Samstag, 28. Mai 2022

SPIEGEL Klimabericht vom 28. Mai 2022: "Alles bisschen schwammig"

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von Viola Kiel

ginge die Größe der Fortschritte im Klimaschutz proportional einher mit der Anzahl der Treffen mächtiger Menschen – diese Woche wäre unbestritten eine gute Woche fürs Klima gewesen.

In Davos kamen Anfang der Woche Staatenlenker, Wirtschaftsdenker und Firmenbosse zum Weltwirtschaftsforum (S+) zusammen, in Berlin berieten bis zu diesem Freitag Vertreterinnen und Vertreter der G7 über die Klima-, Energie- und Umweltpolitik der sieben führenden Industrienationen.
Bei beiden Treffen wiesen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vielfach auf die Bedeutsamkeit konsequenter, konkreter Klimaschutzmaßnahmen hin.

In der Schweiz sprach Bundeskanzler Olaf Scholz von einem »Jetzt erst recht« und kündigte an, die Klimaziele mit noch einmal mehr Entschlossenheit zu verfolgen. Fatih Birol, der Vorsitzende der Internationalen Energieagentur, bezeichnete die durch den russischen Angriffskrieg verursachte Energiekrise als möglichen »Wendepunkt für die Staaten, ihre Energiepolitik zu ändern«.

In Berlin bezeichnete Bundesumweltministerin Steffi Lemke (S+) das G7-Treffen als Erfolg, der eine deutliche Betonung auf die Themen Klimaschutz, Schutz der biologischen Vielfalt und Engagement gegen Plastikverschmutzung gesetzt habe. Und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (S+) stellte »entschiedenes politisches Handeln in den nächsten Jahren« in Aussicht. Denn: »Was wir tun, ist zu wenig.«
Damit trifft es Deutschlands Klimaminister ziemlich genau auf den Punkt.

Auf vage Versprechen müssen konkrete Konsequenzen folgen
Was die Staatengemeinschaft bisher tut, ist in der Tat zu wenig. Vieles von dem, was sie plant, ankündigt, verspricht und mantraartig wiederholt, ist zu begrüßen – aber eben nur, wenn es auch umgesetzt wird. Wenn auf vage Versprechen konkrete Konsequenzen folgen.

Die reichen Länder der G7, sagten sowohl Habeck als auch Lemke, trügen dabei eine besondere Verantwortung. Sie verbrauchten einen großen Teil der weltweiten Ressourcen und verfügten gleichzeitig über die Möglichkeiten, die Transformation maßgeblich voranzutreiben, mit Technologien, mit Geld, mit politischer Entschlossenheit. 

Wie sie ihre Vorreiterrolle ausfüllen wollen, fassten die G7-Staaten in einem Abschlusskommuniqué zusammen.

  • Darin ist zum Beispiel festgehalten, dass sich die wichtigsten Industrienationen erstmalig zum Ziel einer überwiegend dekarbonisierten Stromversorgung bis 2035 verpflichteten – aber was bedeutet »überwiegend«?
  • Die G7 verpflichten sich, die direkte internationale öffentliche Finanzierung fossiler Energieträger bis Ende 2022 zu beenden – bis auf Ausnahmen in limitierten Fällen.
  • Die Staaten bekräftigen ihre Verpflichtung, »ineffiziente« fossile Subventionen bis 2025 zu beenden – sollen Subventionen in »effiziente« fossile Energieträger also weiterhin gebilligt und getätigt werden?
  • Und erstmals haben sich die sieben größten Industriestaaten der Welt geschlossen auf ein Ende für klimaschädliche Kohlekraftwerke verständigt – nur ohne Enddatum.

»Alles noch ein bisschen schwammig«

Das Abschlusspapier sei schön und die Bestandsaufnahme sehr gut, sagte Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, im Anschluss an die Abschlusskonferenz am Freitag auf Phoenix. »Wenn dann nicht nur Papier bedruckt wird, sondern tatsächlich Handlungen ausgelöst werden, angestoßen werden, dann hat diese Konferenz Erfolg gehabt.« Bisher, sagte der Wissenschaftler weiter, sei »alles noch ein bisschen schwammig«.

Auch Claudia Kemfert, Professorin für Energiewirtschaft und Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, erklärte auf Twitter, die Pläne der G7 klängen gut – doch bislang handele es sich um »Lippenbekenntnisse, den Worten müssen schnell echte Taten folgen«.

Und genau das ist das Problem.

Im Januar hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Weltwirtschaftsforums einen Bericht zu den größten Gefahren für die Welt veröffentlicht, den »Global Risks Report 2022«. Als größte Gefahr in den kommenden zehn Jahren identifizierten die Expertinnen und Experten »Climate Action Failure«, ein Versagen der Klimapolitik.

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