Die Bürger wollen Naturschutz: Das ist ein Auftrag gerade an die Grünen
Die Grünen müssen nun ihre Art hinterfragen, wie sie Politik machen – aber auch andere Parteien müssen etwas erkennen.
Die Botschaft ist eindeutig: Den Baden-Württembergern muss niemand mit erhobenem Zeigefinger erklären, wie wichtig Klima-, Natur- und Umweltschutz sind.
Im Schwarzwald, am Bodensee, auf der Schwäbischen Alb und in Hohenlohe wissen die Menschen zwar schon seit Urzeiten, dass es ihnen selbst nur gut geht, wenn auch Wald und Vieh, Feldfrucht und Weide gedeihen und welche Folgen es hat, wenn Wetterereignisse und Temperaturen aus dem Lot geraten. Aber dass sie derzeit Jahr für Jahr neue Extreme verkraften müssen, hat dazu beigetragen, dass dieser Themenbereich für die Menschen trotz vieler anderweitiger Krisen ganz oben auf der Agenda steht.Und auch die Bevölkerung in den Städten weiß längst, was die Stunde auf der Klima- Uhr geschlagen hat. Die Menschen ziehen mit und nehmen in Kauf, dass im Gegenzug Abstriche an anderer Stelle gemacht werden müssen.
Die Grundstimmung hat sich verändert
Sicher lässt sich einwenden, dass solcherlei Umfragebekenntnisse wohlfeil sind und zumeist sozial erwünschte Antworten zu Tage bringen – solange es nicht konkret wird, das eigene Verhalten nicht grundlegend geändert werden muss und es vor allem nichts kostet. Dennoch ist unübersehbar, dass sich das gesellschaftliche Grundrauschen in Sachen Umwelt- und Naturschutz innerhalb der letzten Dekade grundlegend gewandelt hat. Für die Politik heißt das: Sie muss Inhalte und Umsetzungskonzepte liefern. Besser, schneller, verlässlicher, nachvollziehbarer.
Das gilt insbesondere für die Grünen, die von vielen Menschen nicht mehr nur als Öko- und Umweltpartei, sondern zunehmend auch als Gängelungs- und Bevormundungspartei wahrgenommen werden. Wenn die Menschen mitgenommen werden sollen, darf man sie nicht bevormunden, sondern muss Anreize und einen klaren Rahmen bieten. Der muss dann aber konsequent aufrechterhalten werden, auch gegen die Einflussnahme und Ausnahmeforderungen einzelner Interessensvertretungen – sonst, siehe Heizungsgesetzchaos, sind Verunsicherung und Ablehnung die Folgen.
Aber auch für andere Parteien, vor allem diejenigen, die ebenso lautstark wie ungerechtfertigt reklamieren, für „das Volk“ zu sprechen, muss klar sein: Die Zeiten haben sich geändert.
Südkurier hier Ulrike Bäuerlein
Der Umwelt- und Naturschutz spielt eine wichtige Rolle für Bürger im Südwesten. Das belegt der neue BaWü-Check. Im Umgang mit Wölfen ist man relativ entspannt, selbst für mehr Wohnraum würde man Artenschutz nicht opfern.
Haben zwölf Jahre grün geführte Regierung in Baden-Württemberg ihre Spuren hinterlassen? Oder tritt einfach durch die Kretschmann-grün-geführte Ära nur deutlicher zutage, was im Südwesten schon zu Zeiten der jahrzehntelangen CDU-Regierungen selbstverständlich war, selbst, als es die Grünen noch gar nicht gab – wie die CDU für sich reklamiert?
Der BaWü-Check, die repräsentative Umfrage der baden-württembergischen Tageszeitungen durch das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD), macht jedenfalls überraschend deutlich: Klima-, Umwelt- und Artenschutz sind den Menschen im Land enorm wichtig. Und sogar noch wichtiger als manches andere drängende Problem der Landespolitik, etwa der dramatische Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Zumindest so lange, wie sie nicht dafür bezahlen sollen. Aber auch dazu sind sie bereit, solange sie Tempo und Ausmaß selbst entscheiden können.......
Was der BaWü-Check am Beispiel Wolf ans Licht bringt, bestätigt sich aber auch in anderen Bereichen der Umfrage: Der Stellenwert für Umwelt- und Naturschutz im Land ist hoch. So hoch, dass dafür sogar in Kauf genommen wird, andere drängende Problembereiche hintenanzustellen. Durchaus überraschend: Den Naturschutz zu lockern, neue Flächen zu opfern, um etwa mehr Bauland auszuweisen und neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, lehnen sogar fast sechs von zehn Bürgern (59 Prozent) im Südwesten ausdrücklich ab.
Männer und Frauen ticken unterschiedlich
Und auch beim Artenschutz findet sich selbst nach jahrelangen Diskussionen über Sinn und Unsinn von sündhaft teuren Eidechsen-Umsiedlungen oder Juchtenkäfer-Schutzmaßnahmen im Rahmen von Stuttgart 21 keine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung dafür, größere Bauvorhaben auch dann durchzuziehen, wenn dadurch eine seltene Tierart oder der Lebensraum einer Tierart bedroht wird. Fast die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (46 Prozent) und mehr als ein Drittel der befragten Männer halten in solchen Fällen sogar einen Baustopp für richtig.
Stehen sich dagegen Maßnahmen von Klimaschutz einerseits und Artenschutz andererseits gegenüber, wie etwa beim Konflikt zwischen Windkraft und Landschafts- und Artenschutz, ist das Meinungsbild im Land nicht eindeutig, was darauf schließen lässt, dass beide Felder als gleichermaßen wichtig angesehen werden. Auffallend ist jedoch der große Geschlechterunterschied bei dieser Bewertung: Mehr als die Hälfte der Männer würde dem Ausbau von Wind- und Solaranlagen den Vorzug gegenüber dem Artenschutz geben, bei Frauen liegt die Mehrheit (44 Prozent) dagegen klar beim Arten- und Landschaftsschutz (31 Prozent).
Heizgesetzt hat Verwirrung gestiftet
Nur an einem Punkt verstehen die Menschen im Südwesten wenig Spaß: Wenn ihnen der Staat zu starre Vorgaben macht und Maßnahmen verlangt, die sie finanziell überfordern könnten. Was Heizen, Klimaschutz und Energieeffizienz beim Bauen betrifft, wünscht sich die Mehrheit (57 Prozent) einen Rahmen von der Politik, innerhalb dessen sie im eigenen Tempo Klimaschutz und Heizungsmodernisierung in den eigenen vier Wänden vorantreiben können.
Aber auch hier erstaunlich: Dass der Staat sich hier ganz heraushalten sollte, fordern nur 15 Prozent der Befragten – während fast doppelt so viele (28 Prozent) sich weniger Freiwilligkeit und ganz klare Vorgaben wünschten. Eine Mehrheit aber ist sich in einer Ansage an die Politik einig: Die Menschen sind verunsichert, was die Zukunft des Heizens betrifft – und ratlos, wie sie planen sollen
Schwäbische Zeitung hier 13.12.2023 Stefan Fuchs,
Der große BaWü-Check: So denkt der Südwesten über Klima- und Umweltschutz
Klima-, Umwelt- und Naturschutz sind den meisten Menschen in Baden-Württemberg weiter wichtig. Skepsis herrscht allerdings, was die Umsetzung angeht.
Aktuell sieht knapp jeder dritte Befragte im Bawü-Check den kommenden zwölf Monaten mit Hoffnungen entgegen. 27 Prozent blicken hingegen mit ausgeprägten Befürchtungen auf die Entwicklung der nächsten Monate, weitere 29 Prozent äußern sich skeptisch.
Damit liegt der Hoffnungsoptimismus über den Werten des vergangenen Jahres, als unter dem Eindruck von Krieg, Inflation und Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung der Anteil derer, die der Zukunft mit Hoffnungen entgegenblicken, auf 21 Prozent eingebrochen war.
Die Sorgen der Bevölkerung sind nicht kleiner geworden, aber viele haben sich an den Krisenmodus gewöhnt. Und so ist der Blick nach vorn zwar hoffnungsvoller als im Vorjahr, aber nur verhalten optimistisch. Das Ziel, den Klimaschutz durch den Umstieg auf erneuerbare Energien zu befördern, wird von der Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor unterstützt.
Zunehmend stellt sich jedoch die Sorge ein, dass die Politik die Menschen mit Vorgaben für das Heizen und eine bessere Energieeffizienz von Gebäuden finanziell überfordert. 57 Prozent der Befragten wünschen sich, dass die Politik lediglich einen Rahmen vorgibt, in dem die Bürger dann selbst entscheiden können, was sie konkret umsetzen.
Keine Lockerung des Naturschutzes für Bauland
Die Ergebnisse der aktuellen Befragung machen deutlich, dass die Bevölkerung skeptisch auf Pläne der Politik reagiert, bei denen sie das Gefühl hat, überfordert und eingeengt zu werden. Grundsätzlich genießt der Umwelt- und Naturschutz in der baden-württembergischen Bevölkerung jedoch einen sehr hohen Stellenwert, auch dann, wenn es um die Abwägung gegenüber anderen wichtigen politischen oder gesellschaftlichen Zielen geht.
So halten es lediglich 22 Prozent der Baden-Württemberger für richtig, den Naturschutz zu lockern, wenn dadurch schneller neues Bauland erschlossen und somit die Wohnungsnot gelindert werden kann. Fast sechs von zehn Bürgerinnen und Bürger sprechen sich ausdrücklich gegen die Lockerung des Naturschutzes aus, um dadurch die Erschließung von Bauland zu beschleunigen.
Bedenkt man, welch hohe Bedeutung die Bevölkerung derzeit der Schaffung von Wohnraum beimisst, ist dieser Rückhalt für den Naturschutz besonders bemerkenswert.
Geteiltes Stimmungsbild bei Baustopps
Ein geteiltes Stimmungsbild zeigen Männer und Frauen bei der Frage, ob man größere Bauvorhaben stoppen sollte, wenn durch den Bau eine seltene Tierart oder der Lebensraum einer Tierart bedroht wird: 46 Prozent der Frauen, aber nur 36 Prozent der Männer halten einen Baustopp für richtig, wenn dadurch eine seltene Tierart geschützt werden kann.
Umgekehrt halten es 48 Prozent der Männer, aber nur 27 Prozent der Frauen für übertrieben, deswegen ein größeres Bauvorhaben zu stoppen.
Im Urteil der baden-württembergischen Gesamtbevölkerung heben sich die gegensätzlichen Positionen der Geschlechter weitgehend auf. Insgesamt sind die Befürworter eines Baustopps für den Schutz einer seltenen Tierart mit 42 Prozent leicht in der Mehrheit, während 37 Prozent ein solches Vorgehen übertrieben finden.
Stellt man den Artenschutz dem Ausbau Erneuerbarer Energien gegenüber, ergibt sich ebenfalls ein geteiltes Bild. 41 Prozent räumen dem Ausbau Vorrang ein, 38 Prozent dem Artenschutz.
Großer Rückhalt für Nationalpark Schwarzwald
Dass der baden-württembergischen Bevölkerung der Schutz von Tieren und Pflanzen ganz generell wichtig ist, zeigt das weit überwiegend positive Meinungsbild zum Nationalpark Schwarzwald: 80 Prozent halten es grundsätzlich für wichtig, dass es zum Erhalt der Artenvielfalt einen Nationalpark im Schwarzwald gibt.
Nur neun Prozent finden das nicht so wichtig und teilen die Überzeugung, dass Tiere und Pflanzen auch ohne einen Nationalpark ausreichend geschützt sind. In dieser Frage sind sich Frauen und Männer auch weitgehend einig: Von der männlichen Bevölkerung halten 78 Prozent einen Nationalpark in Baden-Württemberg für wichtig, von der weiblichen Bevölkerung 81 Prozent.
Durchgängig zeigen die Ergebnisse, dass der Natur- und Umweltschutz für Männer und Frauen gleichermaßen große Bedeutung hat. Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen sich erst da, wo der Naturschutz in Konkurrenz zu anderen politischen Zielen rückt......
Das ist der BaWü-Check
Wie zufrieden sind die Menschen in Baden-Württemberg mit der Arbeit der Landesregierung? Werden die richtigen Schwerpunkte gesetzt, wo wird nur geredet, wo wird gehandelt? Das wollten die Tageszeitungen in Baden-Württemberg in ihrer gemeinsamen Umfrage, dem BaWü-Check, genauer wissen und arbeiteten dafür mit dem Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) zusammen.
Das IfD befragt einmal im Monat im Auftrag der Tageszeitungen mehr als 1000 Menschen im Land, um repräsentative Ergebnisse zu erhalten. Das IfD gehört zu den namhaftesten Umfrage-Instituten Deutschlands, auf den Rat der IfD-Chefin Renate Köcher greifen Vorstandsvorsitzende, Regierungschefs und Verbände zurück.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen