BR 24 hier Von Lorenz Storch
Seit dem Ukraine-Krieg und der Weizen-Krise heißt es: kein Getreide mehr in den Tank. So hatte etwa Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ein Ende der Nutzung von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen für die Produktion von Biokraftstoffen gefordert. Die Grünen-Minister Steffi Lemke (Umwelt) und Cem Özdemir (Landwirtschaft) wollen den Anteil an Biokraftstoffen absenken.
Biosprit gibt es an jeder Tankstelle
Diskutiert wird vor allem über Biosprit, der aus Nahrungs- oder Futtermitteln hergestellt wird. Aus Reststoffen hergestellte Varianten gelten als weitgehend unkritisch. Bisher sind Biokraftstoffe fester Bestandteil der Strategie, CO2 einzusparen und die deutschen Klimaziele zu erreichen. Beinahe in jedem Treibstoff an der Tankstelle sind derzeit pflanzliche Anteile als Beimischung enthalten: bei Diesel meist sieben Prozent Pflanzenöl und bei Benzin zwischen fünf und zehn Prozent Bioethanol. Dieses wird meist aus Getreide oder Rüben gewonnen. Das soll die CO2-Bilanz des Verkehrs entlasten.
Studie: Energiepflanzen sind keine gute Idee
Ob das auf diese Weise gelingt, ist umstritten. Die Zweifel daran stärkt eine Studie zur Klimawirkung von Biokraftstoffen, verfasst vom ifeu-Institut für Energie- und Umweltforschung im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Nach Darstellung des Autors Horst Fehrenbach ist die Produktion von Biokraftstoffen sinnlos. Dem Bayerischen Rundfunk sagte er: "Mich hat es selbst auch überrascht, dass das Ergebnis so eindeutig ist. Von daher ist es einfach keine gute Idee, Pflanzen wachsen zu lassen für die Energienutzung."
Solarzellen brauchen viel weniger Fläche
Nach der ifeu-Studie nutzen Biokraftstoffe die landwirtschaftliche Fläche schlecht. Ein Elektroauto braucht 97 Prozent weniger Fläche für Photovoltaik als ein Verbrennerfahrzeug für die Produktion von Pflanzen-Kraftstoff auf dem Acker. "Extrem ineffizient", urteilt der Wissenschaftler deshalb über den Anbau von Energiepflanzen. Der würde nur Sinn ergeben, wenn Land keine knappe Ressource wäre.
Der Einstieg in die Produktion von Biokraftstoffen vor zwanzig Jahren fiel tatsächlich in eine Zeit, als über Flächenstilllegungen wegen Überproduktion von Nahrungsmitteln diskutiert wurde. Das hat sich jedoch seither gründlich geändert.
Fast ein Fünftel der Ackerfläche für den Tank
Ein Hektar Wald bringt mehr fürs Klima als ein Hektar Pflanzenanbau für Treibstoff, rechnen die ifeu-Wissenschaftler vor. Der Biosprit, der in der Bundesrepublik derzeit getankt wird, würde laut Umweltbundesamt fast ein Fünftel der gesamten Ackerfläche Deutschlands beanspruchen. Allerdings kommen tatsächlich über 80 Prozent des Bedarfs aus dem Ausland – und belegen damit Agrarflächen dort.
CSU und Bauernverband halten an Biosprit fest
Weiter an Biokraftstoffen festhalten will unter anderem die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). Sie wirft der grünen Bundesumweltministerin Lemke vor, mit dem geplanten Ausstieg aus Biosprit "Symbolpolitik" zu betreiben. Ähnlich sieht das der Deutsche Bauernverband. Dessen Generalsekretär Bernhard Krüsken kritisiert: "Viele Argumente für eine Fortführung von Biokraftstoffen werden derzeit bewusst ausgeblendet."
Raps ist auch eiweißreiches Tierfutter
Zum einen: die Doppelverwendung als Tierfutter. In Deutschland ist die wichtigste Feldfrucht für Biokraftstoffe der Raps. Wenn aus Raps das Öl herausgepresst ist, bleibt der sogenannte Rapsschrot übrig, der als hochwertiges Eiweißfutter an Kühe und Schweine verfüttert werden kann. Dabei ersetzt er Importe von Soja aus dem Ausland.
Der Markt steuert die Verwendung des Öls
Das deutsche Rapsöl ging vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs überwiegend (ca. 60 Prozent) in die Biokraftstoffproduktion. Als Speiseöl ist es unter normalen Umständen weniger gefragt, weil der Preis höher liegt als bei Sonnenblumenöl. Das hat sich in der derzeitigen Krisensituation jedoch geändert: Nach Angaben des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie ist die Nachfrage nach Pflanzenöl für den menschlichen Verzehr derzeit so hoch, dass das Rapsöl überwiegend in die Nahrungsmittelproduktion umgeleitet wird. Hier werde die "Tank oder Teller"-Frage also bereits über den Markt geregelt.
Raps passt gut in die bayerische Landwirtschaft
Generell ist der Rapsanbau in Bayern nach Angaben der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in den vergangenen Jahren eher zurückgegangen – vor allem wegen Schwierigkeiten durch Dürre und Schädlinge.(Anmerkung: was lässt hoffen, dass diese Probleme in Zukunft in Bayern ausgeräumt werden können?)
Aktuell wird auf etwa fünf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Bayern Raps angebaut. Aus Sicht von Landwirtschaftsexperten wäre sogar ein höherer Anteil sinnvoll, weil Raps gerade in Getreidegebieten gut in die Fruchtfolge passt. Dorothea Hofmann von der LfL nennt Raps eine der "besten Vorfrüchte", weil er den Boden mit seinen Wurzeln lockert und die Infektionskette zahlreicher Pilzkrankheiten unterbricht. Die Blüten bieten außerdem Nahrung für Insekten.
Wenn Deutschland die Beimischung von Pflanzenöl in Kraftstoffen senken würde, würde das für sich genommen bei der Rapsnachfrage jedoch nicht viel ändern, glaubt der LfL-Agrarökonom Jörg Reisenweber: "Der Preis wird auf dem freien Weltmarkt gemacht, nicht in Deutschland."
Steht der Gewinn für das Klima nur auf dem Papier?
Bleibt die Frage, wie die ehrliche Bilanz der Biokraftstoffe in Sachen Klimaschutz aussieht. CSU-Ministerin Kaniber und der Bauernverband verweisen auf eine Berechnung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, nach der im Jahr 2020 über 13 Millionen Tonnen Kohlendioxid durch Biokraftstoffe vermieden wurden. Die ifeu-Studie im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe sieht diesen Gewinn für das Klima als nicht real an. Sie stellt dem entgegen, was an CO2 gebunden werden kann, wenn auf der gleichen Fläche ein Wald wächst. Und dadurch verschwinden laut DUH die rechnerischen Gewinne für das Klima.
Die Rohstoffe sind zertifiziert
Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie will diese Gegenrechnung nicht akzeptieren. Die Rohstoffe für den Biokraftstoff seien auf Nachhaltigkeit zertifiziert, so Geschäftsführer Elmar Baumann zum BR: "Für den Anbau darf kein Wald gerodet, kein Torfmoor und kein Grünland umgebrochen werden. Insofern haben wir immer eine sichere Treibhausgasminderung."
Dem Regenwald kann es trotzdem schaden
Aus Sicht des Umweltbundesamts (UBA) ist die Sache jedoch nicht ganz so einfach. Zwar ist für die Biosprit-Rohstoffe in der Tat eine Zertifizierung vorgeschrieben. Doch die Kriterien dafür seien zu schwach, so Richard Herbener vom UBA. Vor allem aber bleibt das Problem der so genannten "indirekten Landnutzungsänderung". Das bedeutet: Zwar mag für das Feld, auf dem Biosprit produziert wird, zertifiziert sein, dass dort in den Jahren zuvor kein Wald gerodet wurde. Aber das verhindert nicht, dass die ursprünglich dort angebaute Frucht auf einen neuen Acker verdrängt wird und somit die Gesamtanbaufläche wächst – auch in den Regenwald hinein.
Palmöl im Sprit ist bald verboten
Die Agrarmärkte und damit auch die Anbauflächen hängen global zusammen, so Richard Herbener vom UBA: "Man kann mit der Zertifizierung das Problem der indirekten Landnutzungsänderung wahrscheinlich nicht in den Griff bekommen. Man muss es anders regeln." Da könne zum Beispiel das Verbot von Palmöl in Biosprit helfen, das nächstes Jahr in Kraft tritt.
Biosprit aus Reststoffen schneidet besser ab
Unterm Strich bewertet das Umweltbundesamt die Nutzung von Pflanzen für die Produktion von Kraftstoffen kritisch, wenn sie aus Nahrungs- oder Futtermitteln hergestellt werden. Das betrifft rund zwei Drittel der bisherigen Beimischung von Biokraftstoffen an der Tankstelle. Besser sehe es mit Biosprit aus, der aus Reststoffen wie Gülle, Stroh oder Schlachtabfällen gewonnen wird. Das Potenzial dafür ist jedoch begrenzt.
Elektrischer Antrieb als Lösung der Wahl
Die eigentliche Lösung, um den Verkehr klimafreundlich zu machen, sieht das Umweltbundesamt in dessen Elektrifizierung. Und den Einsatz von Biokraftstoffen künftig nur noch da, wo reiner Elektroantrieb nicht möglich ist – in Flugzeugen, Schiffen und einem Teil des Schwerlastverkehrs. Dem widerspricht prinzipiell noch nicht einmal der Branchenverband Biokraftstoffe, weist allerdings darauf hin, dass auch bei einer Umstellung auf Elektrofahrzeuge noch längere Zeit Verbrennungsmotoren im Einsatz sein werden.
Der Treibstoff aus Biomasse wäre demnach so etwas wie eine Zwischenlösung für den Übergang in die elektrische Zukunft. Fragt sich nur, wie lange dieser Übergang dauern wird.
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