T-online hier Analyse von Patrick Diekmann 07.11.2025
Klimaschutz: China macht vor Klimagipfel in Brasilien Kampfansage an TrumpKampf ums Klima: China hängt alle ab
Während Donald Trump den Klimawandel verspottet, positioniert sich China als strategischer Vorreiter der Energiewende. Hinter Pekings Offensive steckt jedoch kein Idealismus, sondern ein knallharter Plan.
Es war ein Moment mit Signalwirkung. Als Chinas Präsident Xi Jinping Ende September vor der UN-Generalversammlung sprach, vermied er große Worte. Statt Pathos wählte er Pragmatismus. Statt Schuldzuweisungen betonte er Verantwortung. Und während die Europäische Union erneut um sich selbst kreiste und Donald Trump die Bühne nutzte, um den Klimawandel ins Lächerliche zu ziehen, gab Xi die neue Richtung vor: China will führen – beim Klimaschutz, bei den Technologien der Zukunft, beim Umbau der Weltwirtschaft.
Die Volksrepublik ist dabei durchaus ein Land der Gegensätze.
Einerseits ist es das Land, das die meisten Emissionen verursacht und weiterhin auf Kohlekraftwerke setzt. Andererseits streben chinesische Unternehmen bei der Produktion erneuerbarer Energien und bei der Entwicklung in Bereichen der Elektromobilität und Solarstromerzeugung die Marktführung an – in einigen Sparten sind hier US-Unternehmen wie Tesla noch führend.
Vor diesem Hintergrund war Xi Jinpings Klimarede vor den UN eine geopolitische Kampfansage. Denn in Zeiten, in denen die Vereinigten Staaten unter Trump auf fossile und nukleare Ideologie setzen und Europa in Klimafragen immer tiefer zerfällt, entsteht eine neue Realität: Die weltgrößte Volkswirtschaft steigt zum strategischen Vorreiter im Kampf gegen die Klimakrise auf.
Die Führung in Peking erkennt darin nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern einen machtpolitischen Hebel.
China gegen Trump – zwei Welten
Der Unterschied zwischen den beiden Supermächten könnte beim Weltklimagipfel, der am 7. November im brasilianischen Belém beginnt, erneut deutlich werden. Dort sollen die Staaten ihre neuen Emissionspläne präsentieren – oder eben das Scheitern eingestehen, sie nicht rechtzeitig eingereicht zu haben.
Die USA unter Trump werden dort wohl keine konstruktive Rolle spielen. Der US-Präsident macht keinen Hehl daraus, dass er das Pariser Abkommen, aus dem er in seiner aktuellen Amtszeit erneut ausgetreten ist, für "nutzlos" hält. Er will den Gipfel nach Angaben seiner Berater sogar weitgehend ignorieren. Anders China: Peking will in Belém seine Führungsrolle demonstrieren und international Zustimmung für die neue klimapolitische Ordnung einwerben, in der saubere Technologien "Made in China" die Märkte dominieren. Die Bühne ist bereitet.
Einen Vorgeschmack lieferte die UN-Woche im September. Trumps Auftritt bei den Vereinten Nationen war der Gegenentwurf zu dem von Xi. Mit seinem gewohnten Zynismus verspottete er die Klimawissenschaft. "Der größte Betrug aller Zeiten", nannte er den Klimawandel. Wenn es mal kälter werde, sei das doch der Beweis, dass alles übertrieben sei. Fakten spielten keine Rolle, Ideologie dagegen schon.
Während der US-Präsident die UN-Vollversammlung zur Bühne für Desinformation machte, formulierte Xi Jinping ambitionierte Ziele: China will seine Netto-Treibhausgasemissionen bis 2035 um sieben bis zehn Prozent senken. Das Land bekenne sich zum "grünen und kohlenstoffarmen Wandel" als "Trend unserer Zeit".
Ein Satz, der auch in Peking nicht selbstverständlich ist. Doch China trifft damit einen Nerv in der internationalen Gemeinschaft, die in Klimafragen nach Führung sucht.
Strategie statt Moral
Dabei ist Chinas Klimapolitik weder moralisch motiviert noch primär ökologisch begründet. Sie ist strategisch. Der Ausbau grüner Technologien, die Förderung von Solarenergie, Windkraft und Elektromobilität – all das folgt einem langfristigen ökonomischen Kalkül. China will die industrielle Basis der nächsten globalen Ära dominieren – und ist dabei aufgrund der Zögerlichkeit des Westens auf einem guten Weg.
Die Zahlen belegen das. Allein im ersten Halbjahr 2025 hat China laut Regierungsangaben Kraftwerkskapazitäten von 290 Gigawatt installiert, knapp 90 Prozent davon erneuerbar. Das ist mehr, als Deutschland insgesamt an erneuerbaren Energien installiert hat. Die Bundesrepublik kam Ende 2024 laut Bundesnetzagentur insgesamt auf 190 Gigawatt. Das zeigt die Dimension der chinesischen Vorhaben. Bis 2035 möchte China die Kapazität auf 3.600 Gigawatt steigen – das Sechsfache des Niveaus von 2020.
Mehr als die Hälfte aller weltweit verbauten Solarmodule stammt bereits heute aus China, ebenso wie 60 Prozent aller produzierten E-Autos. Der technologische Wandel findet statt – in Fernost.
Europa schwächelt
Europa hingegen hadert. Gerade erst haben sich die EU-Umweltminister in Brüssel auf ein neues Klimaziel für 2040 geeinigt – allerdings mit Abstrichen. Die Emissionen sollen bis dahin zwar um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken, fünf Prozentpunkte davon dürfen aber durch Zertifikate aus dem Ausland kompensiert werden. Effektiv sind es also nur 85 Prozent.
Ein weiterer Rückschritt: Der Start des neuen Emissionshandels für Verkehr und Gebäude wird auf 2028 verschoben. Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) sprach trotzdem von einem "wichtigen Fortschritt". Doch das neue Ziel ist ein Kompromiss, der vor allem zeigt, wie schwer sich die EU inzwischen mit dem eigenen Führungsanspruch beim Klimaschutz tut.
Polen und Italien hatten sogar zehn Prozent anrechenbare Auslandsgutschriften gefordert, Frankreich und Portugal fünf. Die Einigung zeigt: Europas grüne Agenda gerät zunehmend unter den Druck wirtschaftlicher Unsicherheit, geopolitischer Spannungen und wachsender Skepsis gegenüber Klimainvestitionen.
"Müssen Taten sprechen lassen"
Die chinesische Staatsführung hat sich für das Gegenteil entschieden. "Anstatt nur zu reden, müssen wir Taten sprechen lassen", sagte Xi Jinping. Sein Land habe "systematische Politik und konkrete Maßnahmen" ergriffen, um den Umbau der Wirtschaft zu ermöglichen. In den national festgelegten Beiträgen (NDCs) an die Vereinten Nationen formulierte China erstmals sektorübergreifende Klimaziele – von Energie über Industrie bis zum Verkehr. Ziel sei eine "fundamentale Transformation" bis Mitte der 2030er-Jahre.
Ein Durchbruch? Noch nicht. Aber ein Anfang. Die Zahlen für den Kohleverbrauch bleiben hoch. Im ersten Halbjahr 2025 nahm China neue Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 21 Gigawatt ans Netz – ein Rekord seit 2016. Das zeigt: Der Widerspruch zwischen Wachstum und Klimaschutz ist nicht aufgelöst.
Doch selbst hier folgt China einem Plan.
Die Kohle bleibt vorerst Teil der Versorgungssicherheit.
Doch die Überproduktion an sauberem Strom deutet darauf hin, dass die Kohle mittelfristig ersetzt werden kann.
Die Kohle bleibt vorerst Teil der Versorgungssicherheit.
Doch die Überproduktion an sauberem Strom deutet darauf hin, dass die Kohle mittelfristig ersetzt werden kann.
Bereits jetzt erzeugen neu installierte
Wind- und Solarkraftwerke mehr Strom,
Wind- und Solarkraftwerke mehr Strom,
als Deutschland oder Großbritannien in einem Jahr verbrauchen.
Ein Wettlauf mit globalen Folgen
Wer über Chinas Klimapolitik spricht, muss über Industrie sprechen. Über Wettbewerb. Über wirtschaftliche Macht. Seit Jahren subventioniert die Regierung gezielt jene Branchen, die für die Dekarbonisierung notwendig sind: Batterietechnologie, Solarproduktion, grüne Stahlwerke. Die Folge: Chinesische Hersteller dominieren die globalen Märkte, europäische Firmen kämpfen ums Überleben oder sind längst verschwunden.
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