hier im Spiegel: Jochen Flasbarth auf der COP28 / Ein Interview von Susanne Götze, 10.12.2023,
Die diesjährige Klimakonferenz könnte eine der erfolgreichsten werden, sagt Jochen Flasbarth. Er verrät, wie seine Gespräche mit dem umstrittenen COP-Chef Al Jaber liefen und was er von Rufen hält, das Treffen abzuschaffen.
Jochen Flasbarth sitzt auf einem schattigen Hof auf dem Expo-Gelände in Dubai. Im Hintergrund plätschert ein Springbrunnen, auf glatt geschliffenen Steinbänken sitzen um ihn herum Delegationsmitglieder aus aller Welt mit ihren Laptops. Sie diskutieren über den Stand der Verhandlungen, bis zum offiziellen Ende der 28. Uno-Klimakonferenz 2023 (COP28) bleibt nur noch wenig Zeit.
SPIEGEL: Wir stehen drei Tage vor dem Abschluss der Uno-Klimakonferenz. Fast 200 Staaten ringen unter anderem um einen weltweiten Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Glauben Sie noch an einen Erfolg der Konferenz?
Flasbarth: Ja, da glaube ich fest dran. Es gibt gute Chancen, dass hier mehr rauskommt als bei früheren Konferenzen.
Jochen Flasbarth (SPD) hat viel Erfahrung bei der Aushandlung internationaler Umweltverträge. 2009 war er an den Vorbereitungen zur Biodiversitätskonvention beteiligt, als Staatssekretär im Bundesumweltministerium nahm er 2015 an den Verhandlungen zum Pariser Klimaabkommen teil. Die Unea-Konferenz in Nairobi hat er mit vorbereitet. 2022 wechselte er, zusammen mit seiner Ministerin Svenja Schulze, vom Bundesumweltministerium ins Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
SPIEGEL: Wo nehmen Sie Ihren Optimismus her?
Flasbarth: Wir hatten einen guten Start. Gleich zu Beginn haben wir es zusammen mit COP-Präsident Sultan Al Jaber geschafft, den Fonds zum Umgang mit Klimaschäden für besonders vom Klimawandel betroffene Länder ins Leben zu rufen. Das war ein wichtiges Signal für viele Entwicklungsländer. Sie fühlen sich endlich gehört. Das hat Vertrauen aufgebaut und das hält hier bei der COP bis jetzt an.
SPIEGEL: In den Verhandlungen soll ein enormer Druck herrschen, weil Öl produzierende Länder sich aggressiv gegen den zentralen Passus in der Abschlusserklärung stellen, aus fossilen Energien auszusteigen. Vertreter der Inselstaaten sollen in Tränen ausgebrochen sein und viele Länder empfanden es als Affront, dass das Gastgeberland, die Vereinigten Arabischen Emirate, parallel zum Gipfel ausgerechnet den russischen Präsidenten empfangen haben. Das hört sich nicht so harmonisch an.
Flasbarth: Natürlich geht es immer recht emotional zu, wenn sich fast 200 Länder mit all ihren Konflikten und Krisen an einem Ort treffen. Und natürlich gibt es ganz unterschiedliche Interessenlagen. Aber die Verhandlungen sind nicht so verfahren, wie ich es auf anderen Klimakonferenzen schon gesehen habe.
SPIEGEL: Der Generalsekretär der Organisation Erdöl exportierender Länder, Haitham Al-Ghais, warnt in einem geleakten Brief davor, einen Ausstieg aus fossilen Energien auf der COP festzuschreiben. Die OPEC hat immerhin13 Mitglieder plus etliche Alliierten wie Russland. Wenn das kein Gegenwind ist?
Flasbarth: Ich sehe das auch als gutes Zeichen. Wenn der Ausstieg aus den fossilen Energien nicht ernsthaft im Raum stehen würde, dann wäre so ein Brief überhaupt nicht erforderlich. Wir sehen hier das letzte Aufflackern der fossilen Welt. Natürlich gibt es da Widerstand. Viele Länder verstehen jetzt, dass ihr Geschäftsmodell gefährdet ist. Denken Sie an Deutschland: Dort ist die Kohle in den vergangenen 20 Jahren kein Geschäftsfeld im Sinne eines Exportschlagers gewesen, sondern eine Basis der Energieversorgung. Und obwohl wir als Industrieland die Möglichkeiten haben, uns umzustellen, war der Kohleausstieg in den betroffenen Regionen ein emotionales Thema. Warum sollte das in anderen Ländern anders sein? Offenbar rechnen die von fossilen Energien extrem abhängigen Länder damit, dass es auf dieser Klimakonferenz ernst wird.
»Das Allererste, das er zu mir gesagt hat, war:
Das wird die erfolgreichste COP aller Zeiten.«
SPIEGEL: Spüren Sie diese Panik auch in den Verhandlungsräumen?
Flasbarth: Viele sind jedenfalls überrascht, weil sie dem COP-Präsidenten nicht zugetraut haben, dass er das Thema ernsthaft verfolgt und zum Erfolg führen kann.
SPIEGEL: Vielleicht weil Sultan Al Jaber Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und gleichzeitig Chef des Ölkonzerns Adnoc ist? Noch dazu gab es in den ersten Tagen der Konferenz nach Medienberichten Zweifel, inwiefern er wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel anerkennt.
Flasbarth: Genau, offenbar hätte niemand gedacht, dass in einem Land, das dermaßen von fossilen Energien abhängig ist, ein entscheidender Beschluss gefasst werden könnte.
SPIEGEL: Noch ist die Konferenz nicht vorbei. Nehmen Sie Sultan Al Jaber seine Doppelrolle als Klimaretter und Ölkonzern-Chef wirklich ab?
Flasbarth: Ich habe Al Jaber bei unseren Gesprächen einmal gefragt, was sich in seiner neuen Rolle als Präsident der Uno-Klimaverhandlungen verändert hat. Schließlich kommt er aus einer ganz anderen Welt. Er sagte, es habe ihn überrascht hat, dass man ihm nicht zutraut, einen Erfolg für den Klimaschutz zu erreichen. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, Menschen einen gewissen Vertrauensvorschuss zu geben.
SPIEGEL: Sie haben ihn im Vorfeld des Gipfels getroffen, um den Fonds für die Verluste und Schäden für arme Länder mit ihm zu verhandeln. Welchen Eindruck hat er menschlich auf Sie gemacht?
Flasbarth: Wir sind schon sehr unterschiedlich, aber wir hatten erstaunlich gute Gespräche. Das liegt auch daran, dass er pragmatisch und ehrgeizig ist. Das Allererste, das er zu mir gesagt hat, war: Das wird die erfolgreichste COP aller Zeiten. Das war seine Begrüßung! Ein Zeichen, dass er einen Misserfolg auf jeden Fall verhindern will.
»Gerade wird von einigen Akteuren dermaßen vereinfacht und polarisiert,
dass es mich sprachlos macht.
Internationaler Klimaschutz ist im zentralen deutschen Interesse.«
SPIEGEL: Was müssen die Staaten beschließen, um die Konferenz zu einem Erfolg zu machen?
Flasbarth: Wir haben gleich am ersten Tag mit einem Erfolg zu Schäden und Verlusten begonnen. Das nächste große Brett ist ein substanzieller Beschluss, aus fossilen Brennstoffen auszusteigen. Wichtig ist aber auch, dass sich die Staaten verpflichten, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Das ist vielleicht ein sperriges Thema, rettet aber Menschenleben. Wenn diese drei Elemente hier beschlossen werden, dann würde Dubai zu den erfolgreichsten Klimakonferenzen gehören.
SPIEGEL: Noch blockieren einige Staaten wie Saudi-Arabien, aber auch China und Russland. Sie weigern sich, weiterhin, in Hilfsfonds für arme Länder einzuzahlen. Auch beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen tun sie sich schwer.
Flasbarth: Da benötigt man einen etwas längeren Atem. Für China und Saudi-Arabien muss der Beginn der Konferenz ein Schockmoment gewesen sein. Erstmals beteiligt sich mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Schwellenland an einem Uno-Klimafonds. Diese Länder stehen jetzt enorm unter Druck. Sie haben einen gewaltigen CO₂-Ausstoß und können sich nicht länger um Verantwortung drücken. Das spüren sie auf dieser COP ganz deutlich.
SPIEGEL: Auch die deutsche Delegation verhandelt in diesem Jahr wegen der Haushaltskrise unter erschwerten Bedingungen. Finanzminister Lindner hat erklärt, dass auch internationale Klimahilfen auf den Prüfstand müssen und rechtspopulistische Stimmen halten solche Hilfen für komplett überflüssig. Ärgert Sie das?
Flasbarth: Ich finde die Kritik in jeder Dimension falsch und in keiner Dimension richtig. Gerade wird von einigen Akteuren dermaßen vereinfacht und polarisiert, dass es mich sprachlos macht. Internationaler Klimaschutz ist im zentralen deutschen Interesse. Wir sind ein Hochtechnologieland und tief verwoben mit dem Weltmarkt. Wir können uns überhaupt nicht erlauben, uns zu isolieren. Mit der deutschen Klimafinanzierung stoßen wir die Energiewende und den Klimaschutz in anderen Ländern an. Entwicklungspolitik ist kein Almosen, sondern stärkt Deutschlands Einfluss in der Welt und die Fähigkeit, gemeinsam globale Probleme zu lösen. Der Klimawandel macht schließlich nicht an Grenzen halt, auch wir spüren die Auswirkungen in Deutschland.
SPIEGEL: Harte Kritik gibt es auch von der Klimabewegung. Viele von Fridays for Future halten den Uno-Klimaprozess für überflüssig und sinnlos. Was entgegnen Sie?
Flasbarth: Mir ist das zu platt. Man kann auf Klimakonferenzen viel kritisieren, die Positionen von einzelnen Ländern oder dass es zu langsam vorangeht. Aber alles über einen Kamm zu scheren und für sinnlos zu erklären, das führt zu nichts. Sicher, die Welt ist noch längst nicht auf Kurs. Dennoch will ich mir nicht vorstellen, wie die Welt heute aussähe ohne das zähe Aushandeln von Klimaschutzfortschritten auf den Klimakonferenzen.
SPIEGEL: Selbst wenn ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen im Abschlusstext steht: Wird das wirklich etwas verändern?
Flasbarth: Davon bin ich fest überzeugt. Nicht nur die Politik, sondern vor allem die Weltwirtschaft registrieren sehr wohl, wenn sich fast 200 Regierungen dafür aussprechen würden, künftig nicht mehr auf Öl, Erdgas und Kohle zu setzen. Da geht es um Investitionsentscheidungen für die nächsten Jahrzehnte. Auch in Deutschland sind viele Unternehmen schon weiter als manche Politiker.
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