Freitag, 27. Mai 2022

Das zutiefst unmoralische Geschäft mit dem Hunger

Foodwatch hier

Es ist ein zutiefst unmoralisches Geschäft: Seit Russlands Panzer ukrainische Weizenfelder verheeren und der Krieg den Handel blockiert, steigen die Preise für Weizen und andere Nahrungsmittel rasant.

Doch dahinter steckt nicht nur die Angst vor Knappheit, sondern auch die Geldgier von Finanzinvestor:innen: Sie spekulieren an den Börsen mit Getreide, um sich ihre Taschen zu füllen. 

Bereits in den ersten Tagen des Krieges flossen Milliarden Euro und Dollar in Fonds, die mit Nahrungsmitteln spekulieren.  Anleger wetten an den Rohstoffbörsen auf steigende Kurse und treiben so die Börsencharts steil nach oben. Der ehemalige UN-Berichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, bringt es auf den Punkt: "Die Spekulation ist zurück, hier wird auf steigende Preise gewettet, also quasi auf Hunger."

In Ländern wie dem Jemen oder dem Sudan, in denen schon jetzt der Hunger grassiert, wird Getreide und Brot für viele unbezahlbar. Selbst Hilfsorganisationen bekommen für das gleiche Geld nur noch 30 bis 50 Prozent der Hilfsgüter.
Die Folge: Bei noch mehr Menschen bleibt der Teller leer – darunter auch Millionen Kinder. Die Mangelernährung schädigt ihre Körper oft lebenslang. 

Eigentlich hatte die Politik aus der letzten Spekulationskrise gelernt. Nachdem Anleger 2007 und 2008 die Preise schon einmal in die Höhe getrieben hatten, führte die EU Obergrenzen für die Spekulation ein.  Doch die sind viel zu hoch, um die Finanzwetten wirksam zu begrenzen. EU und Regierungen müssen die Spekulations-Obergrenzen dringend senken.  

foodwatch hat jahrelang gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln gestritten. Aus Erfahrung wissen wir: Die Finanzlobby hat noch immer viel zu viel Einfluss in Brüssel. Wir Bürger:innen müssen dagegenhalten. Daher brauchen wir Sie: Bitte helfen Sie mit, das Zocken der Finanzindustrie zu stoppen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einem monatlichen Förderbeitrag!

Was eine kleine Organisation wie foodwatch bewegen kann, haben wir 2011 gesehen. Unser Report "Die Hungermacher" deckte die Machenschaften der Nahrungsmittel-Spekulant:innen an den Börsen auf.  Unsere Kampagne „Hände weg vom Acker, Mann“ brachte das unmoralische Geschäft in die Zeitungen und Abendnachrichten – und wurde für die Banken zum PR-Desaster. Die Commerzbank und andere stiegen ganz aus, einige wie die Deutsche Bank gaben sich zumindest zerknirscht.

Denn so richtig trauen Banken sich die Spekulation mit Nahrung nur, wenn es im Verborgenen bleibt – und die Behörden sie lassen. So auch jetzt: Immer wieder verstecken sich Investor:innen dahinter, dass Weizen, Getreide und Co. durch den Krieg eben knapp würden - und allein diese Knappheit die Preise treibe. Und tatsächlich kaufen reichere Länder und auch Unternehmen aus Sorge um knapp werdende Nahrungsmittel schon jetzt zukünftige Ernten zu teils hohen Preisen auf. 

Doch diese Krisenangst allein kann die immensen Preissprünge nicht auslösen, wie Expert:innen betonen. Denn auffällig viele Investor:innen, die mit Ernährung gar nichts zu tun haben, pumpen gerade Milliarden in den Markt – und blähen die Preise damit auf. Das niederländische Recherchenetzwerk Lighthouse rechnet das am Beispiel zweier großer Investment-Fondzweihunderts vor, die mit Nahrung handeln: Im gesamten Jahr 2021 hätten sie lediglich knapp  Millionen Euro investiert - in den ersten vier Monaten dieses Jahres allein schon das Sechsfache.

Bei mehr als 800 Millionen Hungernden auf der Welt dürfen wir das nicht zulassen.
foodwatch klärt über die Machenschaften der Finanzjongleure auf und fordert energisch striktere Regeln. Heute bitten wir Sie dafür um Ihre Hilfe: Lassen Sie uns gemeinsam die Spekulation mit Nahrungsmitteln bekämpfen – werden Sie foodwatch-Mitglied!

P.S.: Manchmal verschlägt es mir die Sprache, wie schamlos es in der Finanzbranche zugeht: "Ukraine-Krieg treibt Preise für Agrar-Rohstoffe wie Weizen und Raps - so können Anleger profitieren" schreibt ein Branchenportal Mitte März. Da war der Krieg noch keinen Monat alt.


Quellen und weiterführende Informationen


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