Freitag, 15. Dezember 2023

Wo zwei Lastenräder einen Lkw ersetzen

Auch das fühlt sich nach einer Chance an, weil es am Ende eben doch lohnend ist!
Das gibt mir die Zuversicht, dass es sich durchsetzen kann in unseren Städten.

hier  Manager Magazin  Von Lutz Reiche  08.12.2023,

Nachhaltiger Transport 

Städte engen den Raum für Autos ein, wollen so den CO₂-Ausstoß reduzieren. Das betrifft auch den Lieferverkehr – Zusteller, Handwerker und Logistiker müssen umdenken. Cargo Cycle baut die weltweit größten Schwerlasträder und ist damit bestens im Geschäft: Zwei Lastenräder ersetzen einen 7,5-Tonner.

....Vor uns steht der "Nanuk Megaliner". "Grüner Transport. Mit Muskeln und Strom" steht auf der Plane des Lastenrades. "Eines der größten weltweit", versichert Rusche. ...Weil es gerade etwa einen Meter breit ist, darf es deshalb auch überall fahren, wo Fahrräder erlaubt sind. Auf der Ladefläche ist Platz für drei Euro-3-Paletten in Reihe.

links: Wendiges Monster-Bike: Der "Nanuk Megaliner" misst rund sieben Meter und hat einen Wendekreis von 2,7 Meter. Das elektrische Schwerlastenrad kann 500 Kilogramm oder knapp vier Kubikmeter Ladung aufnehmen und kostet netto 27.000 Euro.

Zwei Mega-Lastenräder ersetzen einen 7,5 Tonnen schweren Lkw im Stadtverkehr

Rusche hat das riesige Lastenrad konstruiert und gebaut, in Kürze nimmt das Vierte in Hamburg seinen Dienst auf. Zwei davon bewegt Cargo Cycle im Auftrag seines Kunden DB Schenker in Hamburg, ein weiteres betreibt die internationale Spedition in Coburg mit einem eigenen Fahrer. Auch für den Logistikdienstleister Dachser fährt Cargo Cycle in Hamburg – auf der letzten Meile ersetzten dabei zwei "Megaliner" einen 7,5 Tonnen schweren Lastkraftwagen. In Belgien hat die Logistikgruppe Ziegler zwei "Megaliner" im Einsatz. Weitere Logistikunternehmen hätten nachgefragt. Eines in Wiesbaden etwa will künftig Ikea-Möbel mit dem "Megaliner" ausfahren, weil es in Tests festgestellt habe, dass sich zu bestimmten Zeiten auf diese Weise "viel mehr" Kunden beliefern ließen als mit einem Transporter.

Cargo Cycle stellt das Schwerlastenrad nach wie vor her und tüftelt ständig an Verbesserungen. Rund 27.000 Euro netto kostet der "Megaliner" samt Akku und Plane. Die Produktion kleinerer Lastenräder hat das Logistik-Start-up hingegen eingestellt. Über das Auftragspolster spricht Rusche nicht so gern – aus Wettbewerbsgründen......

Lastenräder könnten jeden zweiten Gütertransport per Auto ersetzen

Dass sich viele Güter jedoch mit einem Lastenrad nicht transportieren lassen, weiß auch Rusche. Er sei "kein Feind des Autos", erklärt der Radlogistik-Unternehmer. "Wir versuchen durch unseren Service die Straße von jenen Fahrzeugen zu befreien, die für den Transport bestimmter Dinge eben nicht notwendig sind." Protagonisten der Radlogistik schätzen, dass Lastenräder bis zu 50 Prozent der mit einem Auto erledigten Gütertransporte in einer Stadt ersetzen könnten.

Dabei kommen die Bemühungen vieler Kommunen, Autos aus der Innenstadt zurückzudrängen, Dienstleistern wie Cargo Cycle entgegen. Diese profitieren auch davon, dass Unternehmen nach Alternativen für eine emissionsfreie Logistik suchen, um ihre ESG-Ziele zu erreichen. Dabei setzt der Start-up-Chef weniger auf die Schützenhilfe der Politik als vielmehr auf ökonomische Vernunft: "Egal was die Politik macht, das Lastenfahrrad wird sich auf der letzten Meile durchsetzen, denn es ist 30 Prozent effizienter", ist Rusche überzeugt und verweist auf eine Studie des Bundesverbands Paket und Expresslogistik.


"Förderung braucht die Branche eigentlich nicht."

Christian Rusche, Gründer und Chef von Cargo Cycle


Subventionen liegen auf Eis

Deshalb reagiert der Geschäftsführer gelassen darauf, dass die Bundesförderung von bis zu 2500 Euro für ein gewerblich genutztes Lastenrad derzeit auf Eis liegt und im Zuge der Haushaltssanierung 2024 womöglich ganz wegfallen könnte. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) jedenfalls bewilligt derzeit keine Neuanträge mehr, bestätigt der Radlogistik Verband Deutschland  (RLVD).

"Förderung braucht die Branche eigentlich nicht. Warum soll der Staat ein Fahrzeug subventionieren, mit dem ich auf der letzten Meile effizienter und schneller ausfahren kann, das zugleich günstiger ist als ein herkömmlicher Transporter – mit dem ich als Unternehmer also Geld sparen kann?", fragt Rusche. Cargo Cycle, das operativ profitabel arbeite, seine Gewinne aber reinvestiert, habe nie Subventionen in Anspruch genommen, sagt der Unternehmer.

Der Radlogistik Verband hingegen warnt davor, die Förderung auslaufen zu lassen. Selbstständige, Handwerker aber auch kleinere Lieferdienste hätten die Förderung in den vergangenen zwei Jahren stark nachgefragt. Bis zum vorläufigen Stopp zahlte das Bafa im laufenden Jahr bis Mitte November rund 4,8 Millionen Euro Förderung für rund 3320 elektrische Lastenfahrräder und Lastenanhänger aus.

Radlogistik-Lobby sieht junge Firmen gefährdet

Sollte der Zuschuss wegfallen, seien vor allem die jungen Hersteller dieser Räder in Deutschland gefährdet. Diese Start-ups produzierten 100 bis maximal 1000 Stück im Jahr. "Für wettbewerbsfähige Preise und den Markthochlauf ist die Förderung essenziell. Sonst droht das Aus vieler junger, innovativer Unternehmen, ihrer Zulieferer und Dienstleister", warnt Tom Assmann, Vorsitzender des Radlogistik-Verbands.

Jonas Kremer, Leiter des Geschäftskundenbereichs beim Lastenradhändler Isicargo , steckt gerade mitten im Jahresendgeschäft. "Das ist jetzt eingebrochen", berichtet er. Kunden würden durch den drohenden Förderstopp verunsichert, dies bremse das Geschäft aktuell aus. Isicargo ist Kremer zufolge führender Händler in Deutschland für gewerbliche Lastenräder – und der Chef zugleich Fachvorstand des Radlogistik-Verbands Deutschland. Der Verband schätzt, dass 100.000 Cargobikes in Deutschland gewerblich genutzt werden.

Steuersenkung statt Subventionen

Manchem Akteur in der Fahrradindustrie geht das Thema Subvention hingegen komplett gegen den Strich. "Geht man den klassischen Weg, müsste man als Unternehmen mit den Verbänden Sturm laufen und auf die Förderung pochen", sagt Thorsten Heckrath-Rose, Chef des Premiumfahrradherstellers Rose, im Gespräch. In der Realität aber sei die Komplexität aus Steuersystem, Quersubventionen, Lobbyarbeit und die damit einhergehende Bürokratie "nicht mehr zu ertragen". Sein Votum: "Subventionen und Förderungen komplett abbauen, Steuern im Gegenzug radikal senken, Ausnahmen im Steuersystem abschaffen." So könnten sich "gute Lösungen besser durchsetzen", ist der Manager überzeugt. Und dies sei dann "mit großer Sicherheit in den Innenstädten nicht mehr das eigene Auto".

Heckrath-Rose fordert seit langem Tempo 30 in der Stadt. Wo keine Radwege vorhanden seien, gehörten Fahrräder neben Autos gleichberechtigt auf die Straße, sagt er. Dann werde auch der Cargobike-Verkehr weiter Fahrt aufnehmen, "weil endlich mehr Platz da ist". Handwerker oder Logistiker würden angesichts perspektivisch verkehrsberuhigter Innenstädte "in der City verstärkt auf Alternativen wie Lastenfahrräder setzen" und könnten so "wesentlich mehr Leistungsstunden anbieten, die sie sonst im Bulli im Stau stehen oder mit Parkplatzsuche verbringen", sagt Heckrath-Rose....

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