Montag, 16. Mai 2022

Schotter-Sparkurs für die Schwäbische Alb

Im Regionalverbandsgebiet stand das Thema Kies immer im Vordergrund, schon alleine aufgrund der Flächenbilanz. Doch der Kalkabbau im Donautal ist noch bedenklicher, da dafür wertvollste Biotopflächen geopfert werden sollen. siehe hier 


 Schwäbische Zeitung  hier  Larissa Hamann mit Film

Warum auch beim Kalk künftig Sparen angesagt ist

Jeder Mensch braucht durchschnittlich ein Kilogramm Steine pro Stunde.
Dieser Wert ergibt sich laut Bundesverband Mineralische Rohstoffe aus der Summe der Steine, die im Alltag überall zum Einsatz kommen – in den verschiedensten Formen und Produkten.

Das fängt bei der Zahnpasta und Schminke im Bad an, setzt sich fort mit der Kaffeetasse, der Post und der Zeitung am Frühstückstisch, auf dem Arbeitsweg per Straße oder Schiene, und reicht bis in die Gebäude, in denen die Menschen leben und arbeiten. Ausnahmslos jeder Lebensbereich ist auf Schotter, Sand, Split oder Kies – auf Stein im Allgemeinen – angewiesen.

Ein Rohstoff, der seit der Steinzeit unendlich verfügbar zu sein scheint – in den nächsten Jahrzehnten aber ähnlich wie die fossilen Brennstoffe und andere Bodenschätze immer knapper werden könnte. Auch auf der Schwäbischen Alb.....

Aus dem Jungnauer Schotterwerk wird bereits seit 1960 Kalkgestein gewonnen. 200 000 Tonnen jährlich, 90 Prozent davon für den Straßenbau. Gebrochen wird der Stein derzeit aus der Gotterbarmshalde, einer Felswand im Besitz der Stadt Sigmaringen. Bauingenieur Thomas Braunsberg schätzt, dass der Rohstoff an dieser Stelle noch bis 2050 reichen wird. Wie es danach weitergeht, ist unklar. Fest steht aber: Mit neuen Abbauflächen kann das Unternehmen eher nicht rechnen.

Denn in Baden-Württemberg ist die Nutzung der Flächen – zum Beispiel für Wohn- und Gewerbegebiete, Fremdenverkehr, Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft, aber eben auch für die Rohstoffindustrie – streng geregelt, und die Standorte für den Abbruch sind damit begrenzt.

....“ Leben in der Umgebung einer potenziellen Abbaustätte zum Beispiel geschützte Tierarten, grenzt eine Bahnlinie an das Gebiet oder liegt es an einer Wasserschutzzone, sinken die Chance auf eine Genehmigung fast gen Null.

Auch politisch lassen sich Neuerschließungen kaum mehr durchsetzen. Bedenken wegen des Lärm, erhöhtem Lastwagenverkehr und dem Eingriff in die Natur sind Argumente, die vielerorts den Widerstand gegen einen Abbau nähren.

„Auch wenn wir den Kalk alle nutzen und auch brauchen: Die Bevölkerung will den Abbau einfach nicht mehr“, berichtet Daniela Budach, Diplomgeologin beim Industrieverband Steine und Erde Baden-Württemberg (ISTE), der die Interessen von rund 500 Branchenmitglieder in Baden-Württemberg vertritt.

Ein Beispiel für einen solchen Interessenkonflikt ist die Diskussion um den Kalkabbau am Mittelberg in Beuron-Thiergarten. Das Donaueschinger Unternehmen Prinz zu Fürstenberg plant an diesem Standort im Landkreis Sigmaringen, hochreinen Kalk abzubauen.

Dieser besteht fast zu 100 Prozent aus Calziumcarbonat, ist nahezu frei von Lehm und anderen Gesteinen, und daher in der Natur verhältnismäßig selten. Wegen seiner feinporigen Beschaffenheit verwendet die Industrie den Rohstoff zum Beispiel für die Glas-, Putz- und Papierherstellung, ebenso ist er in Klebstoffen, Medikamenten und Kosmetik enthalten. Abgebaut werden könnte er auf Schwäbischen Alb vor allem in den Landkreisen Sigmaringen, Tuttlingen und Heidenheim.

Wo aber, wenn nicht im Oberen Donautal, sollte Naturschutz noch Vorrang haben?“, hält Gerhard Stumpp, Vorsitzender der BUND-Ortsgruppe Sigmaringen, gegen die Pläne der Unternehmensgruppe. Die Verkehrsanbindung über die enge Donautalstraße sei für den Kalktransport ungeeignet, und Mittelberg zudem Bestandteil des Schutzgebiets Natura 2000 und des UNESCO Global Geoparks.

Die politische Bedeutung von Artenschutz nimmt eher zu als ab. Ich kann mir deshalb kaum vorstellen, dass die artenschutzrechtlichen Bedenken schlechter abschneiden als eine Abwägung zu Gunsten des Kalkabbaus“, sagt Stumpp. Unterstützt wird der BUND-Vorsitzende in seinem Anliegen von der Interessengruppe „Pro Mittelberg“, die sich 2016 als Protestbewegung gegen den geplanten Abbau formiert hat.

Trotz einer Demonstration im vergangenen Juni auf dem Sigmaringer Karlsplatz hat der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, der die Flächennutzung für die Landkreise Sigmaringen, Ravensburg und den Bodenseekreis regelt, den Standort Mittelberg dennoch als mögliche Abbaustätte in seinen Plan für die kommenden Jahre aufgenommen.....

....Wenn aber die Flächen für den Kalkabbau immer weniger werden, könnte das für das Land in einigen Jahrzehnten zum Problem werden. „Wenn es irgendwann keine Flächen mehr gibt, gibt es auch keinen Abbau und damit auch keine Rohstoffe für neue Häuser und Straßen mehr“, erklärt die Diplomgeologin.
Recyclingschotter soll das Problem lindern

Deshalb setzt die Steine- und Erdenindustrie inzwischen verstärkt auf das Recycling von Schotter. Das Unternehmen Martin Baur hat dafür in sechs Werken Gruben eingerichtet, in denen Bauschutt und das Ausschussmaterial aus seinen Betonwerken zur Wiederverwendung gelagert wird.....

350 solcher Recyclingwerke gibt es in Baden-Württemberg derzeit schon. Von den 40 Millionen Tonnen Bauabfällen, die in Baden-Württemberg jährlich anfallen, kann bereits ein Viertel als Betonbruch wiederverwertet werden. Das Land spart damit etwa zehn Prozent neuer Rohstoffe.

Ganz auf recyceltes Material umzusteigen, ist laut ISTE nicht möglich, weil immer ein Teil des Bauschutts als unbrauchbar belastet auf der Deponie landet und somit der Bedarf nur durch neuen Schotter gedeckt werden kann. Zumindest bietet das Recycling aber eine gute Möglichkeit, auf längere Sicht Ressourcen zu schonen und so das Ende des Abbaus auf der Schwäbischen Alb hinauszuzögern.

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