Montag, 30. Mai 2022

Der Tankrabatt ist ein teurer Fehler

Ein Kommentar in NTV   hier  von Jan Gänger 29.05.2022:
Gute Nachricht für Putin

Hohe Benzinpreise kontert die Ampel-Koalition mit einem Tankrabatt. Das einzig Gute an der Maßnahme ist, dass sie befristet ist. Der Kreml dürfte sich freuen.

Die Bundesregierung will die Bevölkerung angesichts der hohen Energiepreise entlasten und führt deshalb zum 1. Juni einen Tankrabatt ein. Das ist keine gute Idee. Denn dieser Rabatt ist teuer, ungerecht und setzt die völlig falschen Anreize.

Es ist selbstverständlich richtig, einkommensschwache Haushalte zu entlasten. Aber der Tankrabatt nützt auch vielen, die ihn überhaupt nicht brauchen. Je mehr man fährt, je größer das Auto, desto größer der Rabatt. Eine Umverteilung von unten nach oben nennt IFO-Chef Clemens Fuest die Maßnahme. Eine faire und effiziente Hilfe ist das nicht.

Die Ampel verkauft den Rabatt als Entlastung für Pendler. Doch sie subventioniert damit zum großen Teil das Benzin der Besserverdiener. Stattdessen wäre es sinnvoll, nur und vor allem möglichst vielen Geringverdienern mehr zu helfen als bisher – zielgerichtet und unabhängig davon, ob sie ein Auto haben oder nicht. 

Die Koalition geht davon aus, dass der Rabatt 3,5 Milliarden Euro kostet, und nennt das Verteilen von Steuergeld nach dem Gießkannenprinzip "unbürokratisch". Das ist ein hübscher Euphemismus, wenn man die Kohle mit vollen Händen zum Fenster rauswirft – in der Hoffnung, dass das schon irgendwie auch die Richtigen spürbar entlasten wird. 

Hinzu kommt, dass der Tankrabatt kontraproduktiv ist. Er sorgt dafür, dass nicht weniger gefahren und damit nicht weniger Benzin verbraucht wird. Dabei muss doch das Gegenteil erreicht werden: Öl einsparen, um erstens unabhängiger von Russland zu werden und zweitens dem Klima weniger zu schaden. 

Erfreulicherweise ist der Rabatt nur eine befristete Maßnahme. Aber sie lässt nichts Gutes ahnen, wie die Ampel weiter in Krisen auch in Zukunft reagieren wird. Sie wird Geld raushauen nach dem Motto "viel hilft viel". 

Preise haben eine wichtige Lenkungsfunktion. Es ist in der Regel ein Fehler, sie zu manipulieren. Wenn sich Deutschland unabhängiger von russischem Öl und Gas machen will, sollte es möglichst wenig davon nutzen. Ein hoher Energiepreis führt in diese Richtung, weil er zum Energiesparen animiert. Wenn der Staat die höheren Kosten ausgleicht, geht der Anreiz zum Sparen verloren. 

Das heißt nicht, dass diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind, nicht entlastet werden dürfen. Es ist aber in der Regel falsch, Preisen ihre Signalwirkung zu nehmen. Das hat sich etwa beim grandios gescheiterten Berliner Mietendeckel eindrucksvoll gezeigt. Der entlastete vor allem die Mieter von teuer sanierten Wohnungen in den begehrtesten Lagen. Und er machte es noch unattraktiver, in Berlin Wohnungen zu bauen und damit mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Es ist vor diesem Hintergrund einigermaßen bizarr, dass der Tankrabatt eine Idee der FDP ist. Sie bekennt sich ja sonst - aus guten Gründen - zu marktwirtschaftlichen Prinzipien.

Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte erneuerbare Energien nach dem russischen Angriff auf die Ukraine noch als "Freiheitsenergien" bezeichnet. Nun sorgt er mit Tank-Subventionen dafür, dass die Nachfrage nach Benzin weiter hoch bleibt, vielleicht sogar steigt. Für Russlands Präsidenten Wladimir Putin ist das eine gute Nachricht. Die Einnahmen füllen seine Kriegskasse, mit der er den Kampf gegen die Freiheit finanziert.

Es ist tatsächlich recht befremdlich, wie schnell die "Regeln des Marktes" unterlaufen werden, wenn es nur dem eigenen Klientel nützt. Wenn man sich fragt: Wer hat sich denn die Maßnahmen für das Entlastungspaket ausgedacht, dann wird man in diesem Artikel fündig

Handelsblatt hier In der Ampel bricht Streit über das Entlastungspaket aus
Die Koalition hat zwar die Maßnahmen wie Neun-Euro-Ticket und Tankrabatt schon beschlossen. Doch jetzt gibt es Ärger – mit eigenen Abgeordneten und den Ländern.

Berlin Tage- und zum Schluss auch nächtelang hatten Partei und Fraktionsspitzen sowie die zuständigen Minister der Ampelkoalition um das Entlastungspaket gerungen. Ende März stand dann die Einigung.

Es war offensichtlich, dass SPD, Grüne und FDP allesamt ihr eigenes Päckchen eingebracht und daraus gemeinsam ein großes Paket geschnürt haben.
Die SPD bekommt Zuschüsse für Sozialhilfeempfänger,
die Grünen Neun-Euro-Bahnticket und Energiepauschale,
die FDP den Tankrabatt.


Weitere Ideen wie es weiter geht:

Zeit  hier  am 28. Mai 2022
Heil will Menschen mit geringen und mittleren Einkommen entlasten

Wer unter 4.000 Euro brutto verdient, soll ein jährliches Klimageld erhalten. So will der Bundesarbeitsminister steigende Energie- und Lebensmittelpreise ausgleichen.

Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) plant die Einführung eines sozialen Klimageldes für Menschen mit einem monatlichen Bruttoeinkommen unter 4.000 Euro, um geringe und mittlere Einkommen angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise zu entlasten. Außerdem sollen die Regelsätze für Empfänger des neuen Bürgergeldes um 40 bis 50 Euro im Monat steigen, wie Heil den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte. Beide Vorhaben sollen zum 1. Januar 2023 umgesetzt werden.

"Wir müssen eine Antwort geben, über das jetzige Entlastungspaket hinaus", sagte Heil. Mit der Einführung eines solchen Klimageldes wolle er dafür sorgen, dass ein sozialer Ausgleich stattfindet. Es soll demnach einmal im Jahr ausgezahlt werden und "Menschen zugutekommen, die als Alleinstehende weniger als 4.000 Euro brutto und als Verheiratete zusammen weniger als 8.000 Euro brutto im Monat verdienen".

Gutverdiener bekommen kein Klimageld
Über die genaue Staffelung sei in der Koalition noch zu sprechen. Wer es am nötigsten brauche, werde am meisten bekommen, sagte der Minister. "Diejenigen, die viel verdienen, bekommen nichts." Für Gutverdienende seien hohe Preise "auch eine ärgerliche Sache, aber sie können damit umgehen".

Zum 1. Januar solle außerdem das neue Bürgergeld eingeführt werden, "mit dem wir das Hartz-IV-System überwinden und dem Sozialstaat ein neues Gesicht geben", kündigte Heil an. Die bisherige Berechnung des Regelsatzes halte der Preisentwicklung nicht mehr stand. "Mein Vorschlag ist, dass wir etwa bei Familienhaushalten die unteren 30 statt der unteren 20 Prozent der Einkommen als Grundlage nehmen. Damit können wir erreichen, dass die Regelsätze im Bürgergeld pro Person und Monat in etwa um 40 bis 50 Euro höher sein werden als in der Grundsicherung." Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie und Lebensmittel lehnte Heil hingegen ab.

Der Minister rechnet mit Kosten im zweistelligen Milliardenbereich. Das Klimageld finanziere sich aus den Einnahmen der CO₂-Bepreisung, das Bürgergeld werde aus Steuern finanziert, sagte Heil.

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