Mittwoch, 13. Dezember 2023

Einigung in Dubai: Klimakonferenz ruft Staaten zum Abschied von fossiler Energie auf

hier  © Quelle: Reuters  Steven Geyer  13.12.2023

Abkehr von fossilen Energien: Nach einer durchverhandelten Nacht einigt sich die UN‑Klimakonferenz in Dubai am Mittag auf eine Abschlusserklärung.

Die Klimakonferenz hat eine Abschlusserklärung beschlossen. Darin werden alle Staaten aufgerufen, sich bis 2050 von Öl, Gas und Kohle zu verabschieden. Es ist ein Kompromiss der 130 ehrgeizigeren Staaten mit den Ölproduzenten, die einen verbindlichen Ausstiegsbeschluss verhinderten. Außenministerin Baerbock sieht trotzdem das Ende der fossilen Welt eingeläutet.

Dubai. Am Ende ging es sehr schnell: Nach einer durchverhandelten Nacht einigt sich die UN‑Klimakonferenz in Dubai am Mittag auf eine Abschlusserklärung. Erstmals bei einer UN‑Klimakonferenz ruft die Weltgemeinschaft darin alle Staaten zur Abkehr von Kohle, Öl und Gas auf. Der Übergang solle auf eine Weise erfolgen, die die Welt im Jahr 2050 auf netto null bei klimaschädlichen Treibhausgasemissionen bringe, heißt es darin.

Der zuvor von mehr als 100 Ländern, darunter Deutschland und die EU, geforderte klare Ausstieg („Phase out“) wurde vor allem von den ölproduzierenden Staaten unter der Führung Saudi-Arabiens verhindert. Die Unzufriedenheit der Ehrgeizigeren zeigte sich in der abschließenden Plenumssitzung am minutenlangen starken Applaus für die Rede der Vertreterin des pazifischen Samoa, die sich im Namen der bedrohten Inselstaaten über die fehlenden Fortschritte beklagt hatte: „Dieser Prozess hat uns im Stich gelassen.“

COP-Präsident: „Ein historisches Paket“

Der Konferenzpräsident Sultan al‑Dschaber erhob sich vor dem Plenum strahlend, applaudierte und sprach von einem „historischen Paket“. Es sei ein robuster Aktionsplan, um das 1,5‑Grad-Ziel in Reichweite zu halten. Gemeint ist das 2015 international vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dies hatten viele Klimafachleute und Umweltschützerinnen und ‑schützer zuvor in Zweifel gezogen.

Die deutsche Verhandlungsführerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich erleichtert über den Beschluss. Es herrsche große Freude in der deutschen Delegation und bei der Außenministerin, dass die Welt das Ende des fossilen Zeitalters beschlossen habe, hieß es aus Delegationskreisen.

Für die USA hatte deren Klimabeauftragter John Kerry in der Abschlusssitzung den kooperativen Geist auf der UN‑Konferenz gelobt. „Jeder von uns findet in dem Beschluss eine Formulierung, die er sich anders gewünscht oder lieber nicht im Text gesehen hätte“, sagte er. Gerade das zeige aber, wie groß die Kompromissbereitschaft und der Anspruch gewesen seien, eine gemeinsame Lösung zu erreichen. Gerade mit Blick auf die Kriege in der Ukraine und in Nahost könne man sich eine so gute internationale Zusammenarbeit auch für andere Bereiche nur wünschen.

Der 21‑seitige Text der Konferenzpräsidentschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde am Mittwochmorgen veröffentlicht und bereits wenige Stunden später im Plenum angenommen. Enthalten ist darin auch das Ziel, die Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und das Tempo bei der Energieeffizienz in diesem Zeitraum zu verdoppeln. Die G20‑Staaten haben sich darauf bereits verpflichtet.

In diesem Zusammenhang werden die Staaten im Beschluss aber auch aufgerufen, vom CCS‑Verfahren, der Abspaltung und Verpressung von CO₂, sowie von Atomkraft als „emissionsfreie und ‑arme Technologien“ Gebrauch zu machen. „Das sind Scheinlösungen, die die fossile Lobby immer wieder einbringt, um ihr Geschäftsmodell zu retten“, hatte Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser die Formulierungen zuvor kritisiert. Es fehle eine rechtliche Verbindlichkeit für den völligen Umstieg auf erneuerbare Energien.

Auch die Entwicklungsorganisation Oxfam reagierte mit gemischten Gefühlen: Der Aufruf „zu einem weltweiten Übergang weg von den fossilen Energien und zum Ausbau der erneuerbaren Energien beizutragen“ könne eine starke Signalwirkung für einen allmählichen Abschied von fossilen Energien entfalten, erklärte ihr Klimaexperte Jan Kowalzig. Die Einhaltung der 1,5‑Grad-Grenze sei aber nicht gewährleistet, denn konkret verpflichtet würden die Länder nicht. Zudem fehlten Oxfam deutlichere Zusagen zur finanziellen Unterstützung für die ärmeren Staaten.

Lob von Germanwatch: „Ein starkes Signal“

Positiver hatte der Umweltverband Germanwatch den Text bewertet. Er sende ein „starkes Signal an die Welt“, sagte ihr Chef Christoph Bals in Dubai: „Erstmals fordert eine Weltklimakonferenz alle Staaten auf, sich von Kohle, Öl und Gas wegzubewegen.“ Das solle zudem in diesem entscheidenden Jahrzehnt, also bis 2030, beschleunigt werden, so Bals.

Auch die enthaltenen Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz seien sehr ambitioniert, lobte der COP-Veteran. „Es geht jetzt darum, dass die globalen Emissionen bis 2030 um 43 Prozent gegenüber 2019 sinken, so wie es die Wissenschaft für einen 1,5-Grad-Pfad fordert.“


Tagesspiegel hier  13.12.23

„Historisches Paket“ auf Klimagipfel: UN-Staaten einigen sich auf Abkehr von fossiler Energie

Die Teilnehmer der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai verabschieden eine Abschlusserklärung. Der zuvor von mehr als 100 Staaten geforderte klare Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl kommt darin nicht vor.

Erstmals ruft die Weltgemeinschaft bei einer UN-Klimakonferenz zur Abkehr von fossilen Brennstoffen auf. Der zuvor von mehr als 100 Staaten geforderte klare Ausstieg („Phase out“) kommt in dem am Mittwoch in Dubai verabschiedeten Abschlusstext nicht vor. Diese Frage war besonders umkämpft gewesen – eine Minderheit von Staaten um das öl- und erdgasreiche Saudi-Arabien hatte vehement dagegen gekämpft.

Der Konferenzpräsident Sultan Al Jaber erhob sich vor dem Plenum strahlend, applaudierte und sprach von einem „historischen Paket“. Es sei ein robuster Aktionsplan, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten. Gemeint ist das 2015 international vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dies hatten viele Klima-Experten und Umweltschützer zuvor in Zweifel gezogen.

Der Text der Konferenz-Präsidentschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde am Mittwochmorgen veröffentlicht und bereits wenige Stunden später im Plenum angenommen. In dem 21-Seiten-Papier werden die Staaten aufgefordert, sich von fossilen Brennstoffen in ihren Energiesystemen abzuwenden.

Mehr als hundert Staaten hatten zuvor eine weitergehende Formulierung gefordert, nämlich einen Ausstieg („Phase out“). Allerdings ließ der Text auch Hintertüren offen – wie die weitere Nutzung von Gas sowie den Einsatz umstrittener Technologien zur Speicherung und Abscheidung von CO2.

Die Bundesregierung zeigte sich hochzufrieden mit dem Beschluss. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) falle ein „riesen Stein vom Herzen“, hieß es am Mittwoch aus der deutschen Delegation in Dubai. „Große Freude in der deutschen Delegation und bei der Außenministerin, dass die Welt das Ende des fossilen Zeitalters beschlossen hat.“

Baerbock nannte den Beschluss „Anfang für ein Ende der fossilen Energien“. „Dieser Text ist für uns als Europäische Union, als Deutschland nur ein Anfang“, sagte Baerbock am Mittwoch auf Englisch im Plenum in Dubai. „Jetzt hat sich die Welt entschieden: Diese Klimakonferenz besiegelt de facto das Ende des fossilen Zeitalters.“


Wir haben entschieden, dass wir die Zukunft unserer Kinder nur zusammen retten können.

Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin

Deutschland und die EU habe sich nicht nur für den Ausstieg aus den fossilen Energien entschieden, sondern auch dafür, die verletzlichsten Staaten der Welt zu unterstützen. Im entscheidenden Moment hätten alle Verhandler, egal woher sie kämen, für einen Moment an ihre Familien gedacht und darüber, was sie fragen würden, wenn man von der Konferenz zurückkehre, sagte Baerbock. „Wir haben entschieden, dass wir die Zukunft unserer Kinder nur zusammen retten können.“

Es gebe viele Tränen der Freude über den Beschluss in Dubai, jedoch auch andere Tränen, sagte Baerbock in Richtung der Inselstaaten, die den Beschluss der Klimakonferenz als zu schwach kritisiert hatten. Die Grünen-Politikerin sicherte besonders von Klimawandelfolgen betroffenen Staaten Unterstützung zu. Es gehe bei dieser Konferenz nicht nur um die Energiewende, sondern auch darum, „den Weg der Klimagerechtigkeit zusammen zu beschreiten“.

EU-Klimakommissar spricht von „überfälligem“ Beschluss

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) würdigte die Beschlüsse als „ordentliches Ergebnis“. Es sei in heutigen Zeiten ein gutes Signal, dass die Welt in der Lage sei, sich zu einigen, sagte Schulze. „Von deutscher Seite hätten wir uns eine deutlich stärkere Formulierung für die Abkehr von fossilen Energien gewünscht“, sagte Schulze zwar. Aber sie verstehe, dass viele Länder einen Übergang brauchten, weil dies auch eine soziale Herausforderung sei.

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra lobte die Beschlüsse der Weltklimakonferenz als Anfang vom Ende der fossilen Ära. Es sei ein Tag, an dem man sich darüber freuen könne, dass „die Menschheit endlich getan hat, was lange, lange überfällig war“, sagte der Chefverhandler der Europäischen Union.

Man habe 30 Jahre damit verbracht, „den Anfang vom Ende der fossilen Energien“ einzuleiten. Der Abschluss der Klimakonferenz sei ein Tag der Dankbarkeit und Zufriedenheit. „Denn wenn wir alle schon lange nicht mehr sind, müssen unsere Kinder und deren Kinder damit leben, was wir zurückgelassen haben, dem Guten und dem Schlechten.“ 

USA und China kündigen aktualisierte Strategie an

Der US-Klimabeauftragte John Kerry zeigte sich zwar zufrieden und dankbar über den Beschluss – doch hätte sich klarere Formulierungen im Abschlusstext gewünscht. Angesichts der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen sowie anderer Herausforderungen rund um den Globus seien die knapp 200 Staaten im Geiste des Multilateralismus zusammengekommen und hätten versucht, das Gemeinwohl zu definieren. „Das ist das Schwierigste in der Diplomatie. Es ist das Schwierigste in der Politik“, sagte er am Mittwoch in Dubai.

Kerry erinnerte an die Erkenntnisse der Wissenschaft: Um das 2015 in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmung zu halten, müssen die Menschheit dringend den Höhepunkt der Treibhausgasemissionen erreichen und sie bis 2030 um mindestens 43 Prozent und bis 2035 um 60 reduzieren.

Kerry kündigte zusammen mit der chinesischen Delegation an, dass beide Staaten ihre langfristigen Klimaschutzstrategien erneut aktualisieren wollen. China und die USA sind die beiden größten Verursacher klimaschädlicher Treibhausgase.

UN-Klimachef geht Beschluss nicht weit genug

UN-Klimachef Simon Stiell würdigte den Beschluss als Schritt in die richtige Richtung – der aber nicht ganz ausreiche. Das Treffen der knapp 200 Staaten habe ein Signal setzen müssen, um dem zentralen Klimaproblem der Menschheit ein hartes Stoppzeichen zu setzen, den fossilen Brennstoffen und deren Verschmutzung, die den Planeten verbrennt, sagte er am Mittwoch. „Auch wenn wir das Zeitalter der fossilen Brennstoffe in Dubai nicht beendet haben, ist dieses Ergebnis der Anfang vom Ende.“

Zugleich verwies er nach den hitzigen Debatten der vergangenen zwei Wochen auf die Schwierigkeit, unter allen Regierungen Konsens herzustellen. Alle Parteien müssten sich über jedes Wort, jedes Komma, jeden Punkt einigen. „Das ist nicht einfach, überhaupt nicht einfach.“

Tatsächlich unterstreiche dies, wie viel diese UN-Konferenzen in den letzten Jahrzehnten erreicht haben. „Ohne sie stünden uns eine Erderwärmung um fast fünf Grad bevor, ein klares Todesurteil für unsere Spezies.“ Derzeit steuere der Planet auf eine Erhitzung auf knapp drei Grad zu im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. „Dies bedeutet immer noch großes menschliches Leid, weshalb die COP28 noch einen Schritt hätte weiter gehen müssen.“

Inselstaaten fühlen sich „betrogen“

Noch mehr Kritik gibt es von den besonders vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Inselstaate. Sie fühlen sich beim Beschluss der Weltklimakonferenz übergangen. Eine Vertreterin Samoas sagte am Mittwoch vor dem Plenum in Dubai, die Gruppe der Inselstaaten habe sich noch koordinieren müssen und sei nicht rechtzeitig im Raum gewesen, um Stellung zu beziehen.

„Wir können nicht auf unsere Inseln zurückkehren mit der Botschaft, dass dieser Prozess uns betrogen hat“, sagte die Vertreterin Samoas. „Die Kurskorrektur, die wir brauchten, ist nicht erreicht worden.“

Im Plenarsaal in Dubai reagierten etliche Staatenvertreter und Delegierte mit langem Applaus und erhoben sich als Zeichen der Solidarität. Der Gastgeber Sultan Al-Dschaber bedankte sich für die Wortmeldung und kündigte an, darüber reflektieren zu wollen. Änderungen am Beschluss wurden jedoch nicht mehr erwartet.

Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz Neuer Entwurf enthält kein klares Aus für fossile Brennstoffe

Enthalten ist zudem das Ziel, die Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und das Tempo bei der Energieeffizienz in diesem Zeitraum zu verdoppeln. Die G20-Staaten hatten sich dies bereits vorgenommen. Außerdem ist die Rede von Verfahren zur Speicherung von CO₂ (CCS).

Die Betonung liegt hier aber auf den „schwer minderbaren Sektoren“, vor allem also der Industrie. Das lässt sich als eine Zusage etwa an die EU lesen, denn diese lehnt eine dominante Rolle von CCS-Technologien ab, aus Sorge, dass sie als Ablenkung beim Klimaschutz dienen.

Vorantreiben soll die Staatengemeinschaft auch den „Abbau des unverminderten Kohlestroms“. Damit bleibt für Länder wie China und Indien eine politische Hintertür offen, um theoretisch einen Teil ihrer Kohlekraftwerke beizubehalten. Direkt im Anschluss an die Energiemaßnahmen findet sich der Hinweis auf „Übergangsbrennstoffe“ und dass sie „eine Rolle in der Energiewende spielen und die Energiesicherheit garantieren“ können.

Klimaschützer:innen sehen in dem Begriff „Übergangsbrennstoffe“ eine bloße Umschreibung für Erdgas. Die Passage lässt sich als ein Zugeständnis werten an öl- und erdgasproduzierende Länder wie Saudi-Arabien, Russland und Iran. Insgesamt ist von der Handschrift dieser Staaten im vorläufigen Beschluss kaum noch etwas zu erkennen. (Tsp, dpa)

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