Sonntag, 10. Dezember 2023

Treppchen unbesetzt - Deutschland auf Platz 14: So schneiden die Länder im Klima-Ranking ab

 Focus hier  9.12.23

Ein zwiespältiges Bild zeichnet der Klimaschutz-Index 2024, der heute bei der Weltklimakonferenz in Dubai veröffentlicht wurde. Einem Boom beim Ausbau der Erneuerbaren Energien steht eine Verschlechterung der Klimapolitik in vielen Ländern gegenüber. Auch Deutschland könnte besser dastehen.

Der Klimaschutz-Index von Germanwatch und dem NewClimate Institute stellt die Anstrengungen von ausgewählten Industrie- und Schwellenländern sowie der EU zur Bekämpfung des Klimawandels dar. Seit 2005 erscheint jährlich eine Rangliste, die in diesem Jahr 63 Staaten plus der EU umfasst. Sie sind zusammen für mehr als 90 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Neu im Index sind Nigeria, Pakistan, Usbekistan und COP-Gastgeber Vereinigte Arabische Emirate. Bewertet wird in Kategorien Treibhausgasemissionen (40 Prozent), Erneuerbare Energien (20 Prozent), Energieverbrauch (20 Prozent) und Klimapolitik (20 Prozent). 450 Expertinnen und Experten haben an dem Klimaschutz-Index 2024 mit gearbeitet.  

Erneuerbare Energien weltweit im Aufwind – CO2-Emissionen dennoch auf Höchststand

Verbesserungen sieht der Bericht weltweit in den Erneuerbaren Energien. Fast alle großen Volkswirtschaften setzen auf Sonne, Wind und Wasserkraft, heißt es in dem Bericht. Der Anstieg müsste jedoch exponentiell weitergehen, um die fossilen Energieträger Öl, Kohle und Gas weiter zurückzudrängen, die einen wesentlichen Anteil daran haben, dass der Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 weltweit auf einem Höchststand liegt. Das Fazit der Umweltorganisationen: Die Welt ist den Zielen der Weltklimakonferenz in Paris nicht entscheidend näher gekommen. In Paris hatte sich die Staatengemeinschaft im Jahr 2015 erstmals völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Der Temperatureinstieg sollte unter 1,5 Grad bleiben, um die absehbar verheerenden Folgen des Klimawandels zu begrenzen. Doch nach dem aktuellen Bericht des EU-Klimawandeldienstes lag die globale Erwärmung bereits bei durchschnittlich 1,46 Grad im Jahr 2023 - also sehr nahe an dem 1,5-Grad-Ziel.

Klimapolitik nicht ambitioniert genug

Den Grund für die wenig erfolgreiche Bilanz sehen die Autorinnen und Autoren des Berichtes darin, dass die Klimapolitik der meisten Staaten nicht „ambitioniert genug“ ist. „Die Regierungen setzten weniger klimapolitische Maßnahmen um und müssen viele Krisen gleichzeitig lösen“, heißt es in dem Bericht, der FOCUS online Earth vorliegt. Erstmals könne in der Klimapolitik kein einziges Land mit „gut“ bewertet werden. „Selbst Staaten mit eher besserer Klimapolitik wie Dänemark scheinen heute weiter vom Erreichen der Pariser Klimaziele entfernt zu sein als in den vergangenen Jahren“, sagt Niklas Höhne vom NewClimate Institute, Co-Autor des Klimaschutz-Index. Höhne warnt: „Wir kommen in eine entscheidende Phase: Die Emissionen müssen bis 2030 nahezu halbiert werden, um eine Eskalation der Klimakrise zu vermeiden.“

Von der Halbierung ist die Welt entfernt, wie ein aktueller Bericht internationaler Forscher zum globalen Kohlenstoffbudget zeigt: Die weltweiten CO2-Emissionen durch fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas werden in diesem Jahr einen neunen Höchststand erreichen. Besonders in Indien und China steigen die Emissionen deutlich. Auf der Weltklimakonferenz in Dubai fordern rund 100 Staaten, darunter auch Deutschland, einen Ausstieg aus den fossilen Energien. Länder wie Saudi-Arabien blockieren eine Einigung bei den Verhandlungen. Eine Abschlusserklärung muss einstimmig angenommen werden, dementsprechend gehört der fossile Ausstieg zum größten Streitpunkt. Niklas Höhne vom NewClimate Institut fordert daher einen „Notfallmodus“, zu dem die 63 Staaten und die EU, die in dem Klimaschutzindex betrachtet werden, einen „entscheidenden Beitrag leisten müssen“.

Nötig seien bindende Beschlüsse, um die Kapazität der Erneuerbaren Energien bis 2030 global zu verdreifachen, die Energieeffizienz zu verdoppeln und zeitgleich die Treibhausgas-Emissionen um die Hälfte zu reduzieren. Genau dies forderte Bundeskanzler Olaf Scholz in Dubai. Bei der Forderung soll es aber nicht bleiben: „Die Beschlüsse müssen von den Staaten aber auch umgesetzt werden“, sagt Jan Burck von Germanwatch, Co-Autor und Entwickler des Klimaschutz-Indexes.

Deutschland: Erneuerbare Energien gut, Verkehrspolitik schwach

In Deutschland sieht Burck noch Verbesserungspotenzial. Die Bundesrepublik liegt in der Gesamtkategorie „Erneuerbare Energien“ auf Platz 29 von 63 Staaten. Eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr um zwei Plätze. Insgesamt kommt Deutschland nach der Bewertung aller Kategorien auf Platz 14 weltweit; unter den EU-Staaten ist die Bundesrepublik Sechster. Positiv bewerten die Experten des Klimaschutz-Indexes vor allem die Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Schwach sei hingegen die Verkehrspolitik, bei der die Bundesregierung ebenso wie im Gebäudesektor ihre Klimaziele verfehlt, wie vor wenigen Monaten auch der Expertenrat der Bundesregierung festgestellt hat. Auch das Gebäudeenergiegesetz sei kein Ruhmesblatt gewesen, so die Ergebnisse des Klimaschutz-Indexes 2024.

Estland und die Philippinen Spitzenreiter

Spitzenreiter im Ranking sind die Aufsteiger Estland (Platz 5), die Philippinen (Platz 6) und die Niederlande (Platz 8). Estland und die Philippinen schnitten vor allem bei den Erneuerbaren Energien und der Klimapolitik gut ab. Weit vorne liegt noch immer Dänemark als Vierter. Keiner der untersuchten Staaten liegt indes auf dem 1,5 Grad-Pfad, sagt die Studie. Deswegen bleiben die ersten drei Plätze leer.

Zu den größten Aufsteigern des Jahres zählt Brasilien , das sich von Platz 38 auf 23 verbesserte. Einen großen Anteil daran hat die Klimapolitik des neuen Präsidenten Lula, der die Abholzung des Regenwaldes eindämmt, die sein Vorgänger Jair Bolsonaro auf die Spitze getrieben hat. Allerdings baut Brasilien gleichzeitig die Produktion von Kohle, Öl und Gas aus und könnte dadurch seine eigenen Klimaziele verfehlen.

Deutliche Absteiger bei den Klimaschutzmaßnahmen sind Italien und Großbritannien . Die Briten stürzten bei der Bewertung der nationalen Klimapolitik um 28 Plätze ab. Thea Ulrich von Germanwatch sieht den Grund für den Absturz Großbritanniens, das zuletzt immer zu den Bestplatzierten im Klimaschutz-Index gehörte, in der Klima-Wende des neuen Premiers Sunak: Er habe Teile der ambitionierten Klimapolitik abgeschwächt und will nun zudem die Kohle- und Ölförderung ausbauen. Auch bei den Erneuerbaren Energien schneide Großbritannien „schwach“ ab.

Gastgeber der Weltklimakonferenz gehört zu den Schlusslichtern

EU-Schlusslicht ist Polen , das in der Gesamtbewertung auf Platz 55 unter 63 Ländern kommt und als einziges EU-Land in der Gesamtwertung in der Gruppe „sehr schwach“ rangiert. Die Expertinnen und Experten hoffen aber auf einer Wende durch die voraussichtlich neue Regierung. Weit hinten rangieren auch Tschechien (52.), Ungarn (49.), Bulgarien (46.) und Italien , das um 30 Plätze auf Rang 44 abgestürzt ist.

Unter den G20-Staaten, die für rund 80 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind, liegen nur Indien (7.), Deutschland und die EU im oberen Bereich. „Schwach“ schneiden nach wie vor die größten Emittenten China (51.) und die USA (57.) ab. Bei den USA loben die Expertinnen und Experten indes die klimapolitische Wirkung des „Inflation Reduction Act“ des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, der zu „deutlich größeren Investitionen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz“ geführt habe.

China gehört bei den Erneuerbaren Energien zur Spitzengruppe. Bei der Wind- und Solarenergie sowie beim Verkauf von E-Autos übertrifft das Land der Mitte seine eigenen ambitionierten Ziele. Als mengenmäßig größter Emittent von CO2 schneidet China jedoch bei den Emissionen und beim Energieverbrauch sehr schwach ab.  

Der Gastgeber der Weltklimakonferenz, die Vereinigten Arabischen Emirate , haben bei der Klimapolitik offenbar großen Nachholbedarf. Der Golfstaat belegt den drittletzten Platz. Der Grund hierfür seien die hohen Pro-Kopf-Emissionen, die bei 26 Tonnen liegen, sowie der Anteil von weniger als einem Prozent erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch. Auf dem vorletzten und letzten Platz liegen mit dem Iran (Platz 66) und Saudi-Arabien (Platz 67) zwei weitere Ölstaaten.

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