SPIEGEL Klimabericht 22. Dezember 2023 Susanne Götze hier
Im neuen Jahr steigt die CO₂-Abgabe, Fossil heizen und Verbrenner fahren wird teurer. Das ist sinnvoll. Doch ohne das versprochene Klimageld haben Populisten leichtes Spiel.
Wer brav und artig war, bekommt Geschenke. Das erzählen Eltern Kindern gern vor Weihnachten. Gleiches sollte auch für die Klimapolitik gelten: Wer brav und artig Kohlendioxid (CO₂) einspart, bekommt eine Belohnung. Das Klimageld sollte genau dafür sorgen. Die Bundesregierung beabsichtigt laut Koalitionsvertrag, es in dieser Legislatur einzuführen. Passiert ist bislang allerdings nichts. Auch zur Halbzeit der Ampel gibt es kein Klimageld – und seine Einführung ist gefährdeter denn je.
Hätte sich die Regierung bereits an ihr Versprechen gehalten, hätten artige Klimaschützer in diesem Jahr ein Teil der Geschenke für Kind und Kegel davon kaufen können. Die Idee des Konzepts: Alle Bürgerinnen und Bürger bekommen einen Ausgleich für den schrittweise steigenden CO₂-Preis, der unter anderem Heizen und Autofahren teurer macht. Wer wenig verbraucht, reist und konsumiert, profitiert am stärksten von der staatlichen Erstattung. Finanziert werden soll das aus den Einnahmen der nationalen CO₂-Abgabe (die ab 2027 zum Emissionshandel wird). Die fließt wiederum in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) , der seit Wochen unter Beschuss steht.
Wegen der Milliardenlöcher im Haushalt ist allerdings zweifelhaft, ob das Klimageld jemals kommt. Die Ampel will die ohnehin geschrumpften Mittel im KTF lieber für andere Posten ausgeben, etwa zur Förderung von Chipfabriken in Ostdeutschland. Fleißige Klimaschützerinnen werden also wohl weder diese Weihnachten noch im nächsten Jahr beschenkt.
Ganz anders in der Schweiz. Dort freuen sie sich bereits seit 2008 über jährliche Rückzahlungen. Die sogenannte Lenkungsabgabe funktioniert reibungslos (genauso wie die Schweizer Bahn). In diesem Jahr erhielt jeder Schweizer im Schnitt rund 61 Franken (circa 65 Euro). Für eine vierköpfige Familie sind das immerhin 260 Euro. Das Geld bekommen aber eben nur jene Schweizerinnen und Schweizer, die artig klimafreundlich gelebt haben.
Reiche zahlen drauf
Auch das hierzulande einst angedachte Klimageld ist eine Umverteilungsmaschine: Reiche Menschen zahlen in den meisten Fällen drauf. Sie haben im Mittel einen viel höheren CO₂ -Fußabdruck als Arme: Flugreisen, Privatjets, dicke Autos, riesige Wohnungen oder Häuser für wenig Leute (und damit hoher Heizbedarf), argentinische Rindersteaks und ein allgemein hohes Konsumniveau.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum es Bundesfinanzminister Christian Lindner mit dem Klimageld nicht so eilig hat. Seinen Nachbarn auf Sylt dürfte das Konzept so ziemlich egal sein. Für ihre Weihnachtsgeschenke sind sie auf ein-, zweihundert Euro nicht angewiesen.
Das reichste Prozent in Deutschland war 2019 für durchschnittlich 83,3 Tonnen CO₂-Emission pro Kopf und Jahr verantwortlich – mehr als fünfzehnmal so viel wie ein Mensch aus der ärmeren Hälfte der Bevölkerung (5,4 Tonnen CO₂ pro Kopf und Jahr). Das ist das Ergebnis einer Studie der Organisation Oxfam.
Es wäre nur gerecht, wenn arme und konsumschwache Menschen einen Ausgleich bekämen. Laut Schätzungen hätte ein solches Klimageld in Deutschland im vorigen Jahr rund 125 Euro pro Person betragen. In einer vierköpfigen Familie kämen also schon jetzt bis zu 500 Euro zusammen. Mit der steigenden CO₂-Abgabe könnten es 2027 sogar 1000 Euro werden.
Und doch gibt es auch beim Klimageld einen Haken: Sehr wahrscheinlich würde eine CO₂-Abgabe plus Klimageld längerfristig bestimmte Menschen aus der Mittelschicht belasten. Manche von ihnen kommen aus fossilen Zwängen nicht heraus (gerade weil sie nicht reich sind) – selbst, wenn sie sehr sparsam und klimafreundlich leben, ergab eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Mehrausgaben durch die steigende CO₂-Abgabe könnten das Klimageld dann mehrheitlich auffressen.
Das wäre bei 44 Prozent (18,6 Millionen) aller deutschen Haushalte der Fall, hat das Team errechnet. Das Klimageld würde nicht ausreichen, um ihre Zusatzbelastung im Jahr 2027 zu kompensieren. Rund 4,7 Millionen Haushalte müssten in dem Szenario sogar mehr als zwei Prozent ihres Nettoeinkommens draufzahlen, um den steigenden CO₂-Preis zu bezahlen. Besonders betroffen wären demnach Haushalte mit mittlerem Einkommen, die auf dem Land ältere Immobilien besitzen.
Bis zu 300 Euro pro Tonne CO₂: Reicht das Klimageld?
Ein Klimageld pro Kopf reicht also nicht aus, um alle Menschen zu klimafreundlichem Verhalten zu motivieren. Familien mit Häusern auf dem Land müssten Anreize bekommen, ihre Wände zu dämmen, Fenster und Türen zu modernisieren. Auch der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder einer elektrischen Carsharing-Flotte auf dem Land wären wichtig. Wird der Inlandsflug teurer, muss die Bahnfahrt günstiger und verlässlicher werden. Und Vermieter sollten für Mehrkosten aufkommen, wenn sie eine Gasheizung einbauen, obwohl es klimafreundliche Alternativen gibt.
Und doch muss das Klimageld als wichtiger erster Schritt dringend kommen. Bereits ab Januar 2024 steigt die Klimaabgabe stärker als gedacht – auf 45 statt der geplanten 40 Euro pro Tonne CO₂. Bis Ende des Jahrzehnts könnten es laut Mercator Research Institute (MCC) bis zu 300 Euro werden. Wird die breite Bevölkerung damit allein gelassen, haben Klimaleugner-Populisten von der AfD besonders leichtes Spiel.
Die Grünenpolitikerin Katrin Göring-Eckardt erklärte diese Woche, das Vermögen der »Extremreichen« könne herangezogen werden, um den Klimabonus zu finanzieren. Dann würden die Reichen gleich doppelt dafür zahlen, dass sie das Klima verpesten. »Wir haben in Deutschland 40 Millionen Haushalte«, so die Grünenpolitikerin. »Darunter sind etwa 4300 Haushalte, die zu diesen Superreichen gehören. Diese 0,01 Prozent der Bevölkerung sollten gerade in Zeiten der Krise ihren Beitrag für das Land leisten.«
Höchst unwahrscheinlich jedoch, dass ein liberaler Finanzminister das umsetzt. Ein schöner Traum ist es dennoch – gerade zum Fest der Nächstenliebe.
In diesem Sinne wünscht Ihnen das Team des Klima-Newsletters eine besinnliche Weihnachtszeit. Wir sind im neuen Jahr wieder für Sie da – und begleiten Sie auch 2024 mit Wissenswertem rund um die Themen Klimapolitik, Klimadiplomatie und Klimawissenschaft. Empfehlen Sie uns gern weiter!
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