geflogen ist. Ein kleiner Roboter ist losgefahren und hat Fotos gemacht. Oder die Fotos unseres Planeten Erde aus dem Weltraum, diese kleine blau-grüne Kugel, umgeben von der kalten, schwarzen Unendlichkeit des Weltraums: Diese Erde ist unsere Heimat. Wie absurd, dass das intelligenteste Wesen, das je gelebt hat, seinen eigenen Planeten vernichtet.
Menschenmasse
Vor 2.000 Jahren lebten zweihundert Millionen Menschen auf unserem Planeten, heute fast acht Milliarden. Und morgen? Wie viel Platz bleibt noch für die Natur und ihre Artenvielfalt?
Ein Problem ist auch der Materialismus, also alles haben zu wollen. Spirituelle Werte werden zurückgedrängt. Die Natur wird unwichtiger. Die Menschen sollten aber verstehen, dass wir Teil der Natur sind.
Wir sind auch nur Affen - eine von den fünf Gruppen von Menschenaffen. Und als Menschen sollten wir wissen, dass wir nicht nur Teil der Natur sind, sondern auch von ihr abhängen. Nahrung, Wasser, Luft zum Atmen. Auch mitten in der Stadt. Alles kommt aus der Natur. Wir sind einfach abhängig. Und zwar von einem gesunden Ökosystem.
Ökosystem funktioniert nur in der Gesamtheit
Für mich ist das Ökosystem wie ein wunderschöner Wandteppich. Und jeder Faden dieses Teppichs ist eine Spezies, und alle sind miteinander verwoben. Wenn eine Spezies dann verschwindet, sei es eine Pflanze oder ein Tier, wird dem Teppich ein Faden gezogen. Wenn zu viele Fäden herausgezogen wurden, hängt er nur noch in Fetzen und das Ökosystem fällt in sich zusammen.
Dafür muss ein Bewusstsein geschaffen werden. Wir werden uns wohl nicht verändern. Aber wir brauchen eine neue Definition von Erfolg, nicht immer mehr Geld, Macht oder Kontrolle. Das muss vor allem die jüngere Generation verstehen.
Wir müssen die Einstellung ändern, damit wir mit weniger auskommen - so, wie es früher einmal war. Unmöglich ist das nicht. Und wenn sich nicht genügend Menschen um die Rettung unserer Spezies kümmern, wenn nicht genügend Menschen verstehen, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, ins Verderben führt, dann sind wir verloren. Was nützt uns also dieser unglaubliche Intellekt, wenn wir nicht zusammenkommen, zusammenarbeiten und gemeinsam einen Weg finden.
Jane Goodall und Richard David Precht im Gespräch
Wenn sich Richard David Precht und Jane Goodall treffen, geht es um etwas Großes. Größer als ihre Forschungen und Projekte, die Schimpansen und ihre Ökosysteme retten – es geht um die Rettung der Menschheit und was es dafür braucht.
Beitragslänge:53 min
Datum:18.09.2022
Dr. Jane Goodall …
… dachte schon als Kind auf den Klippen von Bournemouth über die Natur nach und träumte von Afrika. Mit 26 Jahren ging sie nach Tansania, um das Verhalten von Schimpansen zu studieren. Heute gilt sie als weltweit wichtigste Expertin auf diesem Gebiet. Sie ist UN-Friedensbotschafterin, will auch die Lebensbedingungen der Menschen - vor allem in Afrika - verbessern und sah schon früh die Zerstörung der Umwelt auf dem Planeten durch das "Herrentier Mensch" voraus. 2004 wurde sie von Queen Elisabeth zur "Dame Commander of the Order of the British Empire" ernannt.
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