Mittwoch, 13. Dezember 2023

COP28 in Dubai: Kommentare

hier  Zeit Ein Kommentar von Alexandra Endres  13. Dezember 2023

COP28 in Dubai: Klimarettung verfehlt, Katastrophe verhindert

Keine Überraschung im Öl-Emirat? Nicht ganz: Der Weltklimagipfel scheitert zwar am klaren Aus für Kohle, Öl und Gas. Aber die COP28 war erfolgreicher, als viele denken.

Klimaschützer und die Wissenschaft kann das Ergebnis dieses Gipfels nicht zufriedenstellen. Der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas wurde in Dubai nicht beschlossen – anders, als es erste Textentwürfe vorübergehend hoffen ließen. Die Abschlusserklärung enthält Schlupflöcher.

Der Text erkennt zum Beispiel die Rolle von "Übergangsbrennstoffen" für den klimafreundlichen Umbau der Weltwirtschaft an. Damit dürfte Gas gemeint sein. Und er verweist ausdrücklich auf Technologien wie CCS und CCUS, mit denen aber nur sehr kleine Mengen CO₂ aus der Atmosphäre eingefangen werden können. Zumindest wird im gleichen Atemzug eingeschränkt, diese sollten "insbesondere dort zum Einsatz kommen, wo die Emissionen schwer zu mindern sind". Gerade der fossilen Industrie dürfte das gefallen.

Trotzdem war diese COP28, die Konferenz für das Klima, ein Erfolg – vielleicht der größte, der angesichts der Machtverhältnisse in Dubai erreichbar war.

Das Klima hat auch dieser Gipfel nicht gerettet

Die kolumbianische Umweltministerin Susana Muhamad formulierte es im Plenum so: Was in Dubai beschlossen wurde, spiegle die politische Realität im Raum wider. Nicht das, was fürs Klima nötig gewesen wäre. Kolumbien selbst will sich von Kohle, Öl und Gas verabschieden. Um den Übergang zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft zu schaffen, wird das Land internationale finanzielle Unterstützung brauchen. Doch auch da brachte der Klimagipfel von Dubai wenig Konkretes. Die Finanzdebatte soll auf den UN-Klimatreffen im kommenden Jahr geführt werden.  

Das Klima hat also auch dieser Gipfel nicht gerettet, aber dennoch wurde auf dieser Konferenz der Abschied der Welt von Kohle, Öl und Gas eingeläutet. Und das ist ein entscheidender Fortschritt. Nie zuvor sind die fossilen Brennstoffe zusammengenommen im Abschlussdokument einer UN-Klimakonferenz genannt worden. Nun ist zwar nicht von einem Ausstieg die Rede, sondern nur von einem "Übergang weg von fossilen Brennstoffen". Aber die Richtung ist eindeutig. Erneuerbare Energien sollen verdreifacht, die Energieeffizienz verdoppelt werden. Und noch etwas fällt auf: Der Beschluss nimmt direkten Bezug auf die Forschungsergebnisse des Weltklimarats und er stellt klar, dass die Emissionen schnell, tiefgreifend und nachhaltig sinken müssen, damit 1,5 Grad in Reichweite bleiben.  

Damit ist klar, wohin die Reise geht. Eine Zukunft, in der die Welt weiterhin so viel Öl, Gas und Kohle verbrennt wie jetzt, ist nicht mehr denkbar. Das haben alle Staaten damit offiziell anerkannt.

Dass hier in Dubai der komplette Ausstieg beschlossen würde, war ohnehin wenig wahrscheinlich. Nicht nur weil der Gipfel in einem Ölstaat stattfand und der COP-Präsident zugleich dem staatseigenen Ölkonzern vorsteht, sondern vor allem, weil die Entscheidungen auf UN-Klimagipfeln im Konsens gefällt werden müssen. Das bedeutet, dass am Ende niemand laut widersprechen darf, auch nicht Staaten wie Saudi-Arabien. Traditionell ist das Land, das von seinen enormen Ölreserven lebt, einer der größten Bremser auf diesen Konferenzen. In Dubai war die Gegenwehr der Ölindustrie gegen ehrgeizige Beschlüsse spürbar groß. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass die Ölstaatschefs und Konzernlenker merken: Wenn sie ihr Geschäft nicht verändern, könnte es ihnen so langsam an die wirtschaftliche Existenz gehen.

Auf der COP28 hatten, wie aus Verhandlungskreisen mehrfach zu hören war, erneut die arabischen Staaten lange den Fortschritt blockiert. Dafür wählten sie zunächst strategisch geschickt einen Nebenschauplatz und hielten die Gespräche zu einem globalen Klima-Anpassungsziel so lange auf, dass am Ende für die inhaltliche Arbeit am Text kaum noch Zeit blieb. Entsprechend mager fällt jetzt das Anpassungsergebnis der COP aus. Es geriet in Dubai schlicht unter die Räder. 

Wie man hört, soll Saudi-Arabien auch maßgeblich an dem Textentwurf beteiligt gewesen sein, der am Montag veröffentlicht wurde. Dieser war so verwässert, dass Deutschland, die EU und andere das Papier als "inakzeptabel" bezeichneten.

Nur der Anfang vom fossilen Ausstieg

Am Ende fand man mit dem "Übergang weg von fossilen Brennstoffen" noch eine Sprache, die gesichtswahrend für alle Seiten ist. Umso größer war die Erleichterung im Plenum und auf den Gängen, als der Vorschlag am Mittwochvormittag angenommen wurde. Der US-Klimagesandte John Kerry wertete es schon als Erfolg, dass die Staaten der Welt sich in Zeiten von Krieg und geopolitischen Spannungen überhaupt auf einen gemeinsamen Klimabeschluss einigen konnten.

In der Debatte nach der COP-Abschlusserklärung wurde schnell klar: Die politische Diskussion über den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas hat hier erst angefangen. Aus der deutschen Delegation hieß es etwa, es herrsche "große Freude" darüber, dass die Welt das Ende des fossilen Zeitalters eingeläutet habe. Der Text sei "nur ein Anfang", sagte Außenministerin Annalena Baerbock im Plenum. Auf den kommenden Konferenzen und in den vielen Arbeitstreffen dazwischen wird es weitergehen.

Das ist nämlich entscheidend, damit der fossile Ausstieg gelingt: Weil die Abschlusserklärung von Dubai keine klaren Regeln dafür aufstellt, müssen möglichst viele Staaten mitmachen und sich von Kohle, Öl und Gas verabschieden. Und viele Staaten, unter ihnen Deutschland, haben damit längst begonnen. Die Erneuerbaren sind inzwischen oft günstiger als der Ausbau fossiler Energiequellen, die Wirtschaft spürt den Druck, klimafreundlich zu investieren, und die Emissionen steigen zwar immer noch – aber ihr Anstieg hat sich immerhin verlangsamt.

2024 wird die internationale Klimafinanzierung im Mittelpunkt stehen – auf dem nächsten Klimagipfel in Baku, im ebenfalls ölreichen Aserbaidschan, davor und danach. Denn um ihre Energieversorgung klimafreundlich umzubauen und sich an die Auswirkungen der Erderwärmung anzupassen, brauchen ärmere Staaten jetzt vor allem Geld.

Der Abschied von der alten Welt wurde in Dubai vielleicht leiser eingeläutet als erhofft. Aber das Signal wurde klar vernommen.


hier Tagesspiegel  Artikel von Sinan Reçber  • 13.12.23

„Abkehr“ von Kohle, Öl und Erdgas: Jetzt heißt es in Erneuerbare investieren – oder untergehen

Die Staatengemeinschaft kehrt fossilen Brennstoffen den Rücken. Einige werden den Wandel blockieren, denn der Kampf um die Zukunft der Energieträger hat erst begonnen.

COP28-Präsident Sultan Al Jaber hat die Klimaverhandlungen maßgeblich verantwortet – und ist Ölboss des staatlichen Konzerns in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die Menschheit läutet das Ende der fossilen Ära ein – endlich. Damit nimmt die Weltgemeinschaft eine überfällige Kurskorrektur vor, um die globale Erwärmung langfristig auf 1,5 Grad begrenzen zu können.

Der Beschluss auf der Klimakonferenz COP28 in Dubai ist ein klimapolitischer Wendepunkt: Selbst Petrostaaten wie Saudi-Arabien, Russland und Iran mussten auf Druck der restlichen Länder ihre Blockadehaltung aufgeben und zustimmen.

Ist das nicht ein kleines Wunder? Schließlich hängt das Überleben dieser repressiven Regime auch von den sprudelnden Einnahmen aus dem fossilen Geschäftsmodell ab. Argumentativ scheint die Schlacht damit auch auf der Weltbühne geschlagen. Es geht nur noch um Fristen, Mengen, Umsetzungsfragen. Gab und gibt es irgendein anderes Thema, zu dem ein globaler Konsens mit derartiger Tragweite herbeigeführt wurde? Wohl kaum.

Und trotzdem geben sich einige Klimaschützer enttäuscht: Im Kompromiss sei nur noch von einer „Abkehr“ von den fossilen Brennstoffen die Rede, nicht aber von einem „Ausstieg“. Wichtig ist die Botschaft, und die bleibt unüberhörbar: Kohle, Öl und Erdgas gehören im Großen und Ganzen der Vergangenheit an.


Handelszeitung hier Artikel von Fabienne Kinzelmann  • 13.12.23

Der Anfang vom Ende der fossilen Welt

Der neue Klimaplan geht weniger weit als erhofft. Trotzdem ist er historisch.

Was sich in Dubai in den letzten zwei Wochen abspielte, war ein Klima-Krimi. Bis der Abschlusstext der UN-Weltklimakonferenz COP 28 stand, gab es zahlreiche Kniffe und Wendungen. Erstmals einigten sich die 200 Staaten auf eine globale Abkehr von Öl, Kohle und Gas. Es ist nicht der von vielen Ländern erhoffte komplette Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, aber ein vielversprechender Anfang. Dazu kommen die Einrichtung des Verlusts- und Schadensfonds, eine geplante Verdreifachung der erneuerbaren Energien und das Eindämmen von Methanemissionen. Um die Bedeutung dieses Dokuments zu begreifen, muss man sehen, was die UN-Weltklimakonferenz leisten kann, was die Formulierung bedeutet – und wie lange der Weg zu diesem Kompromiss war.

Seit 1995 findet der jährliche Klimagipfel der Weltgemeinschaft statt. Er ist dafür da, das Bewusstsein für die Klimakrise zu schärfen, einen möglichst weltweiten Konsens für den Umgang damit zu finden und Finanzmittel zu mobilisieren. Schon oft stand die Konferenz kurz vor dem Scheitern, die Verhandlungen verlängerten sich um Tage, manche der Gipfeltreffen blieben bedeutungslos. Andere brachten echte Durchbrüche wie das Pariser Klimaabkommen 2015, mit welchem sich die Weltgemeinschaft schwor, die Erderwärmung auf 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen – ein messbares Ziel, das später sogar auf 1,5 Grad verschärft wurde. 

Der diesjährige Gastgeber Sultan al-Jaber, hauptberuflich Chef der nationalen Ölgesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, hatte den Ehrgeiz, etwas ähnlich Grosses hervorzubringen. Das Misstrauen war zu Recht gross. Ausgerechnet ein Ölboss sollte diesmal – im heissesten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen – die Brücke zwischen den Staaten und ihren unterschiedlichen Interessen schlagen: den Ölproduzenten, den Entwicklungsländern, dem Westen und jenen schon heute besonders von der Klimakrise betroffenen Ländern wie Inselstaaten. Bei all den unterschiedlichen Perspektiven und Interessen einen Konsens zu finden, ist eine Herkulesaufgabe. Die Lösung der Klimakrise ist eben nicht schwarz-weiss.

Zwar ist das weltweite Klimaziel in Gefahr und es ist unbestritten, dass die fossilen Energien der Haupttreiber der Erderwärmung sind. Doch es gibt etwa durchaus gute Argumente für eine (vorläufige) Ausweitung der Ölproduktion in den Golfstaaten, die eine relativ geringe Emissionsintensität aufweist, um CO2-intensivere Energiequellen wie das Schiefergas in den Vereinigten Staaten oder kanadischen Ölsand schneller aufzugeben. 

Zudem sind die Anreize für konsequente Massnahmen gering: Die Kosten dafür liegen erstmal bei den einzelnen Ländern, profitieren tut die Welt. Dass sich bei der diesjährigen COP in Dubai aber neben den Staats- und Regierungschefs auch die CEOs der grossen Banken und Wirtschaftsführende die Klinke in die Hand gaben, ist ein gutes Zeichen. Die Welt hat flächendeckend erkannt, dass sie etwas gegen die Klimakrise unternehmen muss. Ex-US-Vizepräsident Al Gore sprach bei einem Nebenevent von einem «positiven politischen Kipppunkt». 

Der Abschlusstext der COP 28, über den bis in die frühen Morgenstunden des Mittwochs gerungen wurde, ist Ausdruck dieser fast drei Jahrzehnte langen Entwicklung. Der Kompromiss lautet, dass es Ölproduzenten und Entwicklungsländern freisteht, ihren eigenen Weg zu Netto-null-Emissionen zu gehen. Diese Formulierung ist der Anfang vom Ende der alten, von den fossilen Energien abhängigen Welt, wie wir sie kennen. Der Klimagipfel brachte vielleicht nicht den erhofften kompletten Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas. Aber er ist ein historischer Konsens, der die Regierungen, die politischen Massnahmen und die Finanzströme wieder ein Stückchen weiter in Richtung des 1,5-Grad-Ziels treibt. Und der diese COP zur bedeutendsten seit dem Pariser Klimaabkommen macht. 

Ist die Einigung in den Vereinigten Arabischen Emiraten das Ende der fossilen Geschichte im Sinne der Pariser Klimaziele? Das zu glauben, wäre naiv. Vielmehr fängt der Kampf um die Zukunft der Energieträger erst an. Und es steht für sehr viele Staaten sehr viel auf dem Spiel.

Die CO₂-Speicherung wird sich als teuer und unausgereift herausstellen

Daran, wie der Konflikt verlaufen wird, bestehen wenig Zweifel: Vertreter der fossilen Interessen werden zunächst den Schock über diesen Beschluss verdauen müssen. Dann werden sie versuchen, ihre Pfründe zu sichern sowie weiter Öl und Gas zu fördern und verbrennen zu lassen.

Einen Vorwand dafür liefert ihnen vorerst der fromme Verweis der Dubaier Erklärung auf Technologien zur Abscheidung und -Speicherung von CO₂. Diese sogenannten CCS-Technologien werden darin als klimaschonende Lösungen ausgewiesen – neben den erneuerbaren Energien und der Atomkraft.

Das bedeutet: Blockierer des Klimaschutzes erhalten offiziell grünes Licht, ihre Emissionen durch die Verbrennung fossiler Energien aufzufangen, im Boden zu verpressen und zu speichern. In der Praxis jedoch wird sich schnell zeigen, dass diese CCS-Technologien unvereinbar sind mit einer wettbewerbsfähigen und klimaschonenden Energieerzeugung.

Die ökonomische Realität wird damit eine entscheidende Erzählung der fossilen Industrie als irrwitziges Lügenmärchen entlarven – und sollte ihre Vertreter zum Einlenken bewegen. Kein Konzern wird absehbar ernsthaft investieren, um Emissionen aus der Ölförderung oder der Kohleverbrennung im großen Stil abzufangen.

Stattdessen werden sie und die von ihnen abhängigen Staaten auf günstigere Wind- und Solarenergie umschwenken müssen – oder untergehen. Deshalb ist das Adeln der CO₂-Abscheidung als klimaschonende Technologie in der COP28-Erklärung ein Makel. Der Verweis auf CCS ist ein winziges Zugeständnis an die fossilen Mächte – aber auch nicht mehr.

Jetzt braucht es entschlossene Unterstützung

Einige Konzerne werden nach dieser wegweisenden Einigung den Wandel verzögern und sabotieren wollen – ebenso wie eine beratungsresistente Minderheit von Nationen. Doch der Rest der Welt muss unerschütterlich vorangehen beim Klimaschutz: nicht nur der Westen, sondern auch China, Indien und Indonesien. Dass in Dubai die Einigung mit diesen Schwellenländern gelungen ist, zeigt: Die Bereitschaft für den Wandel ist auch dort zu spüren – selbst wenn diese Länder etwas mehr Zeit benötigen als Europa.

Ein weiteres Vorhaben, das nun in den Emiraten beschlossen wurde, wird die Welt dem 1,5-Grad-Ziel deutlich näher bringen. Nämlich die erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienz massiv zu steigern. Doch Vorhaben wie diese sind keineswegs Selbstläufer. Ihr Erfolg hängt davon ab, dass Industrieländer die Energiewende und die Klimaanpassung in den ärmeren Staaten entschieden unterstützen – auf vielfältige Weise.

Eine entscheidende Säule ist das Engagement für die Reform des internationalen Finanzsystems im Sinne des Klimaschutzes. Dabei müssen wohlhabende Länder auch Mittel bereitstellen – zum Beispiel Exportkreditgarantien –, um Energieprojekte in wenig entwickelten Ländern abzusichern und ihnen einen Schub zu geben.

Diese internationale Unterstützung muss einem Zweck dienen: dass Unternehmen auch in Afrika, Südostasien oder Lateinamerika die nötigen Solaranlagen, Windräder und Stromnetze bauen. Bis 2030 müssen die jährlichen Klimainvestitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern auf das Vierfache des jetzigen Niveaus anwachsen – also auf 2,4 Billionen Dollar.

Nur dann kann es der Menschheit gelingen, den Klimawandel einzudämmen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Klimadiplomatie hat die Weltgemeinschaft auch offiziell festgehalten, was ohne entschiedene Gegenmaßnahmen droht: Eine Erwärmung um bis zu 2,8 Grad. Das wäre der direkte Weg in die Klimahölle.

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