Samstag, 15. November 2025

Herr Bleischwitz, denken Sie , dass wir auch ohne die USA die Kurve beim Klimawandel noch bekommen können?

Unbedingt lesenswert!

Auf wen  der Kalifornische Umweltminister wohl mit "Teile Deutschlands sind auf demselben Weg" zeigt? Wo doch Trump immer behauptet, Deutschland mache alles falsch - aber was weiß schon Trump, Kalifornien macht`s besser - Spannend!

Und spannend ist auch das Interview von  Raimund Bleischwitz zum Thema "Klimaschutz ohne USA", das in dieselbe Kerbe schlägt. Spannend berichtet er über die Entwicklung des Klimaschutzes.
Er sagt: "Heute brauchen wir neue Allianzen, neue Mehrheiten – nicht nur auf politischer Ebene, sondern getragen von der Zivilgesellschaft und großen Teilen der Wirtschaft".

Und das in einer Zeit, in der tragende politische Kräfte in Deutschland offen versuchen, den Klimaschutz zu entkräften und die  Zivilgesellschaft zu zerstören, während sie fossilen Wirtschafts-Modellen huldigen.
Ihre Pläne gehen anscheinend in eine andere Richtung - mit welchem Ziel, persönlich oder staatlich?

NTV hier  12.11.2025  Clara Pfeffer

Gouverneur Newsom in Belém: Der Anti-Trump ist der heimliche Star der Klimakonferenz

Gavin Newsom bietet Donald Trump die Stirn und könnte für die Demokraten ins nächste Rennen um das Weiße Haus ziehen. Bei der Klimakonferenz füllt Kaliforniens Gouverneur die Lücke, die der US-Präsident ihm öffnet - und macht den Anwesenden Hoffnung auf ein anderes Amerika.

Sie sind alle nach Belém gekommen: die Chinesen, die Saudis, Prince William, Bundeskanzler Merz und der Rest der Welt. Nur die größte Volkswirtschaft und der zweitgrößte CO2-Emittent der Welt fehlt in Brasilien: die USA. Donald Trump ist bekennender Klimawandel-Leugner. Aus der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCC) auszutreten, war eine seiner ersten Amtshandlungen. Das sei "dumm" gewesen, sagt Gavin Newsom auf der Klimakonferenz. Der Gouverneur des US-Bundesstaats Kalifornien nutzt die COP30 für seine Dauerinszenierung als Gegenspieler des US-Präsidenten.

Das kommt gut an, steht Newsom doch für ein anderes Amerika als jenes, dessen Präsident sich über Klimaschutz lustig macht, Windräder für "Betrug" hält und die US-Naturschutzgebiete für noch mehr Öl- und Gasbohrungen preisgibt. Entsprechend voll ist es, als Newsom im deutschen Pavillon eine Anti-Trump-Rede hält. Er erntet viel Applaus. So gut wie zur Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens zwischen Baden-Württemberg und Kalifornien wird der Pavillon selten besucht. Die Bundesregierung präsentiert dort traditionell ihre Klimaschutzanstrengungen und lädt zum Dialog.

Der Besucherandrang liegt natürlich an ihm: Gavin Newsom wird auf der Klimakonferenz empfangen wie ein Superstar. Überall begleitet ihn eine riesige Traube an Journalisten, Aktivisten und Fans aus aller Welt. Sie alle erhoffen sich von ihm einen Hoffnungsschimmer. Geht Klimaschutz doch noch mit den USA?

"Wind und Sonne gehen uns nie aus"
Immerhin stellt Kalifornien auch ohne den Rest der USA die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Und der Demokrat Newsom ist einer der wenigen Gouverneure, die dem republikanischen US-Präsidenten regelmäßig die Stirn bieten. Auch in Belém nutzt er jede Bühne, um gegen Trump auszuteilen.

"China ist auf dem Weg, die nächste große globale Industrie zu dominieren. Die Vereinigten Staaten könnten sich entscheiden, dumm zu bleiben - aber Kalifornien tut's nicht."
Newsom zeigt, dass Klimapolitik und wirtschaftlicher Erfolg Hand in Hand gehen können und setzt auf Kooperation: "Wir treten mit offener Hand, nicht mit geballter Faust auf."

Im exklusiven Gespräch mit ntv unterstreicht Kaliforniens Umweltminister Wade Crowfoot den langfristigen Kurs des Bundesstaates: "Seit Ronald Reagan Gouverneur war, haben wir auf Klimaschutz gesetzt. Wir haben Umweltverschmutzung reduziert und gleichzeitig unsere Wirtschaft zur viertgrößten der Welt ausgebaut. Das ist machbar. Teile Deutschlands sind auf demselben Weg. Wir sind hier, um zu zeigen: Wir brauchen saubere, sichere Energie."

Dass Klimaschutz kein Kostenrisiko bleiben muss, sondern Versorgungssicherheit bringt, habe Kalifornien selbst erlebt: "Es war nicht immer günstig, aber durch gezielte Förderung - etwa von Solar - wurden neue Technologien erschwinglich. Wind und Sonne gehen uns nie aus, und wir machen uns unabhängig von globalen politischen Krisen."

"Revolution der Erneuerbaren findet statt"
Kalifornien ist Teil eines progressiven Staatenbündnisses, das Trumps Blockadehaltung beim Klima trotzt: "Wir repräsentieren mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung und Wirtschaft. Auch ohne Bundesregierung: Wir bleiben zuverlässige Partner der Welt in der Transformation", sagt Crowfoot. 

Deutschland wünscht sich Crowfoot mutiger: "Unser Gouverneur sagt klar, dass man den Mächtigen die Wahrheit sagen muss. Diese Klimakrise bedroht Kalifornien und ist der Schlüssel zu unserer wirtschaftlichen Zukunft. Wir werden weiterhin offen sprechen - und hoffen, dass weltweit immer mehr Regierungschefs mitziehen."

Die Zusammenarbeit mit deutschen Bundesländern wie Baden-Württemberg sieht Crowfoot als Modell: "Das ist ein großartiger Partner - gemeinsam kommen wir schneller und weiter." Doch wie gefährlich ist die Blockade aus dem Weißen Haus? Crowfoot ist kämpferisch: "Es ist eine Herausforderung, aber es wird unseren Fortschritt nicht stoppen. Die Revolution der Erneuerbaren findet längst statt. Sie liefert günstige Energie - darauf müssen wir weiter setzen."

Newsom selbst mahnt: Die USA riskieren, wirtschaftlich abgehängt zu werden, wenn sie sich aus den globalen Klimaverhandlungen heraushalten. Schon jetzt profitierten Staaten wie China von der US-Zurückhaltung, während Kalifornien - an der Spitze beim Ausbau erneuerbarer Energien und Heimat vieler KI-Unternehmen - zeige, dass Klimaschutz ökonomische Chancen bietet. 

Klimapolitik, sagt Newsom, ist längst kein parteipolitisches Thema mehr, sondern ein globales Wettrennen um die Zukunft. Kalifornien will vorne mitlaufen, Trump hin oder her. Und wer weiß schon, wer die USA nach ihm regiert?


NTV hier Video

Kalifornien gegen US-Regierung: Trump "wird unseren Fortschritt nicht aufhalten"



Perspective daily hier  15. November 2025 Frauke Berger

Interview 
Klimaschutz ohne USA? Diese Allianzen zeigen, wie es geht
Die Welt hat die Nase voll von Blockierer-Ländern. Das Gute ist: Es geht auch ohne sie – und zwar so.

Egal ob das Glas Wasser auf deinem Tisch, das Smartphone in deiner Hand oder der Apfel in deinem Obstkorb – nichts davon ist selbstverständlich. In unserem Alltag vergessen wir leicht, dass wir in einer Welt mit begrenzten Ressourcen leben. Fruchtbare Böden, sauberes Trinkwasser, seltene Erden für Batterien und Geräte – all das ist endlich. Trotzdem basiert unser Wirtschaftssystem weiterhin auf unendlichem Wachstum, Konsum und der Ausbeutung natürlicher Lebensgrundlagen.

7 der 9 planetaren Grenzen sind bereits überschritten, unter anderem in den Bereichen Klimawandel, Landnutzung oder beim Stickstoffkreislauf. Gleichzeitig verliert die internationale Staatengemeinschaft in Sachen Klimaschutz zunehmend an Entschlossenheit:
Deutschland setzt verstärkt auf Gas, die EU weicht ihr geplantes Klimaziel für 2040 auf. Und am 1. Januar 2026 werden die USA als zweitgrößter CO2-Emittent erneut aus dem Pariser Klimaabkommen austreten.

Parallel dazu nutzt China, der weltweit größte CO2-Verursacher, das entstehende Machtvakuum, um sich geopolitisch zu positionieren. Peking investiert massiv in grüne Energien, besitzt viele Schlüsselrohstoffe für die Energiewende und dominiert damit Wertschöpfungsketten. Das ist ein Machtvorteil, der andere Länder – auch Europa – in neue Abhängigkeiten bringen kann.

Welche neuen Allianzen braucht es also – ökologisch, geopolitisch und wirtschaftlich –, um der Klima- und Ressourcenkrise wirksam zu begegnen? Und was können wir aus den Fehlern (und Errungenschaften!) der internationalen Klimapolitik der letzten Jahrzehnte lernen, um diese Frage zu beantworten?

Darüber spreche ich mit Raimund Bleischwitz. 
Er ist Experte für globales Ressourcenmanagement und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung.

Raimund Bleischwitz arbeitete in den 1980er-Jahren im Deutschen Bundestag als politischer Berater der SPD, später als Forscher am Institut für Europäische Umweltpolitik in Bonn und London. – Quelle: Jan Meier, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) 

Désiree Schneider: Sie haben schon 1991 – also noch vor dem ersten UN-Klimagipfel – gemeinsam mit anderen Forschenden eine Zwischenbilanz zur internationalen Klimapolitik gezogen und sich für eine Klimakonvention ausgesprochen. Nur ein Jahr später geschah genau das: Die Mehrheit der Staatengemeinschaft einigte sich auf die UN-Klimarahmenkonvention. Wie war damals die Stimmung in der Klimapolitik?

Raimund Bleischwitz:
Das waren Aufbruchsjahre für die internationale Klimapolitik.

Die deutsche Einheit, das Ende der Sowjetunion, die damit einhergehende neue Ordnung in Europa und darüber hinaus haben in vielen Ländern für eine euphorische Stimmung gesorgt. Ich war damals noch jung, unter 30, und habe zusammen mit Ernst Ulrich von Weizsäcker einen Bericht mit einem vollständigen Entwurf für eine Klimakonvention geschrieben. 

Zu meiner Überraschung wurde der Entwurf in den Bundestag eingebracht und einstimmig angenommen. Er hat also die Meinungsbildung bei den Fraktionen beeinflusst und die Verhandlungsposition der damaligen Bundesregierung [in den Verhandlungen zur UN-Klimarahmenkonvention] mitgeprägt. 

Allein das zeigt, wie die Politik damals gestimmt war: Sie wollte Klimaschutz und hat sich dafür eingesetzt, weil sie wusste, wie wichtig er ist.

Das ging damals für internationale Verhältnisse im Vergleich zu heute erstaunlich schnell. Schon 1992 einigten sich über 150 Staaten auf die Klimarahmenkonvention, die bis heute das Fundament aller Klimakonferenzen ist. Und nur 3 Jahre später, 1995, fand mit der COP1 bereits die erste UN-Klimakonferenz statt.

Raimund Bleischwitz: Die erste Vertragsstaatenkonferenz (COP1) wurde sogar einberufen, noch bevor alle Staaten das Abkommen vollständig ratifiziert hatten. Gastgeberin war damals Deutschland, die Konferenz fand in Berlin statt – unter der Leitung unserer damaligen Umweltministerin Angela Merkel.

Auch die CDU setzte sich damals aktiv für ambitionierten Klimaschutz ein.
SPD und CDU arbeiteten in diesem Bereich eng zusammen. Interessant war auch, dass der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) – sicher kein typischer Umwelt- oder Klimaschützer – nach Brasilien reiste und dort das Ausmaß der Regenwaldzerstörung mit eigenen Augen sah. Er kam tief schockiert zurück und setzte sich danach energisch für den Schutz der Tropenwälder ein. 


Die Grünen spielten ebenfalls eine Rolle,
obwohl manche von ihnen anfangs etwas zögerlich waren.
Einige vermuteten hinter dem Klimainteresse
ein Manöver der Kernenergielobby,
um diese als grüne Energiequelle nach dem Tschernobyl-Unfall 1986 wieder salonfähig zu machen


Momentan findet die COP30 in Brasilien statt. Wie sieht Ihre Bilanz nach nun 30 Jahren Klimakonferenzen aus?

Raimund Bleischwitz: Kritisch. Die Konferenzen sind wichtig, doch wir haben es bisher nicht geschafft, den Emissionsanstieg zu verhindern. Die Emissionen nehmen in vielen Ländern zwar immer weiter ab, so auch in der Europäischen Union. Die Mitgliedstaaten haben ihren Ausstoß insgesamt seit 1990 um 1/3 reduziert. Das ist gut. Doch global gesehen steigen die Treibhausgase. Wir sind wirklich knapp davor, die kritische Zielmarge von 1,5 Grad Erwärmung zu reißen.

Was ist Ihrer Meinung nach schiefgegangen?

Raimund Bleischwitz: Für mich kam der erste Rückschlag noch vor dem Pariser Klimaabkommen, nämlich nach der dritten Klimakonferenz 1997. Damals sollte mit dem Kyoto-Protokoll ein erster verbindlicher Schritt zur Reduktion von Treibhausgasen gemacht werden. Doch schon im US-Senat scheiterte das Vorhaben. Präsident Bill Clinton und sein relativ grüner Vizepräsident Al Gore schafften es nicht, das Abkommen im eigenen Land ratifizieren zu lassen – und damit stand die globale Klimapolitik plötzlich ohne die USA da, damals der größte Emittent weltweit.

Dann kam der 11. September 2001: Die Terroranschläge in den USA veränderten die geopolitische Agenda nachhaltig. Sicherheit und Terrorbekämpfung rückten in den Vordergrund, und die USA bestimmten gemeinsam mit ihren NATO-Partnern fortan neue Prioritäten. Es folgte die globale Finanzkrise und die Klimakonferenz von Kopenhagen 2009, auf der sich die USA und China gegenseitig beschuldigten, nicht genügend für den Klimaschutz zu tun. Spätestens 2010 schien die internationale Klimapolitik am Boden.

Insofern war das Pariser Abkommen 2015 eine wirkliche Wiederbelebung – erstmals mit einem gemeinsamen Ziel: die Klimaerwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen.

Aber das Ziel scheinen wir nun zu verfehlen. Es wirkt, als wiederhole sich alles: Die USA blockieren erneut, und wir haben wieder einen Vertrag ohne Zähne, also ohne Sanktionen.

Raimund Bleischwitz: Sanktionen hätten dem Pariser Abkommen sicher mehr Durchsetzungskraft verliehen. Aber das kann sich nun ändern. Wir sind in einer neuen Phase der Klimapolitik, in der sanktionsfähige Abkommen möglicher geworden sind – und das Pariser Abkommen hat den Weg dafür bereitet.

Inwiefern hat es uns geholfen?

Raimund Bleischwitz:
Als die internationale Klimapolitik um 2010 nahezu zum Erliegen kam, tat sich auf nationaler und wirtschaftlicher Ebene einiges:
Die erneuerbaren Energien hatten ihren Durchbruch, und die EU etablierte Standards zur Energieeinsparung und ihren Emissionshandel. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass auch auf internationaler Ebene wieder Bewegung entstanden ist.

Das Pariser Klimaabkommen, das den starren Top-down-Ansatz des Kyoto-Protokolls abgelöst hat, setzte dann erstmals auf nationale Beiträge: sogenannte »Nationally Determined Contributions« – also Klimaschutzpläne, die jedes Land selbst festlegt. Jedes Land entscheidet selbst, wie viel, wie schnell und auf welchem Weg es Emissionen senken will. Ich halte diesen Ansatz für richtig. 
Denn das Kyoto-Protokoll hat nur für Industrieländer starre Ziele festgelegt. Das hat nicht funktioniert.
Sie haben eben gesagt, dass wir uns in einer neuen Phase der Klimapolitik befinden. Welche ist das?

Raimund Bleischwitz: Wir sind nicht mehr in der transatlantischen Gemeinschaft der früheren Jahre, in der die USA und Europa den Rest mitreißen. Heute brauchen wir neue Allianzen, neue Mehrheiten – nicht nur auf politischer Ebene, sondern getragen von der Zivilgesellschaft und großen Teilen der Wirtschaft. Und dafür sieht es gut aus: Umfragen zeigen, dass das Bewusstsein und das Interesse am Klimaschutz weltweit da sind.

Meinen Sie damit so etwas wie einen »Klimaklub der Willigen«? Die Idee hat Frauke Rostalski, Mitglied des Deutschen Ethikrats, in einem Gespräch mit meiner Kollegin Maria Stich angesprochen. Laut ihr brauchen wir nun eine Koalition progressiver Staaten, die Vorleistungen erbringen, Standards setzen und Blockierer wie die USA beiseitelassen.

Raimund Bleischwitz: Das sehe ich auch so. Ein Klimaclub der Willigen ist der Weg vorwärts.
Die EU sollte aus geopolitischer Sicht auf jeden Fall dazugehören – auch wenn ihr momentan spürbar der Elan fehlt und sie eher abwartet, ob andere beim Klimaschutz vorangehen. 

Spannend ist aktuell Brasilien: Als Gastgeber der COP30 will das Land eine führende Rolle einnehmen. Es hat den Tropenwald-Fonds ins Leben gerufen und ist beim Ausbau erneuerbarer Energien weit vorne. Dann sehe ich auch Länder wie Großbritannien, Kanada, Australien, Indien, Indonesien und natürlich China als zentrale Akteure. Und nicht zu vergessen: die vielen Small Island States, die besonders vom Klimawandel betroffen sind.

Was ist der Tropenwald-Fonds?
Die Tropical Forest Forever Facility ist eine brasilianische Initiative zum Schutz tropischer Wälder, vorgestellt auf der COP30. Ziel ist, ihren Erhalt wirtschaftlich attraktiver zu machen als ihre Abholzung. Der Fonds soll 125 Milliarden US-Dollar mobilisieren, vor allem von privaten Investor:innen. Die Erträge fließen als jährliche Zahlungen an teilnehmende Länder – rund 4 US-Dollar pro Hektar geschütztem Wald. Laut Germanwatch übersteigen diese Summen oft die bisherigen Budgets der Forstbehörden. 20% gehen an indigene Gemeinschaften.

Ist es sinnvoll, bei neuen Klimabündnissen auf Länder wie China zu setzen, obwohl dort ein autoritäres Regime herrscht und es große Fragen in Sachen Menschenrechte gibt?

Raimund Bleischwitz: Unabhängig davon, welche nachvollziehbare Kritik wir haben und wie man zum politischen System steht:
China wird ein entscheidender Partner sein müssen. China ist sehr engagiert, was den eigenen Klimaschutz betrifft.
Es ist derzeit der größte CO2-Emittent der Welt, wird aber wahrscheinlich schon bald den Höhepunkt seiner Emissionen erreichen. Danach werden sie aller Voraussicht nach sinken, auch dank eines engagierten Ausbaus bei erneuerbaren Energien und in der Elektromobilität.

Gleichzeitig ist das Land durch seine Rolle als aufstrebende Wirtschaftsmacht auch ein Vorbild für viele Schwellenländer. Über die »Belt and Road Initiative«, bekannt als die Neue Seidenstraße, investiert China seit 2013 massiv in Infrastruktur- und Energieprojekte anderer Länder, zunehmend auch in erneuerbare Energien. Ungeachtet dessen, gibt es aber gute Gründe, kritisch zu bleiben. China verfolgt in der Regel Eigeninteressen.

Deshalb ist es klug, wenn die EU nicht in Gegnerschaft verfällt, sondern auf Kooperation setzt – nicht als Bittstellerin, sondern als Partnerin auf Augenhöhe. Und am effektivsten funktioniert das, wenn wir uns zuerst mit anderen ambitionierten Staaten in einem Klimaclub gut aufstellen.
Momentan wirkt es auf mich, als wolle die EU mehr von China als umgekehrt. China verfügt über seltene Erden, auf die wir für die Energiewende angewiesen sind – ebenso über die Industrie und das Know-how, sie weiterzuverarbeiten. Was hat die EU überhaupt anzubieten?

Raimund Bleischwitz: Ich beobachte da oft eine etwas weinerliche Haltung in Europa. Wir wissen seit über 10 Jahren, dass wir seltene Erden und andere kritische Rohstoffe benötigen. Trotzdem schauen wir zu, wie China das umsetzt, was wir längst selbst hätten tun können: eine starke Industrie zu Abbau und Verarbeitung aufbauen. Aber es ist noch nicht zu spät.

Wir verfügen selbst über Vorkommen – zum Beispiel in Skandinavien, der Ukraine und Südosteuropa. Und wir haben eine große mittelständische Industrie, die genau daraus etwas machen könnte. Uns fehlt es bislang jedoch an Leuchtturmprojekten, und die Industrie braucht dazu allerdings eine verlässliche, langfristige Finanzierung.

Übrigens: Auch China deckt seine Bedarfe teilweise durch Importe, etwa aus seinem Nachbarland Myanmar, einer blutigen Diktatur. Das sollten sich europäische Unternehmen, die Komponenten und Materialien aus China beziehen, bewusst machen.

Ich bin überzeugt, dass China für Partnerschaften in Bereichen wie der Kreislaufwirtschaft offen ist und mit sich reden lässt. Denn wir haben ähnliche Interessen und wir haben durchaus etwas zu bieten. 
  • Erstens: Europa ist ein großer Abnehmer von kritischen Rohstoffen und entsprechenden Komponenten und Produkten. Das macht uns zu einem interessanten Markt – gerade, wenn wir konsequent auf Innovationen bei Recycling, Wiederverwertung und Kreislaufwirtschaft setzen. 
  • Zweitens – und das ist fast noch wichtiger – verfügen wir über den größten Binnenmarkt der Welt. Als Konsumregion bleibt Europa auch für China sehr relevant. Das sind starke Argumente, mit denen wir in Verhandlungen selbstbewusst auftreten können.

Gibt es denn Beispiele dafür, dass so ein Klimaklub der Willigen etwas bewegen kann?

Raimund Bleischwitz: 
Es gibt mittlerweile mehrere Beispiele, die zeigen, dass internationale Kooperation funktioniert – auch ohne die Beteiligung der USA oder anderer großer Staaten.
Die Hoffnung ist natürlich, dass sie sich wieder einklinken. Ein aktuelles Beispiel ist das UN-Hochseeabkommen, das nächstes Jahr in Kraft tritt. Damit sollen bis 2030 rund 30% der weltweiten Meeresflächen unter Schutz gestellt werden.

Ein weiteres Beispiel ist der Landminenvertrag aus den 1990er-Jahren. Auch er kam ohne die Zustimmung der USA zustande. Damals wurde ein UN-Vertrag blockiert, doch eine Gruppe entschlossener Staaten formulierte ihn außerhalb der UN und brachte ihn später erfolgreich zurück in die offizielle Verhandlungsebene. So etwas könnte ich mir auch für das geplante Plastikmüllabkommen vorstellen. Dort gibt es bereits eine Koalition von rund 100 Staaten, die entschlossen vorangehen wollen.

Am spannendsten finde ich derzeit aber die Hongkong-Konvention zum Schiffsrecycling.

Worum geht es dabei?

Raimund Bleischwitz: Da geht es um die umweltgerechte und sichere Entsorgung ausrangierter Schiffe – also um große Mengen an Stahl, die in eine klimafreundliche Kreislaufwirtschaft für die Stahlproduktion einfließen könnten.

Gerade Europa spielt hier eine Schlüsselrolle: Zwar laufen etwa 40% der weltweiten Schiffe unter europäischen Eigentümern, aber nur rund 4–5% davon werden auch in Europa recycelt. Der Großteil landet in Ländern wie Bangladesch, Indien oder Pakistan. Diese Länder könnten zusammen mit europäischen Partnern einen Club für sauberes Schiffsrecycling bilden. Die Voraussetzungen sind günstig: Die Hongkong-Konvention ist diesen Sommer in Kraft getreten.

Die USA hat die Konvention nicht ratifiziert. Sie ist ein positives Beispiel dafür, dass internationale Umweltabkommen auch ohne US-Beteiligung genug Zustimmung finden können, um voranzukommen.
Die Hongkong-Konvention zeigt aber auch, wie lange es dauern kann, bis sich eine Mehrheit findet. 
Sie wurde 2009 verabschiedet und tritt erst jetzt in Kraft, weil es so lange gedauert hat, bis genügend Staaten das Abkommen ratifiziert haben.

Raimund Bleischwitz: Aber gerade diese Langsamkeit hat am Ende auch ein Land wie Bangladesch dazu bewogen, das Abkommen zu ratifizieren. Dort kommt ein Großteil – rund 60% – des Stahls aus der Produktion aus dem Schiffsrecycling. Das Abkommen kann die Arbeit für Menschen vor Ort nicht nur sauberer, sicherer und gesünder machen, sondern auch die Wirtschaft vorwärtsbringen. Insofern ist das Beispiel tatsächlich ein Fall für die Langsamkeit. Es zeigt aber, dass solche Prozesse selbst dann Wirkung entfalten – und am Ende Staaten zusammenbringen.

Mit Blick auf die Klimakrise brauchen wir aber eher Tempo.

Raimund Bleischwitz: Ja! Es kann auch viel schneller gehen, beim UN-Hochseeabkommen hat es keine 3 Jahre gedauert, bis genügend Staaten es ratifiziert hatten.
Sie sagten bereits in einem Vortrag aus dem Jahr 2015, dass die Menschen in der Vergangenheit jede Art von Knappheit durch Veränderungen überwunden haben – Verhaltensänderungen, institutionelle Veränderungen, technologische Veränderungen.
Denken Sie auch heute noch, dass wir die Kurve beim Klimawandel bekommen können?

Raimund Bleischwitz: Ja, trotz aller Rückschläge und der vielen Klimakatastrophen glaube ich daran. Zwar werden wir das 1,5-Grad-Ziel vermutlich vorübergehend überschreiten, doch mit langfristig klug angelegten Anpassungsstrategien besteht die Chance, gegenzusteuern. Das wird vor allem die jüngere Generation ab etwa 2050 erleben – bis dahin stehen uns vermutlich einige unruhige, konfliktreiche Jahre bevor. Trotzdem dürfen wir jetzt nicht nachlassen und müssen alles daransetzen, die Klimakrise auszubremsen.

Wir brauchen koordinierte Maßnahmen zwischen Nord und Süd, zwischen Klubs der Willigen und betroffenen Regionen. Besonders wichtig ist mir dabei, dass nicht nur Regierungen handeln, sondern auch Unternehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam Verantwortung übernehmen. Ich glaube an die Kreativität und Anpassungsfähigkeit der Menschen – an die Fähigkeit, problematische Verhaltensweisen abzulegen und voneinander zu lernen.

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