Donnerstag, 19. Mai 2022

Wie die EU das Klima schützen will - und die Industrie

Süddeutsche Zeitung  hier   17. Mai 2022,Von Björn Finke, Brüssel

Klimapolitik

Der Umweltausschuss des Europaparlaments stimmt dafür, ehrgeizige Gesetze noch zu verschärfen. Unter anderem sollen dreckige Billigimporte verteuert werden. Doch es droht Ärger.

Das Europaparlament will den geplanten Klimazoll der EU verschärfen: Am Dienstag stimmte der Umweltausschuss des Parlaments mit 49 zu 33 Stimmen dafür, das sogenannte Kohlendioxid-Grenzausgleichssystem früher einzuführen und für mehr Produkte gelten zu lassen.

Wenn das Plenum im Juni diese Position bestätigt hat, können die Verhandlungen zwischen Parlament und Ministerrat, dem Gremium der Mitgliedstaaten, über das brisante Gesetz beginnen. Das System, das in Brüssel vor allem unter seiner englischen Abkürzung CBAM firmiert, soll Europas Industrie vor Billigimporten aus Ländern schützen, in denen laxere Klimaschutz-Standards gelten.

Der Gesetzentwurf der Kommission sah vor, das System zunächst nur für Zement, Aluminium, Dünger, Eisen und Stahl sowie Elektrizität einzuführen. Die Abgeordneten ergänzten die Liste um Wasserstoff, Plastik und organische Chemieprodukte. Dieser Mechanismus soll das bewährte Emissionshandelssystem ergänzen: In der EU müssen Kraftwerke und viele Industriebetriebe schon seit 2005 Kohlendioxid-Zertifikate vorweisen können, wenn sie Klimagase in die Atmosphäre blasen. Mit diesen Verschmutzungsrechten darf man handeln; Konzerne, denen die Verringerung des CO₂-Ausstoßes einfacher fällt, können überschüssige Zertifikate verkaufen. Damit werden die Emissionen auf die günstigste und wirtschaftlichste Art verringert.

Doch wegen der strengen Klimaschutzziele reduziert die Kommission die Zahl der Verschmutzungsrechte. Deren Preise steigen - und damit die Kosten der hiesigen Industrie sowie die Gefahr, dass die Hersteller nicht mit billigeren Importen mithalten können oder ihre Werke aus der EU wegverlagern. Der CBAM soll dem entgegenwirken. Er verlangt von Importeuren, ebenfalls Kohlendioxid-Zertifikate für ihre Einfuhren zu kaufen und so faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

....Eine andere Änderung der Abgeordneten betrifft die freie Zuteilung von Emissionsrechten: Bisher erhalten Europas Industriebetriebe eine bestimmte Menge kostenloser CO₂-Zertifikate, um besser im Wettbewerb mit Rivalen aus Ländern ohne Emissionshandelssystem bestehen zu können. Diese Geschenke sollen auslaufen, wenn CBAM in Kraft tritt, um einen doppelten Schutz zu verhindern. Die Kommission wollte die kostenlosen Verschmutzungsrechte bis 2036 schrittweise abschaffen, der Umweltausschuss stimmte nun für 2030 als Enddatum......


210 Milliarden Euro für mehr Unabhängigkeit

Die EU-Kommission stellt ehrgeizige Pläne vor, wie Europa auf Öl, Gas und Kohle aus Russland verzichten kann. So sollen alle Neubauten Solardächer bekommen. Nötig sind gewaltige Investitionen.

Von Björn Finke, Brüssel  hier

Regierungen und Unternehmen in der EU müssen in den kommenden fünf Jahren 210 Milliarden Euro investieren, um Europa unabhängig von russischer Energie zu machen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentierte am Mittwoch in Brüssel Pläne, die es ermöglichen sollen, im Laufe des Jahrzehnts komplett auf Kohle, Öl und Gas aus Russland zu verzichten. Die enorme Summe kommt oben drauf zu den Ausgaben, die ohnehin für das Klimaschutzprogramm der EU nötig sind. Von der Leyen sagte, die Europäische Union müsse ihre "Abhängigkeit von Russland im Energiebereich so schnell wie möglich verringern: Und wir können dies tun".

Bürger und Firmen sollen dafür mehr Energie sparen, zudem will die EU den Ausbau von Ökostrom beschleunigen und Produktion und Import von klimafreundlich hergestelltem Wasserstoff hochfahren - als Alternative zum Erdgas. Daneben sollen andere Förderländer russische Erdgas- und Öl-Lieferungen ersetzen. Die Kommission kündigte unter anderem an, die Installation von Solardächern verpflichtend zu machen: von 2026 an für alle neuen Geschäfts- und Bürogebäude und drei Jahre später auch für neue Wohnhäuser. "Dies ist ehrgeizig, aber es ist zu schaffen", sagte von der Leyen.

Die Brüsseler Behörde erhöht daneben die Ziele fürs Energiesparen bis 2030. EU-Regierungen sollen Informationskampagnen starten. Sie könnten auch die Mehrwertsteuer senken für Dämm-Material oder Wärmepumpen. Nach Schätzungen der Kommission können einfache Verhaltensänderungen den Öl- und Gasbedarf rasch um fünf Prozent senken: zum Beispiel das Verringern der Heiztemperatur und der häufigere Verzicht aufs Auto.

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