Was verlieren wir hier im Ländle, indem wir diese Taktiken zulassen? Es ist nicht viel was man bezahlen muss, aber die Landschaftspfleger mit ihren Streuobstbäumen müssen doch nicht auch noch eine wenig sinnreiche Zertifizierung aus eigener Tasche bezahlen? Sie tun wahrhaftig schon genug für unsere wunderbare Kulturlandschaft! Hier wäre es tatsächlich angebracht, dass das Land einspringt. Denn schließlich fiel mit dem Brennrecht eine deutliche Stütze des Streuobstbaus.
16.09.2022 hier im Südkurier
Herr Bannier, die Preise für Äpfel sind im Keller. Streuobstwiesenbesitzer legen drauf. Sie vermarkten in Nordrhein-Westfalen Streuobst und zahlen Ihren Lieferanten ein Mehrfaches der am Bodensee üblichen Preise. Wie gelingt Ihnen das?
Ich höre immer wieder, wie niedrig die Streuobstpreise in Baden-Württemberg sind. Die fallen in manchen Jahren ja deutlich unter die Zehn-Euro-Marke. Im Norden und Westen Deutschlands gibt es nicht mehr so viele Streuobstbestände wie in Süddeutschland. Daher sind die Preise hier nicht so stark unter Druck.
Was bezahlen Sie ihren Streuobst-Lieferanten?
Meine Streuobstlieferanten bekommen normalerweise 30 Euro für Hundert Kilogramm Äpfel. Nur dieses Jahr hängen die Bäume bei uns so voll, dass ich auf 25 Euro pro Hundert Kilo runtergehe. Das wird nächstes Jahr aber wieder mehr werden, da bin ich recht sicher. Wir reden hier übrigens nicht über Bioobst, sondern von ganz normalen Äpfeln von Streuobstwiesen.
Was machen Sie anders als Streuobst-Vermarkter in Süddeutschland?
Der Fairness halber muss man sagen, dass unser „Geschäftsmodell“ nur begrenzt mit dem der großen Keltereien in Süddeutschland vergleichbar ist. Denn es sind nur 30 000 bis 40 000 Liter Saft, die wir pro Jahr in einer regionalen Mosterei als Lohnsaft verarbeiten lassen. Und wir vermarkten den Großteil davon direkt über einen Hofladen an die Endverbraucher. Was übrig bleibt, liefern wir an einen Kreis von Bioläden und -Supermärkten sowie an ausgewählte Edeka- und Rewe-Märkte in unserem näheren Umfeld. Wir stehen also nicht in Preiskonkurrenz mit dem überregionalen Lebensmittelhandel.
Wo liegt der faire Preis für Streuobst?
Ich würde den Erzeugerpreis ab 25 Euro pro hundert Kilo als einigermaßen fair einschätzen. Das ist auch der Preis, den einige ökologisch getragene Aufpreisinitiativen ihren Lieferanten bezahlen. Manche sagen aber zu Recht, es müssten eigentlich 30 oder eher 40 Euro sein, damit Streuobstwiesenbesitzer davon wirklich leben könnten. Das sind im Übrigen auch die Preise, die in der Schweiz für die Spezialmostsorten gezahlt werden.
Sie zahlen ihren Obst-Lieferanten viel. Wie können Sie da auskömmlich wirtschaften?
Wir kalkulieren knapp, vermarkten viel direkt und haben uns bei unseren Kunden einen Ruf als verlässlicher Kleinerzeuger für Streuobstqualität aufgebaut. Auch, wenn bei uns kein Bio-Siegel auf den Flaschen draufsteht, wissen die Menschen, dass alles naturbelassen ist und dass bei uns wirklich nur Streuobst drin ist, wo Streuobst draufsteht. Wir werden nicht reich dabei, aber am Ende des Jahres springt für unseren Betrieb ein kleiner Gewinn heraus, der reinvestiert werden kann. Ein Teil unseres Umsatzes kommt zudem auch durch andere Dienstleistungen herein, wie etwa dem Obstbaumschnitt oder diversen Beratungsangeboten rund ums Obst.
Was müsste geschehen, dass die Erzeugerpreise wieder steigen?
Eine Option ist es, dass sich die Erzeuger besser organisieren, um den großen, marktbeherrschenden Keltereien etwas entgegenzusetzen. Für zielführender halte ich es allerdings, Streuobst dort zu vermarkten, wo es knapp ist und sich dafür beispielsweise mit Obst-Großhändlern zusammen zu tun.
Wie könnte das ablaufen?
Es ist bei Weitem nicht so, dass das Obstangebot überall so hoch ist wie in Baden-Württemberg. Anderswo gibt es sogar echte Streuobst-Engpässe. In manchen Jahren habe ich zu wenig Äpfel, um all meine Abnehmer zu beliefern. In Nord- und Westdeutschland ist das ein genereller Trend, weil die Zahl der Streuobstwiesen hier in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen ist. Insofern würde es sich für Obstbauern aus dem Süden sicher lohnen, die Fühler nach Norden auszustrecken und sich nach guten Großhändlern mit Streuobst-Faible umzuschauen. Warum sollte Streuobst aus Baden-Württemberg da nicht als Marke funktionieren? Wichtig ist dabei der Aufbau von Vertrauen, dass „Streuobstsaft“ wirklich auch nur aus Streuobstbeständen kommt.
Was kostet eine Flasche Streuobst-Apfelsaft aus Ihrer Produktion im Laden?
Der reine Apfelsaft aus meiner Produktion liegt bei etwa 1,99 Euro je 0,7-Liter-Flasche. Spezialitäten, etwa mit Quitte oder Birne, liegen über zwei Euro.
Fragen: Walther Rosenberger
Ein Verein macht die Kosten klein
Auf die großen Saftproduzenten ist Dieter Blessing nicht gut zu sprechen. Der Vorsitzende des Obst- & Gartenbauverein Leutenbach (OGV) vertritt mehrere Dutzend Streuobstwiesenbesitzer, die sich in seinem Verein organisiert haben und die seit Jahren unter den niedrigen Streuobstpreisen leiden. „Im Mostviertel nördlich Stuttgart sind die Preise oft noch niedriger als am Bodensee“, sagt Blessing. „Die Großabnehmer nehmen uns in die Zange“, sagt er.
Ein besonderes Problem für die kleinen Bio-Erzeuger ist die kostspielige Zertifizierung von Streuobst, die die Saftkeltereien – einige haben ihren Sitz am Bodensee – bei der Ablieferung von Obst verlangen. Private Zertifizierer führen die Bio-Kontrollen meist im Auftrag der Keltereien durch. Die Kosten können pro Streuobstwiese 150 bis 250 Euro pro Jahr betragen. „Früher übernahmen das die Keltereien“, sagt Blessing. Seit 2022 ist das anders. Nun müssen die Streuobstwiesenbesitzer selbst die Zertifizierung bezahlen.
„Insbesondere für Besitzer kleiner Streuobst-Parzellen wird es damit unwirtschaftlich noch Obst abzuliefern“, sagt Blessing. Das sei eine Gefahr für den Bestand der Streuobstwiesen. „Wir wollten uns das nicht gefallen lassen“, sagt der streitbare Schwabe.
Heraus kam eine Lösung, die zwar Aufwand erforderte, die Kosten nun aber radikal senkt. Anstatt alle Streuobstwiesen der Vereinsmitglieder einzeln bio-zertifizieren zu lassen, hat der OGV alles unter sein Dach geholt und beim privaten Anbieter eine Gemeinschaftszertifizierung durchgesetzt. „Das war viel Papierkram“, sagt Obst-Rebell Blessing. Aber es habe sich gelohnt. Der Haken dabei: OGV-Chef Blessing und sein Vorstand haften nun für die Einhaltung der Bio-Regeln. Indes: „Unter dem Vereinsdach wird die Bio-Zertifizierung für jeden Einzelnen sehr viel billiger“, sagt Blessing.
Konkret sieht das Resultat der Mühe so aus: 27 Streuobstwiesenbesitzer des OGV mit insgesamt gut 12 Hektar Obstwiesen zahlen für die Bio-Zertifizierung ihrer Obstwiesen abzüglich eines Landeszuschusses nur noch 576,48 Euro. Also durchschnittlich knapp 50 Euro je Hektar. „Unser kleinster Stücklesbesitzer zahlt nur noch 3,50 Euro für sein Biosiegel“, sagt Blessing. Früher hätte er dafür leicht einen dreistelligen Eurobetrag aufwenden müssen.
Dass sich Streuobstwiesen-Besitzer zusammentun, um Kosten zu senken oder sich in Erzeugergemeinschaften organisieren, um mit mehr Macht Großabnehmern gegenüber aufzutreten, hält der Schwabe Blessing für eine Blaupause auch für andere Landesteile. „Bei uns klappt es so besser“, sagt er.
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