Update 11.1.24 Von: Kilian Beck
Merz’ CDU fordert „Option“ Kernkraft – Antwort der Betreiber fällt klar ausDie CDU will AKWs als „Option“. Die Industrie erteilt eine klare Absage. Der oberste AKW-Sicherheitsbeamte warnt vor solchen Plänen.
Die CDU setzt energiepolitisch auch auf eine Rückkehr zur Atomkraft. Das geht laut Medienberichten aus einem Beschlussentwurf für die Klausurtagung des Bundesvorstands hervor, die am 12. Januar in Heidelberg beginnt. „Es braucht jetzt einen Kurswechsel“ heißt es in der „Heidelberger Erklärung“, über die am Mittwoch das Magazin Spiegel und die Mediengruppe Bayern berichteten. Die Nutzung der Kernkraft solle weiterhin eine Option sein. Den Tag der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke nannte CDU-Chef Friedrich Merz damals einen „schwarzen Tag für Deutschland“. Neben der CDU ist auch die FDP offen für eine Wiederaufnahme der Kernkraftproduktion.
Die Energiebranche dringt indes auf den Bau neuer Gaskraftwerke und warnte vor einer neuen Atomdebatte.
Kernenergie sei sehr kostenintensiv, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energiewirtschaft, Kerstin Andreae, am Donnerstag, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Die drei bisherigen Atomkraft-Betreiber sagten alle, dass es keine Option sei. Der scheidende Chef des Bundesamts für Sicherheit der nuklearen Entsorgung zog Anfang Januar eine Bilanz der Kernkraftdebatte: „Fakt ist, dass sich der Bau von Atomkraftwerken sowohl zeitlich als auch ökonomisch in der Praxis völlig anders darstellt, als es versprochen wird“, sagte König der Deutschen Presse-Agentur. Wer heute die Hoffnung auf diese Technologie nähre, blende alle Risiken aus, die die Unfälle in Tschernobyl und Fukushima gezeigt hätten.„Erneuerbare im Zentrum“ – Neue Gaskraftwerke künftig auch mit Wasserstoff nutzen
„Für uns ist klar: Erneuerbare im Zentrum“, sagte Andrae. Für den Ausgleich der wachsenden, aber schwankenden Produktion von Solar- und Windkraft brauche man aber neue flexible Gaskraftwerke, die künftig mit Wasserstoff betrieben werden müssten. Die Anlagen, die nur selten laufen würden, müssten nun dringend vom Bund ausgeschrieben und gefördert werden. „Wir dürfen den Druck hinter dieser Kraftwerkstrategie nicht mindern, indem wir eine andere Option in den Raum stellen“, sagte sie mit Blick auf die Kernkraft.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat eine Kraftwerksstrategie angekündigt, mit der neue Gaskraftwerke gebaut werden sollen. Diese können anders als Kohle- oder Atomkraftwerke schnell hoch- und heruntergefahren werden. Dies wird zunehmend nötig sei, da der Anteil von Wind- und Solarstrom stetig wächst, aber stark schwankt. 2023 wurde erstmals mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt. Die Gaskraftwerke sind zudem nötig, um möglichst schnell aus der Kohlekraft auszusteigen. Die Grünen wollen dies bis 2030.
BDEW-Hauptgeschäftsführerin Andreae sagte, die Zeit dränge. Von Planung bis Inbetriebnahme brauche ein Gaskraftwerk im Allgemeinen sechs Jahre. Man brauche bis 2030 etwa 15 Gigawatt Leistung an wasserstofffähigen Anlagen. Das entspricht etwa 15 AKW-Blöcken. Für die Jahre nach 2030 werde man weitere 15 Gigawatt brauchen, sagte Andreae. Die CDU hat sich die Forderung nach der Nutzung der Kernkraft bereits vergangenes Jahr in ihr Grundsatzprogramm geschrieben.
Frankfurter Rundschau hier Stand:30.12.2023,
Und nochmals die Gretchenfrage: Lässt sich mit Atomkraft das Klima retten?
22 Länder haben angekündigt die Kernkraft ausbauen. Auch die CDU will sich in ihrem neuen Grundsatzprogramm zur Atomenergie bekennen. Ist Atomkraft eine mögliche Lösung im Kampf gegen den Klimawandel?In Deutschland sind die letzten Atomkraftwerke 2023 vom Netz gegangen - Industriestaaten wie die USA und Frankreich sehen darin hingegen die Zukunft. Sie planen die Nutzung von Kernenergie bis zum Jahr 2050 massiv auszubauen.
Der Grund: Anders seien die Klimaziele nicht zu erreichen.
Wie nachhaltig Atomkraft wirklich ist
Warum wollen einige Staaten auf Atomkraft setzen?
Industrienationen wie Kanada, Frankreich, Japan und die USA wollen zum Wohle des Klimas die Energieerzeugung aus Atomkraft deutlich hochschrauben. Bis zum Jahr 2050 sollten die Kapazitäten verdreifacht werden, hieß es in einer auf der Weltklimakonferenz veröffentlichten Erklärung. Man halte fest, dass Atomkraft eine Schlüsselrolle dabei spiele, bis Mitte des Jahrhunderts Klimaneutralität zu erreichen und das 1,5-Grad-Ziel, mit dem die Weltgemeinschaft die schlimmsten Folgen der Erderwärmung verhindern will, im Rahmen des Möglichen zu halten.
Hat Deutschland die Erklärung auch unterschrieben?
Nein, und das ist auch wenig verwunderlich. Deutschland hatte im April 2023 die letzten drei Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland abgeschaltet und somit den Atomausstieg vollzogen. Die ehemaligen Kraftwerke werden nun zurückgebaut.
Doch auch in Deutschland werden immer wieder Stimmen laut, die Atomkraft befürworten. In einem ersten Entwurf für das neue CDU-Grundsatzprogramm heißt es etwa, Deutschland könne zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten. Man wolle auf „Kernkraftwerke der vierten und fünften Generation“ setzen, also Reaktortypen auf neuestem Stand, die sicherer, effizienter und sauberer sein sollen.
Ist Atomkraft denn nicht ohnehin sauberer und nachhaltiger als andere Energieformen?
Dem Umweltbundesamt (Uba) zufolge ist die Technologie nicht nachhaltig. Ein Grund ist die Wasserfrage, die von zentraler Bedeutung für den sicheren und effizienten Betrieb von Atomkraftwerken ist. „Dieser hohe Bedarf an Kühlwasser kann schlecht für die Umwelt sein, oder in Verbindung mit Hitzewellen und Klimawandel den Betrieb einschränken“, mahnt das Uba. „In Zeiten von Hitzewellen oder Dürren kann die Wasserverfügbarkeit für Kühlzwecke eingeschränkt sein, was zu Problemen bei der Kühlung führen kann. Solche Extremereignisse werden durch den Klimawandel aber immer häufiger auftreten.“ In Frankreich, wo ein Großteil der Kernreaktoren mit Flusswasser gekühlt wird, war es in den vergangenen Jahren bereits vermehrt zu Ausfällen gekommen.
Außerdem verursacht der Uranabbau laut Uba erhöhte Uran- und Radiumbelastung in Gewässern und kleinen Teilen von Gestein. Radioaktiver Staub und Radongas gefährden Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Anwohnerinnen und Anwohner von Uranminen.
Aber Unterstützer der Atomkraft sagen doch, sie sei zumindest CO2-neutral?
Das stimmt so nicht. Bei der Herstellung von Strom aus Atomkraft entstehen zwar nur kleine Mengen des klimaschädlichen Gases CO2, doch vor allem vor und nach der Stromproduktion fallen die Treibhausgase dann doch in größeren Mengen an. Betrachte man den gesamten Lebensweg - von Uranabbau, Brennelementherstellung, Kraftwerksbau und -rückbau bis zur Endlagerung - so ist in den einzelnen Stufen des Zyklus zum Teil ein hoher Energieaufwand nötig, wobei Treibhausgase emittiert würden, heißt es beim Uba.
Was sagt das zuständige Umweltministerium dazu?
Laut Ministerium ist Atomkraft keine Option zur Klimarettung, denn sie ist zu langsam, zu gefährlich und nicht robust gegen den Klimawandel. Mit Strom aus Wind und Sonne gebe es längst eine viel bessere, klimafreundlichere und günstigere Alternative.
Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) warnt zudem vor „explodierenden Kosten eigentlich aller Neubauten von Atomkraftwerken“. Ihre Sorge sei, dass der Bau und die Nutzung von Reaktoren für die Verbraucherinnen und Verbraucher sehr teuer werden könnte. Und dann sei sie noch nicht einmal bei den Kosten für die End- und Zwischenlagerung von Atommüll. „Aber irgendwo muss der Müll am Ende des Tages hin“, sagt Lemke.
Wo wird Atommüll denn entsorgt?
In sogenannten Endlagern, in denen die radioaktiven Abfälle über sehr lange Zeiträume abgesichert aufbewahrt werden sollen. Dem Uba zufolge gibt es in Deutschland und auch in der EU bislang kein Endlager, das tatsächlich in Betrieb ist und empirische Belege oder wissenschaftliche Analysen zu den langfristigen Auswirkungen der Entsorgung hochradioaktiver Abfälle liefern könnte.
Wie viel von diesem radioaktiven Abfall gibt es in Deutschland?
Unterschieden wird zwischen hoch-, mittel- und schwachradioaktiven Abfällen. Bei hochradioaktiven Abfällen handelt es sich meist um verbrauchte Brennelemente aus Atomkraftwerken oder Forschungsreaktoren. Diese machen nach Angaben des Bundesamts für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE) zwar nur 5 Prozent des gesamten Volumens der radioaktiven Abfälle aus, bringen aber 99 Prozent der Aktivität mit sich.
Doch auch die Entsorgung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen - zum Beispiel kontaminierte Teile aus dem Rückbau der Atomkraftwerke wie Teile des Generators - stellt die Verantwortlichen vor Herausforderungen. Nach Schätzungen des BASE gibt es in Deutschland etwa 620.000 Kubikmeter davon - das Volumen entspricht ungefähr dem Inhalt von mehr als 200 olympischen Schwimmbecken.
Können die Abfälle nicht einfach in den Zwischenlagern bleiben?
Nur Endlager in tiefen geologischen Schichten gelten als dauerhaft sichere Lösung. „Beton, Stacheldraht und Wachmannschaften“ könnten dies nicht ersetzen, sagt BASE-Präsident Wolfram König. Tiefliegende Gesteine böten eine natürliche Barriere, die vor Strahlung schützt. dpa
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