Das kennen wir doch schon zur Genüge: schier unlösbare Problemlage - lange Nacht-Verhandlungen - Verkündigung eines Ergebnisses auf kleinstmöglichem Ampel-Nenner - unmittelbar nach der Verkündigung wieder der Rückzieher einer verhandelnden Fraktion - Stillstand statt Fortschritt und noch mehr Frust. Damit nimmt wirklich niemand die Ampel ernst.
Und ja: natürlich müssen die Fossilen Privilegien weg. Aber nicht nur für die Landwirtschaft, denn die hat das aller größte Problem bei dieser Transformation: wo gibt es denn bereits Elektro-Trecker auf dem Feld? Wann wird es die geben? Und wer kann sich die leisten?
Zeit hier 21. Dezember 2023,Quelle: dpa Niedersachsen
Agrar Experte: Agrardiesel-Subventionen sind aus der Zeit gefallen
Die umstrittenen Subventionen für Agrardiesel sind aus Sicht eines Agrarökonomen nicht mehr zeitgemäß. «Wenn man den landwirtschaftlichen Betrieben helfen will, muss man andere Wege finden, die gezielter sind», sagte der Agrarwissenschaftler Stephan von Cramon-Taubadel von der Universität Göttingen im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Das System der Subventionen müsse grundsätzlich geändert werden, forderte von Cramon-Taubadel. «Es fehlt ein größeres Konzept für eine sinnvolle nachhaltigkeitsgesteuerte Unterstützung des Agrarsektors», kritisierte der Wissenschaftler. Wenn es um Einkommensstützung gehe, müsse man die Betriebe mit Einkommensproblemen finden, die man erhalten wolle, und ihnen gezielt helfen. Oder man müsse gezielt für Umweltleistungen Geld ausgeben und die Landwirte honorieren, die diese Leistungen erbringen. Subventionen, die sich nach der Größe der Fläche richteten, seien nicht mehr zeitgemäß. «Es ist aus der Zeit gefallen, mehr Subventionen zu zahlen, umso mehr Diesel jemand verbraucht.»
Die Politik in Deutschland müsse aber auch erkennen, dass die Weichen für die Agrarpolitik in Brüssel gestellt würden. Statt auf extrahohe deutsche Standards bei Umweltauflagen oder der Tierhaltung zu setzen, müsse es darum gehen, auf eine europaweite Harmonisierung der Regeln hinzuwirken. Das bedeute auch zu akzeptieren, wenn die eigenen Maximalforderungen sich nicht europaweit durchsetzen ließen. Nur so funktioniere ein gemeinsamer Markt, sagte von Cramon-Taubadel.
Die Bundesregierung will unter anderem die steuerliche Begünstigung von Agrardiesel beenden. Die Landwirte befürchten hohe finanzielle Belastungen. Bei der Dieselverbilligung und der Befreiung von der KFZ-Steuer handele es sich zusammen um eine Summe von rund einer Milliarde Euro. Laut Statistik gebe es derzeit rund 250.000 Betriebe, was rechnerisch im Durchschnitt zu einer Belastung von 4000 Euro pro Betrieb führe, sagte von Cramon-Taubadel. «Natürlich sind die Betriebe sehr heterogen - einige große Ackerbaubetriebe mit vielen Fahrzeugen werden deutlich mehr als 4000 Euro verlieren, aber dafür viele kleinere, zum Beispiel mit Vieh und wenig Fläche, deutlich weniger», sagte der Wissenschaftler.
Die meisten großen Ackerbaubetriebe hätten in den vergangenen Jahren dank der hohen Preise recht erfolgreich wirtschaften können. Es sei aber völlig klar, dass es auch einige Härtefälle geben werde. «Ich habe den Eindruck, dass es weniger um die tatsächliche Summe pro Betrieb geht derzeit - es entlädt sich sehr viel Frust in einer Branche, die vor großen Herausforderungen und viel Unsicherheit steht, die sehr politikabhängig ist, aber von der Politik keine klare Signale erhält», sagte von Cramon-Taubadel.
So habe eine Expertenkommission errechnet, dass zum Beispiel der gesellschaftlich geforderte Umbau der Tierhaltung pro Jahr Kosten von vier Milliarden Euro verursacht, die die Landwirte alleine nicht stemmen können. «Die Landwirte nehmen die Kritik an und wollen nachhaltiger werden, am Ende wird von der Politik aber nichts umgesetzt, und jetzt kriegen sie auch noch eine Kürzung», sagte von Cramon-Taubadel.
Viele Landwirte seien bemüht, umweltfreundlicher zu werden, aber das gehe nicht zum Nulltarif. «Und jetzt kommt der Staat und liefert aus Sicht der Landwirtschaft nicht die Hilfen, die notwendig wären, stattdessen setzt er jetzt noch eins obendrauf - auch wenn es nüchtern betrachtet nicht so eine große Sache ist und die Reform dieser Subvention eigentlich überfällig ist», sagte von Cramon-Taubadel.
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RND hier Alisha Mendgen 23.12.2023
„Bei der Klimatransformation unterstützen“
Aus Sicht des Umweltbundesamtes ist es richtig, dass die Bundesregierung die Subventionen für Agrardiesel streichen will. Präsident Messner empfiehlt jedoch andere Entlastungsmaßen. Und er dringt auf die Abschaffung des „Dieselprivilegs“.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat die geplante Streichung der Agrardieselsubventionen begrüßt und Entlastungen für Landwirte und Landwirtinnen an anderer Stelle vorgeschlagen. „Wir dürfen nicht länger in eine falsche Richtung anreizen“, sagte UBA‑Präsident Dirk Messner dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es ist daher richtig, die Agrardieselsubvention zu streichen.“ Fossile Energienutzung dürfe nicht begünstigt werden, mahnte der Behördenchef.
Messner empfahl stattdessen die finanzielle Unterstützung von Landwirtinnen und Landwirten bei der Klimatransformation. „Die Landwirtschaftsbetriebe könnten jedoch an anderer Stelle entlastet werden, um die zusätzliche Belastung abzufedern“, sagte er. „Zum Beispiel kann man Betriebe bei der Klimatransformation unterstützen, wenn sie in andere Bewirtschaftungsformen der Agrarflächen investieren.“
„Wir sollten das Dieselprivileg insgesamt abschaffen“
Die Haushaltseinigung nannte Messner ein „erster, guter Schritt beim Abbau klimaschädlicher Subventionen“. Er forderte die Abschaffung des Steuervorteils beim Diesel. „Als Umweltbundesamt wünschen wir uns natürlich, dass zukünftig beim Abbau klimaschädlicher Subventionen direkt größer gedacht wird. Wir sollten das Dieselprivileg insgesamt abschaffen. Das allein würde bis zu 8 Milliarden Euro einbringen und hätte Lenkungswirkung.“
Zudem pochte Messner auf die Einführung des Klimageldes. „Um Bürgerinnen und Bürger sozial zu entlasten, sollte das Klimageld rasch kommen“, sagte der UBA-Präsident.
Die Bundesregierung hatte sich im Rahmen des Haushaltskompromisses auf die Streichung der Agrardieselsubvention geeinigt. Die Ampelfraktionen sind sich allerdings nicht einig, die FDP stellt sich gegen die Abschaffung. Auch aus der SPD kamen kritische Stimmen. Landwirtinnen und Landwirte protestieren seit Tagen dagegen.
Zeit hier Ein Kommentar von Ruth Fend 18. Dezember 2023
Agrardiesel: So viel Hupen muss man aushalten
Die Agrarsubventionen sind der schlechteste Grund, den Haushaltskompromiss aufzukündigen. Sie schaden dem Klima und kommen vor allem gut organisierten Großbauern zugute.
Man sollte meinen, inmitten einer schweren Haushaltskrise freue Christian Lindner sich über jedes Opfer, zu dem ein Koalitionspartner bereit ist. Doch ausgerechnet der FDP-Finanzminister rüttelt an dem über Wochen mühselig ausverhandelten Kompromiss. Nicht etwa, weil zu wenig gespart würde, sondern zu viel – nämlich bei den Landwirten. Sie sind für Lindner die Falschen.
Selbst wenn man nicht Fan dieses ohnehin schon fragilen Kompromisses ist: Ihn wieder infrage zu stellen, nur weil eine gut organisierte Interessengruppe mit schweren Traktoren vors Brandenburger Tor fährt, ist in etwa so konsequent, wie zur ersten Eisdiele zu rennen, sobald das schwierige Kind heult. Und unfair gegenüber dem stilleren Kind ist es allemal.
Im Vorfeld hat die Ampelregierung zu Recht immer wieder betont, dass in dieser Haushaltskrise jeder seinen Beitrag leisten müsse. Jedenfalls wenn man die Schuldenbremse nicht reformieren will, und dazu konnte sich die FDP nicht durchringen. Wie will man aber Kürzungen beim Bürgergeld oder bei der Förderung von Gebäudeeffizienz rechtfertigen, wenn man sich von der ersten Traktorenkolonne überrollen lässt? Zumal man sonst nicht davor zurückschreckt, Stauverursacher als vaterlandslose Gesellen zu beschimpfen, jedenfalls solange dabei kein Trecker, sondern Sekundenkleber im Einsatz ist.
Es bleiben viele Milliarden an Subventionen
Natürlich tun die Landwirte nun alles, um sich als die Schwächsten der Gesellschaft zu inszenieren, auf deren Rücken der Staat sich nun sanieren will. Das ist ihr gutes Recht, nur sollte man nicht darauf hereinfallen. Die Landwirte gehören schon jetzt zu den am stärksten subventionierten Berufsgruppen überhaupt. Ein Drittel des gesamten EU-Haushalts, mehr als 55 Milliarden Euro, fließt in die Landwirtschaft.
Das bayerische Agrarministerium hat berechnet, dass sich die Kürzungen für die Landwirtinnen auf rund 900 Millionen Euro im Jahr summieren würden. Das seien mehr als zehn Prozent der 8,4 Milliarden Euro, mit denen der Staat die Branche im Jahr vergangenen Jahr gefördert habe. Anders gesagt: Es bleiben eben noch immer 7,5 Milliarden Euro an Subvention übrig.
Wie passt das zu dem Höfesterben, das auch Agrarminister Cem Özdemir nun heraufbeschwört, sollten Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung fallen? Tatsächlich haben viele kleine und mittlere Höfe in den vergangenen Jahren aufgegeben, und weitere dürften folgen. Das liegt aber weniger an zu teurem Diesel als an einer verfehlten europäischen Agrarpolitik: Noch immer gilt dort die Logik: Die meisten Fördermittel fließen in die größten Flächen, in Deutschland sind das allen voran Großbetriebe in Niedersachsen und Bayern.
Ein Herz für Gutverdienende
In der Traktorenkolonne sitzen also eher nicht kleine, arme Bauern am Steuer. Landwirtschaftliche Haupterwerbsbetriebe in Niedersachsen etwa hatten zuletzt im Schnitt einen Jahresgewinn von mehr als 105.000 Euro. Man will es kaum sagen, weil es so klischeehaft klingt – aber damit fallen sie natürlich auch schon wieder eher ins Beuteschema der FDP. Was das plötzliche große Herz für die Landwirte erklären könnte.
Es ist im Übrigen auch nicht die komplette Landwirtschaft von einem Aus des Agrardiesels betroffen: Von den rund 256.000 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland haben bisher nur 155.000 einen Antrag auf die Beihilfe gestellt: Die belief sich im Schnitt auf 2.780 Euro im Jahr – kein Betrag, der die Landwirte reihenweise in die Insolvenz treiben wird. Zweifellos wird die Landwirtschaft auch in Zukunft viel Steuergeld benötigen.
Die Klimakrise, zu der gerade die Massentierhaltung stark beiträgt, trifft sie schon heute hart. Die Bäuerinnen und Bauern brauchen Hilfen, um sich an veränderte Anbaubedingungen anzupassen und den CO₂-Ausstoß ihrer Höfe zu reduzieren. Sie werden auch in der nächsten Dürreperiode nach dem Staat rufen, um Ernteausfälle auszugleichen.
Der Abbau der klimaschädlichen Agrarsubventionen hilft dem Klima
Noch mehr als auf anderen Gebieten gilt deshalb für die Landwirtschaft, dass die Politik Prioritäten setzen muss. Dass die Koalition sich zunächst dazu entschieden hat, zumindest hier nicht auch noch klimaschädlichen Diesel weiter zu fördern, gehörte zu den wenigen klimapolitischen Stärken der Haushaltseinigung. Es ist enttäuschend, dass ausgerechnet ein grüner Agrarminister sie nur wenige Stunden nach der Einigung infrage stellt.
Experten schlagen schon seit Langem vor, landwirtschaftliche Subventionen an Nachhaltigkeitskriterien zu koppeln statt an die Größe der Betriebe. Dafür sollte sich die Bundesregierung künftig in Brüssel einsetzen. Natürlich wäre es leichter, wenn sie selbst nun als Ausgleich mehr Geld für die ökologische Transformation der Landwirtschaft bereitstellen könnte.
Aber wenn die Ampel es noch bis zur nächsten Wahl 2025 schaffen will, dann muss sie sich in die Lage versetzen, auch mal ohne finanzielle Trostpflaster auszukommen. Schafft sie es jetzt im Agrarbereich nicht, sieht es für die kommenden Monate schlimm aus. Dann werden nicht nur Landwirte durch Berlin ziehen, sondern alle anderen Interessengruppen auch. Stabiler wird diese Regierung dadurch nicht werden.
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