Donnerstag, 26. Mai 2022

Klimawandel: Der Ozean als CO₂-Schlucker ?

Pest oder Cholera - und bei mir verdichtet sich wieder mal der Eindruck, dass wir die Pest mit Cholera auszutreiben versuchen.
Ja, der Klimawandel muss gestoppt werden.
Ja, an der CO2-Speicherung kommen wir nicht vorbei.
Nun werden Milliarden in Forschungsprojekte investiert um danach hunderte von Milliarden in  meist technische Projekte zu investieren.
Gut, da kann wieder der ein oder andere ordentlich verdienen, das nutzt (vordergründig) der Wirtschaft und treibt irgendwelche Kennzahlen in die Höhe. Irgendwie scheint dieses künstliche Wirtschaftszahlen-Konstrukt aber bei uns "normalen" Menschen schon längst nicht mehr mit unserer Lebenswirklichkeit zusammen zu hängen. 

Pragmatischer wäre zu fragen: Wer zahlt das mit welchem Geld, das dann wo fehlt??
Was könnte man mit diesem Geldsegen nicht alles anfangen im Sinne des Gemeinwohls, das uns allen nützt?
Und welche neuen Probleme tun sich erst durch die aufgezeigten Maßnahmen auf?
Wäre es nicht tausend mal klüger, gleich von Anfang an weniger zu verdienen, um weniger CO2 zu produzieren, das dann mit riesigem Aufwand wieder entfernt werden muss?
Sollte man nicht jede CO2-Produktion gleich auf den Prüfstand stellen, ob sie so dringend notwendig ist, dass gigantische Folgekosten für uns alle anfallen?  Dann wäre wahrscheinlich ziemlich schnell Schluß mit der "großen Freiheit" der CO-Freisetzung.....

CO2 Sparen wäre mein Favorit. Ja natürlich - das fängt beim Tempolimit an, das gerade in aller Mund ist. Welch eine Anmaßung, dass die Freiheit des Rasers von der Allgemeinheit  finanziell ausgebügelt werden muss. Das ist nur ein Beispiel von vielen - wie können wir als mündige Bürger zulassen, dass Klientel-Politik notwendige und kostenfreie Maßnahmen verhindert? Dass schädliche Subventionen weiter getragen werden?

Beim Kalksteinabbau kennen wir die Problematik aus unserer Region sehr genau- wollen wir noch mehr Abbauflächen haben als bisher?  siehe dazu hier

Seegraswiesen - das scheint der natürlichste Ansatz und wäre natürlich allein deshalb mein Favorit, höchstwahrscheinlich würde er auch der Biodiversität nutzen. Die bisherigen Wiesen sind der Schleppnetzfischerei, Baggerarbeiten oder dem Nährstoffeintrag durch die Landwirtschaft zum Opfer gefallen. Aha, da müsste also zunächst auch bei Landwirtschaft und Fischerei was passieren, damit dieser Ansatz von Dauer sein könnte.


Süddeutsche Zeitung hier  29. März 2022  Von Benjamin von Brackel

Nord- und Ostsee könnten für den Klimaschutz genutzt werden, etwa durch Ausbringen von Kalk oder Anpflanzung von Seegraswiesen. Aber wie groß ist der Nutzen solcher Eingriffe, und was sind die Risiken? In einem Großprojekt wollen Forscher es herausfinden.

Deutschland 2050: Viele Jahre, nachdem die letzten Braunkohle-Tagebaue dichtgemacht haben, erlebt der heimische Bergbau eine Renaissance. Sogar einige Maschinen zum Kohleabbau sind noch im Einsatz: Sie wurden umfunktioniert, um nun weißes statt schwarzes Sedimentgestein aus dem Boden zu fördern. Vor allem in Norddeutschland entstehen neue Steinbrüche, aber auch in den Alpen - überall, wo es Kalkstein gibt.

Ob es so kommt, ist unklar, aber für viele Forscher kommt Kalkstein eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht zu verhindern, dass die Erderwärmung eine kritische Schwelle überschreitet.
Dafür könnte der Kalk pulverisiert und in die Ostsee gestreut werden. Der Kalkstaub löst sich im Meerwasser und bindet dabei CO₂. Dieses wird gespeichert in Form von Hydrogencarbonaten, die auch im Mineralwasser enthalten sind. Das Meerwasser wird dadurch basischer, der Versauerung wird entgegenwirkt. Das Entscheidende ist aber: Der Ozean kann wieder mehr CO₂ aus der Atmosphäre aufnehmen. "Durch kleine Änderungen in der Meerwasserchemie kriegt man riesige Mengen CO₂ gespeichert", sagt der Meeresbiologe Ulf Riebesell vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Dahinter steckt keine Magie, sondern ein natürlicher Prozess, der im Laufe der Erdgeschichte schon öfter verhindert hat, dass Treibhausgaskonzentrationen dauerhaft aus dem Ruder laufen. Steigt der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre, etwa wenn Vulkane Unmengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre speien oder wenn der Mensch einen Großteil der fossilen Vorräte aus dem Erdboden plündert und verbrennt, beginnt die Natur mit einer Gegenregulierung. Wenn sich genügend Kohlendioxid im Meer aufgelöst hat und in tiefe Schichten gelangt, lösen sich Kalziumkarbonate in den Tiefseesedimenten, was wiederum dazu führt, dass der Ozean noch mehr CO₂ aufnimmt.

Ohne negative Emissionen sind die Klimaziele kaum zu schaffen

"Allerdings dauert es ein paar Tausend Jahre, bis das saure Wasser in die Tiefe gelangt, und Zehntausende von Jahren, bis sich die Sedimente auflösen", sagt Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemie am Geomar in Kiel. Oschlies will sich den Prozess nun zunutze machen - und ihn beschleunigen. Aus Tausenden von Jahren sollen Jahre werden. Schon Mitte des Jahrhunderts könnte sich seine Vision erfüllen und die Nord- und Ostsee mittels Kalkung große Mengen an CO₂ entschärfen. Für eine Tonne CO₂ wären rund fünf Tonnen Kalk nötig.

Ohne solche "negativen Emissionen" ist das Zwei-Grad-Ziel und erst recht das 1,5-Grad-Ziel praktisch nicht mehr zu schaffen, das zeigen Klimamodelle. Der dritte Teil des aktuellen Weltklimaberichts, der am kommenden Montag veröffentlicht wird, wird deshalb auch ausführlich auf das Thema der CO₂-Entnahme eingehen.

In Deutschland sollen nach dem Jahr 2045 netto keine Treibhausgase mehr ausgestoßen werden, so hat es die letzte Bundesregierung beschlossen. Das heißt: Es darf zwar noch eine Restmenge in die Luft gelangen, die sich etwa in der Landwirtschaft, in der Luftfahrt oder der Chemieindustrie nicht vermeiden lässt. Aber genau diese Menge muss der Atmosphäre auch wieder entzogen werden.

Dabei könnte der Ozean helfen. Seit August 2021 versuchen rund 200 Wissenschaftler aus 22 Forschungseinrichtungen im Rahmen der Forschungsmission CDRmare herauszufinden, wie sich Kohlendioxid biologisch, physikalisch und chemisch im und unter dem Meer speichern lässt. 26 Millionen Euro hat das Bundesforschungsministerium dafür ausgegeben. Bis zum Jahr 2029 soll ein Fahrplan stehen, welchen Beitrag die Ozeane leisten können, um Deutschland in den dann verbleibenden 16 Jahren klimaneutral zu bekommen. "Wir kriegen das nicht hin, indem wir ein paar Apfelbäume pflanzen", sagt Oschlies, Co-Sprecher von CDRmare.

Er leitet eines von fünf Projekten, das mit Kalk und anderen Gesteinen wie Silikaten experimentiert. Aber vorerst an Land, nicht im Meer: In Tanks wollen die Forschenden das Meeresökosystem im Kleinen nachbauen, mit Sedimentboden, Pflanzen, Würmern und Fischen. Diese Anlagen durchspülen sie dann mit Tiefenwasser und streuen die Gesteinsbrösel hinein. "Wir wissen noch nicht, ob das funktioniert", sagt Oschlies. "Es kann auch sein, dass der Kalk wieder ausfällt."

Wenn alles gut geht, ließen sich auf diese Weise einige Millionen Tonnen pro Jahr kompensieren - von den insgesamt 50 bis 70 Millionen Tonnen CO₂, die nach Schätzungen in Deutschland auch Mitte des Jahrhunderts noch emittiert werden. "An sich gibt es aber keine Grenze nach oben", sagt Oschlies.

Seegraswiesen können pro Fläche fast doppelt so viel CO₂ speichern wie Wälder

Im Rahmen von CDRmare sollen noch weitere Möglichkeiten geprüft werden, der Atmosphäre mithilfe des Ozeans CO₂ zu entziehen. Mit einer könnte man sogar sofort beginnen: Seegras rekultivieren. Pro Quadratkilometer speichern diese Ökosysteme am Meeresgrund beinahe doppelt so viel Kohlenstoff wie ein Wald an Land. In der Ostsee sind viele Seegraswiesen der Schleppnetzfischerei, Baggerarbeiten oder dem Nährstoffeintrag durch die Landwirtschaft zum Opfer gefallen. Die Wissenschaftler wollen nun prüfen, wo sich Seegraswiesen wieder anpflanzen lassen, welche Arten mit der Erwärmung der Meere mithalten und wie die Ökosysteme auf sie reagieren.

Deutlich gravierender wäre ein anderer Eingriff: CO₂ ließe sich an Land einsammeln und unter den Meeresboden der Nordsee pressen. Genauer: in porösen Sandstein, durch den das Treibhausgas zirkulieren kann, nach oben abgedichtet etwa durch eine undurchlässige Tonschicht. Norwegen hat auf diese Weise schon Millionen Tonnen verflüssigtes CO₂ begraben. "Das scheint dicht zu sein", sagt Oschlies. Wie dicht - das wollen die Wissenschaftler noch herausfinden.

Schließlich lässt sich Kohlendioxid in Basaltgestein am Meeresboden speichern. Dort könnte sich das Treibhausgas mineralisieren und damit versteinern. Südlich von Island planen die Wissenschaftler, in den Ozeanboden zu bohren und ein paar Kilo hineinzupumpen. "Dann wollen wir gucken, was passiert", so Oschlies. An Land wird die Methode auf Island bereits erfolgreich angewandt.

Einen Versuch, wie er so nie zuvor im offenen Meer unternommen worden ist, plant Ulf Riebesell. Er soll südlich der kanarischen Inseln im Juli starten. Herzstück ist eine Wellenpumpe: Von einer schwimmenden Plattform aus ragt eine Art übergroßer Feuerwehrschlauch 400 Meter in die Tiefe und saugt mit Hilfe der Wellenbewegungen nährstoffreiches Wasser in die oberen Meeresschichten. Das soll das Planktonwachstum nahe der Oberfläche des Ozeans ankurbeln, was über die ganze Nahrungskette nicht nur mehr Fischreichtum verspricht: Mehr pflanzliches Plankton kann auch mehr CO₂ aufnehmen und speichern. Wenn die einzelligen Pflanzen absterben und auf den Meeresgrund rieseln, lagern sie CO₂ am Meeresgrund ab. Wie viel dieser künstliche Auftrieb tatsächlich bringt, ist angesichts der fehlenden Erfahrung noch unklar, Modellrechnungen schwanken zwischen mehreren Gigatonnen pro Jahr und gar keinem Effekt. Auch die Risiken gilt es zu ergründen. Tausende Pumpen wären nötig, um große Mengen an CO₂ zu speichern. "Das wäre ein riesiger Eingriff in die ozeanischen Ökosysteme", sagt Riebesell.

Das gilt mehr oder weniger für alle fünf Optionen. Entsprechend ist offen, welche davon tatsächlich einmal zur Anwendung kommen. Nach drei Jahren wollen die Wissenschaftler ein Zwischenfazit ziehen. Oschlies geht davon aus, dass es nicht die eine große Lösung geben wird, sondern "ein Konglomerat aus vielen Methoden, die alle helfen, den CO₂-Restmüll aus der Atmosphäre zu entsorgen".

Manchmal bleibt auch beim Klimaschutz nur die Wahl zwischen Pest und Cholera

Die Frage ist, ob die Bundesregierung überhaupt mitspielt. Bislang sind Klimaschutz-Eingriffe in die Meeresumwelt streng reglementiert. Im sogenannten Hohe-See-Einbringungsgesetz sind nicht mal Feldexperimente erlaubt, weshalb die Wissenschaftler sich mit Experimenten in Tanks behelfen oder in die Meeresgebiete anderer Länder ausweichen. "Wir dürften nicht mal mit dem Salzstreuer Mineralien in die Ostsee einbringen", sagt Riebesell.

Der Grund für die strengen Vorgaben ist die Sorge um Umwelt und Gesundheit. Vor einigen Jahren düngten Forscher ein kleines Gebiet im Südpolarmeer mit Eisen, um das Plankton-Wachstum anzuregen. Dabei, so zeigte sich später, gedieh eine Algenart, die unter bestimmten Umständen toxisch sein kann. Seither wird vor den Folgen der Eisendüngung gewarnt. "Die negativen Aspekte kommen immer schnell auf den Tisch", kritisiert Andreas Oschlies. Weniger gefragt werde aber, was passiere, wenn man nichts unternehme und den Klimawandel weiter laufen lasse. "Dann haben wir vielleicht noch viel mehr toxische Algenblüten und Sauerstoffmangel in den Ozeanen."

Ähnliches gilt für den Versuch, im Atlantik Tiefenwasser nach oben zu befördern: "Will man wirklich aus ozeanischen Wüsten Hochproduktionszonen machen?", fragt Ulf Riebesell. Andererseits gebe es so etwas bereits in natürlichen Auftriebsgebieten. "Und indem wir die Meere erwärmen, breiten sich ozeanische Wüsten längst aus", sagt der Biologe. "Dem könnten wir mit künstlichem Auftrieb sogar entgegenwirken."

Dieser Abgleich zwischen Pest und Cholera sei zugegebenermaßen unheimlich schwierig, so Oschlies. Aber die Debatte darüber einfach nicht zu führen, helfe auch nicht weiter.

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