Montag, 3. November 2025

China streicht E-Autos von der Liste der Schlüsselindustrien und setzt Ziele beim Wasserstoff

Und gleich nochmal ein Hieb in dieselbe Kerbe, die Herr Dies und die Wirtschafts-Nobelpreisträger 2025 bereits geschlagen haben. Für mich bestätigt dieser Artikel exakt die Grundaussage von Hr. Dies bezüglich China: Dort wird der große Fehler, der Deutschland geradewegs ins Industriemuseum führen wird, nicht wiederholt.

Frankfurter Allgemeine hier 03.11.2025, Von: Markus Hofstetter

Regierung zieht den Stecker

In seinem neuen Fünfjahresplan zählt Peking E-Autos nicht mehr zu den strategischen Industrien. Damit könnten auch staatliche Subventionen wegfallen.

Der chinesische Automarkt ist weltweit führend in der Elektromobilität. Dies wurde unter anderem durch großzügige staatliche Subventionen für Hersteller und Autokäufer ermöglicht, mit denen Peking den Wandel zu Elektro- und Hybridfahrzeugen beschleunigt hat.

China streicht E-Autos von Liste der Schlüsselindustrien: Ist das das Ende der goldenen Zeiten?

Es gibt unterschiedliche Angaben dazu, um welche Summen es dabei geht. Laut dem Handelsblatt erhielten über ein Dutzend chinesische Autobauer zwischen 2021 und 2023 rund 5,7 Milliarden Euro an direkten Fördergeldern. Laut dem IfW Kiel beliefen sich die Kaufprämien für neue Energiefahrzeuge (NEV), zu denen Batterie-Elektrofahrzeuge (BEV), Plug-in-Hybridfahrzeuge (PHEV) und Brennstoffzellenfahrzeuge gehören, bis 2022 auf etwa 5,3 Milliarden Euro. Nach Angaben des chinesischen Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) wiederum wurden zwischen 2016 und 2020 insgesamt nur rund 197 Millionen Euro an Subventionen ausgezahlt.

Diese goldenen Zeiten könnten sich jedoch dem Ende nähern. Denn NEVs werden im nächsten Fünfjahresplan, der den Zeitraum von 2026 bis 2030 abdeckt, nicht mehr als strategisch wichtige Branche genannt. In den drei vorangegangenen Fünfjahresplänen war dies aber der Fall, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Das Ziel war es demnach, die industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

China streicht E-Autos von Liste der Schlüsselindustrien: Peking betrachtet die Branche als ausgereift

In dem von der offiziellen Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichten Vorschlag zum Fünfjahresplan werden allgemein Automobile neben dem Wohnungsbau erwähnt. In diesem Zusammenhang fordert die Regierung die Aufhebung von Kaufbeschränkungen, um den Konsum anzukurbeln. Als neue Träger des Wirtschaftswachstums werden Quantentechnologie, Bioproduktion, Wasserstoff- und Kernfusionsenergie, Gehirn-Computer-Schnittstellen, verkörperte künstliche Intelligenz (KI) und 6G-Mobilfunk genannt.

Analysten, die von Reuters befragt wurden, deuten diesen Schritt als Beweis dafür, dass Peking die Branche als ausgereift betrachtet und deren weitere Entwicklung den Marktkräften überlassen möchte. „Das ist ein offizielles Eingeständnis, dass Elektrofahrzeuge keine prioritären Förderprogramme mehr benötigen. Die Subventionen für Elektrofahrzeuge werden zurückgehen”, zitiert Reuters Dan Wang, China-Direktor der Beratungsfirma Eurasia Group. China dominiere bereits den Bereich der Elektromobilitätstechnologie und Batterien. Daher mache es keinen Sinn, dieser Priorität einzuräumen.

„Aus Sicht des Landes ist es nicht mehr notwendig, (den NEVs) zu viel Aufmerksamkeit zu schenken“, sekundiert Tu Xinquan, Dekan und Professor am China Institute for WTO Studies der University of International Business and Economics. Dies könnte nämlich zu größeren Überkapazitäten führen.

Bereits jetzt leidet die Branche unter Überkapazitäten. Das trifft nicht nur die großen Hersteller wie BYD, die ihr Heil im Ausland suchen. Die Subventionen haben auch eine Vielzahl kleiner Hersteller auf den Plan gerufen, die ohne die staatlichen Zuweisungen kaum überlebensfähig sind. Laut den Daten von Jato Dynamics weisen 93 der 169 in China tätigen Autobauer einen Marktanteil von weniger als 0,1 Prozent auf, darunter viele NEV-Start-ups. Einige von ihnen mussten bereits Insolvenz anmelden, darunter WM Motor.

Große Bedeutung der Branche bleibt bestehen

Die Auslassung aus dem Fünfjahresplan sollte allerdings nicht als Zeichen gewertet werden, dass das Elektroauto an Bedeutung verloren habe. Vielmehr spiegele sie eine strategische Entscheidung wider, Ressourcen auf andere Technologien zu konzentrieren, in denen China seine Kompetenzen ausbauen wolle – insbesondere angesichts globaler Handels- und Sicherheitsspannungen, so Reuters.



Ingo Benecke Dr   LinkedIn

Vom 20. bis 23. Oktober 2025 tagte in Peking das 4. Plenum des 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas. 

Dort wurde über die Leitlinien des nächsten Fünfjahresplans entschieden – und Wasserstoff erstmals offiziell als „Zukunftsindustrie“ benannt. Das ist kein beiläufiges Signal, sondern der Beginn einer industriepolitischen Bewegung. 

In China folgt auf solche Beschlüsse ein präziser Mechanismus: nationale Förderprogramme, Provinzinitiativen, verbindliche Entwicklungsziele – und vor allem Quoten, die Nachfrage und Produktion politisch verknüpfen. So entsteht aus Strategie Schritt für Schritt ein Markt.

Die Erfahrung zeigt, wie wirkungsvoll das sein kann. Bei der Photovoltaik begann alles 2006 mit einem ähnlichen Beschluss. Wenige Jahre später trieben Programme wie „Golden Sun“ und feste Einspeisetarife eine Massenproduktion an. Innerhalb eines Jahrzehnts kam mehr als 70 Prozent der weltweiten Modulproduktion aus China. 

Bei Batterien wiederholte sich das Muster: 2010 als strategische Industrie definiert, 2015 im Rahmen von „Made in China 2025“ mit Quoten für Elektrofahrzeuge und lokalen Wertschöpfungsauflagen konkretisiert. Heute stammen über zwei Drittel aller Lithium-Ionen-Zellen aus chinesischen Fabriken.

Ich sehe in der Entscheidung vom Oktober 2025 denselben industriellen Takt. Wasserstoff steht dort am Anfang eines neuen Zyklus – diesmal mit politisch verordneter Nachfrage. Erste Provinzen führen Quoten für grünen Wasserstoff in Chemie- und Raffineriebetrieben ein, während Staatsunternehmen verpflichtet werden, Pilotmengen abzunehmen. China baut also nicht nur Produktionskapazitäten auf, sondern koppelt Angebot und Nachfrage politisch zusammen. Das war schon der entscheidende Hebel, um den Durchbruch bei E-Mobilität und Solar zu erzwingen.

Für Europa ist das mehr als eine Beobachtung am Rand. Wir wissen, wie dieses Modell funktioniert – und wir wissen auch, was passiert, wenn wir zu spät reagieren. Noch besteht ein Zeitfenster. Der Wasserstoffmarkt ist jung, Technologien und Geschäftsmodelle sind offen, Standards noch nicht festgelegt. Wer jetzt investiert, Fertigung aufbaut und Nachfrage anreizt, kann eigene industrielle Stärke entwickeln. Wer wartet, importiert in zehn Jahren wieder Technologie und Komponenten.

Aus meiner Erfahrung ist der Unterschied nicht nur ökonomisch, sondern kulturell. China denkt in Dekaden, Europa und Deutschland oft in Legislaturperioden. Dabei ist der Mechanismus bekannt: klare Zielvorgaben, politische Konsistenz, realistische Anreize entlang der Wertschöpfungskette. 

Wenn Europa diese Logik endlich ernst nimmt, kann es bei Wasserstoff noch auf Augenhöhe starten. Wenn nicht, reden wir bald wieder über Abhängigkeiten – nur diesmal beim Brennstoff der Zukunft.

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