Freitag, 15. Dezember 2023

Klimagipfel: Das Ende der fossilen Energien rückt unaufhaltsam näher

Nach beklemmend langer Zeit, nach vielen Rückschlägen und Zusammenbrüchen ein kleines bisschen Hoffnung für uns alle. Ich sehne mich so sehr nach guten Nachrichten. Danke Michael Bauchmüller!

Süddeutsche Zeitung hier  13. Dezember 2023, Kommentar von Michael Bauchmüller

Gemessen an den Hoffnungen endet die Klimakonferenz in Dubai nur mit einem halbgaren Kompromiss. Aber in dem stecken mehr Chancen, als es scheint - und auch eine Botschaft für Deutschland.

Wie jetzt, wieder nur ein Kompromiss? Die Erde erhitzt sich unaufhaltsam, die Emissionen sinken nicht, sondern steigen - und in Dubai vereinbaren knapp 200 Staaten, das Problem mit den fossilen Energieträgern jetzt mal langsam anzugehen, irgendwann bis 2050. Ist das nicht zum Verzweifeln?

Nein, ist es nicht.

In Dubai ist etwas passiert, womit vor wenigen Jahren noch niemand gerechnet hätte: Staaten, deren gesamter Wohlstand auf Öl und Gas beruht, willigen in eine Abmachung ein, die dieses Geschäftsmodell langfristig begräbt.

Sie tun das zwar auch, weil sie noch ein paar Hintertürchen eingebaut haben. Sie hoffen, dass sich das Modell noch irgendwie über die Zeit retten lässt. Aber das wird nicht gelingen. Die Schlinge um den Hals der fossilen Industrie ist gelegt. Sie wird sich Jahr und Jahr etwas enger zuziehen.

Am anderen Ende dieser Schlinge ziehen nicht Staats- und Regierungschefs, auch keine Klimaaktivisten, sondern die Banken. Wer nun noch Kredite hergibt für die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder, hat deren begrenzte Frist ab sofort schwarz auf weiß. Und nichts mag eine Bank weniger, als wenn sie ihr Geld nicht wiedersieht. Das macht Kredite teuer, denn Risiko kostet. Dieses Los teilt auch, wer die Entwicklung zum Beispiel eines neuen Verbrennungsmotors finanzieren will. Wofür sich weder Investoren noch Kreditgeber finden, das passiert auch nicht in dieser Welt.

So gesehen läuft das Klimaabkommen von Paris nun wie ein Schweizer Uhrwerk. In den ersten acht Jahren hat es viel zu wenig erreicht. Für die nächsten sieben Jahre legt es nun nach. Das wird, so viel ist jetzt schon klar, nicht reichen. 2030 wird die Debatte wieder eine ganz andere sein - dann gewiss auch noch unter dem Eindruck neuer Hiobsbotschaften von der Klimakrise. Die Schlinge wird sich schneller zuziehen, als es die fossile Wirtschaft ahnt.

Wie schwer es ist, vom Gewohnten zu lassen

Wird es schnell genug gehen? Natürlich nicht. Dafür ist das Rad, das auf Konferenzen wie der in Dubai gedreht wird, viel zu groß. Schließlich soll die Weltgemeinschaft hier - freiwillig - einen Pfad verlassen, der zumindest ihrem reicheren Drittel ein ganz gutes Leben, ja unfassbaren Wohlstand beschert hat. Und wie schwer es ist, vom Alten zu lassen - Millionen Haushalte in Deutschland wissen das nur zu gut, seit der Staat an ihre Heizkessel will.

Daneben stellen sich beklemmende Fragen der globalen Gerechtigkeit. Der Weg, der die einen reich gemacht hat, soll den anderen schließlich versperrt bleiben - sie verlangen mit Recht nach Alternativen und Unterstützung. Mehr noch: Der Raubbau der alten und neuen Industriestaaten trifft die am härtesten, die am wenigsten davon abbekommen haben. Sie drängen mit Recht zur Eile und verlangen Entschädigung.

Das alles macht es eigentlich zu einem kleinen Wunder, dass ein Gipfel wie der in Dubai am Ende überhaupt etwas hervorbringt. Wer aber so viele Interessen unter einen Hut bringen soll, landet zwangsläufig immer wieder bei einem Kompromiss. Das wird viele Menschen am Ergebnis dieser Konferenz verzweifeln lassen, wie schon an dem von 27 Gipfeln zuvor.

Die Energiewende ist nicht der Versuch, die Bürger maximal zu quälen oder abzukassieren

Aber Verzweiflung löst kein Problem, sie lähmt. Die Welt hat nichts Besseres als diese Konferenzen, um dieses größte kollektive Problem auch kollektiv zu lösen. Und sie hat, mit ihren Ansagen auch an die globalen Finanzmärkte, einen gewaltigen Hebel in der Hand. Der Einstieg der Staaten in den fossilen Ausstieg wirkt vielleicht nicht unmittelbar. Aber es wird seine Wirkung nicht verfehlen.

Vielmehr steckt in dem Ergebnis aus Dubai auch eine Botschaft für die deutsche Debatte. Hinter dem Abschied von Heizöl oder Erdgas, von Diesel und Benzin steht nicht der Versuch, Bürgerinnen und Bürger maximal zu quälen oder abzukassieren. Es ist der bescheidene Beitrag eines reichen Landes zu dem, was sich dieses Land von allen anderen wünscht: dass sie die schlechten Nachrichten vom Klima nicht nur bedauern, sondern danach handeln. Gelänge dies schon in einem Land wie Deutschland nicht, wäre das wirklich zum Verzweifeln.


Süddeutsche Zeitung hier  Interview von Thomas Hummel  13. Dezember 2023

Weltklimakonferenz: „Eine hochgradige Überraschung“

Wie Klimaforscher Ottmar Edenhofer die Ergebnisse der Verhandlungen in Dubai bewertet – und warum es aus seiner Sicht wichtig war, die Konferenz in einem Ölstaat abzuhalten.

Fast 200 Länder haben sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf ein Papier geeinigt, das eine Eskalation der Erderwärmung verhindern soll. Oder haben sich am Ende doch die Finanzinteressen der Öl- und Gaslobby durchgesetzt? Ottmar Edenhofer war eine Woche in Dubai und blickt nun ein wenig optimistischer in die Zukunft.

SZ: Herr Edenhofer, welches Signal geht von der Klimakonferenz in Dubai aus?

Ottmar Edenhofer: Das Abschlussdokument wurde in den letzten Stunden der Verhandlungen erheblich verbessert, ist aber nicht so gut wie erhofft. Positiv ist, dass die fossilen Brennstoffe Öl, Gas und Kohle genannt werden. Es steht zwar nicht der geforderte „Phase out“ – das Auslaufen der Energien – drin. Aber immerhin eine „Abkehr davon“. Damit geht das Signal an die Staaten und an die Investoren hinaus: Ein Weiter-so kann es nicht geben.

Nach 28 Klimakonferenzen tauchen Öl und Gas erstmals in einem Abschlussdokument auf. Ein bisschen spät?

Ich war immer dafür, die Konferenz im Ölstaat Vereinigte Arabische Emirate abzuhalten und sie von Sultan Ahmed al-Dschaber, dem Chef des staatlichen Öl- und Gaskonzerns Adnoc, leiten zu lassen. Denn man musste endlich über die fossilen Energien reden. Bislang wurde das ausgespart. Deshalb habe ich 2015 nach dem Abkommen von Paris von der Renaissance der Fossilen gesprochen. Man glaubte, wenn man die erneuerbaren Energien ausbaut, dann werden die Emissionen schon sinken. Das ist aber ein Trugschluss. Wenn man die Erneuerbaren ausbaut, steigen auch die Preise für Kohle, Öl und Gas weniger stark und werden weiterhin genutzt. Jetzt ist der weiße Elefant auf den Tisch gekommen, man spricht über Kohle, Öl und Gas. Das ist ein Riesenfortschritt.

Saudi-Arabien oder Russland wollten das eigentlich blockieren, auch der Chef von ExxonMobil flog erstmals zu einer Klimakonferenz.

Wenn man sich die internationale Gemengelage vor Augen führt, ist das Abschlussdokument in diesem Punkt eine hochgradige Überraschung. Erstens war dies bei den aktuellen geopolitischen Spannungen ein wichtiger Schritt. Ein Zeichen, dass es Felder gibt, in denen man kooperieren kann. Zweitens dürfen wir je nach Ziel für die Erderwärmung um bis zu 1,5 Grad Celsius oder zwei Grad nur zwischen 250 und 940 Gigatonnen CO₂ in der Atmosphäre ablagern. Wir haben aber weltweit 10 600 Gigatonnen im Boden. Das heißt: Die betreffenden Länder und die Industrien dürfen einen Großteil der Kohle-, Öl- und Gasvorkommen nicht nutzen. Diese halten das nicht unbedingt für eine prima Idee, das geht nicht ohne Konflikte. Denn dort wird Vermögen entwertet.

Wo liegt hier der Ausweg?

Es geht nun für die Öl- und Gasindustrie darum, Alternativen zu suchen. Sie kann auf Wasserstoff umstellen oder, etwa mit großen Filtern, CO₂ wieder aus der Atmosphäre holen und im Boden einlagern. Saudi-Arabien oder die Emirate können in erneuerbare Energien investieren, auch kaufen sie sich gerade in Afrika ein, um dort über Aufforstung ebenfalls CO₂ aus der Luft zu holen. Nicht alles ist schon ausgereift. Aber da wird ein fundamentaler Strukturwandel eingeleitet.

Auf dem Papier steht die „Abkehr von“ fossilen Brennstoffen. Was erwarten Sie in der Realität?

Das ist die Kernfrage. Auf der Ebene der Klimakonferenzen gibt es nur freiwillige Vereinbarungen. Man kann keinen Staat zwingen, etwas zu tun. In Dubai haben die Länder erklärt, wo sie hinwollen. Um aber die Karawane wirklich in Bewegung zu setzen, dafür braucht es andere Instrumente.


    „Der Plan der EU wird viel zu wenig gewürdigt.“


An welche denken Sie?

Nach Paris 2015 haben Länder begonnen zu experimentieren, wie sie Emissionen reduzieren können. Deshalb sind wir heute weiter. Wir haben zwei große Regionen, die voranschreiten: die Europäische Union mit ihrem Green Deal und die USA mit dem Inflation Reduction Act (IRA). Das sind extrem ehrgeizige Programme. 

Der Plan der EU wird viel zu wenig gewürdigt. Bis 2030 sollen die Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 runter, bis 2040 sogar um 90 Prozent. Zudem hat die EU angekündigt, sogenannte Klimazölle zu erheben. Wer Produkte in die EU importieren will, diese aber mit vielen Kohlenstoff-Emissionen herstellt, der soll künftig einen Zoll zahlen. Das hat bereits Wirkung gezeigt. Indien denkt über eine nationale CO₂-Steuer nach, die Türkei über einen nationalen Handel mit CO₂-Zertifikaten. Auch die Emirate sprechen über einen solchen Handel nach europäischem Vorbild. Dort wird erkannt: Wenn sie weiterhin Produkte nach Europa verkaufen wollen, bekommen sie sonst ein Problem.

Von 2026 an müssen Importeure von Öl und Gas in die EU CO₂-Zertifikate kaufen. Hilft das ebenfalls?

Auch das bringt Bewegung in die internationalen Ressourcenmärkte, die EU spielt hier zunehmend eine strategische Rolle. Ähnliches kann in den USA der Fall sein. Am besten wäre es, wenn Europa und die USA hier zusammenarbeiten, an dieser Allianz könnte kaum jemand vorbei. Die schiere Marktmacht könnte dazu führen, dass der Einsatz von Öl und Gas weltweit zurückgefahren wird.

Afrikanische Staaten etwa sind überhaupt nicht glücklich über den europäischen Klimazoll. Sie befürchten Handelsbeschränkungen.

Der Klimazoll ist zwar eine Drohung, aber Exportländer können sie abwenden, wenn sie ebenfalls ihre Emissionen bepreisen. Das belastet allerdings gerade in ärmeren Ländern die Wirtschaft, weshalb das nur gelingen kann, wenn sie finanzielle Hilfen erhalten. Die Klimafinanzierung ist ein komplexes Gebilde, da müssen sich die Industriestaaten nun zunehmend Gedanken machen, um ihre Partner bei der Transformation zu unterstützen.

Welche Rolle spielte die Bundesregierung in Dubai?

Die Deutschen hatten einen relevanten Einfluss auf die Ergebnisse. Das ging am Anfang los, als vor allem Staatssekretär Jochen Flasbarth vom Bundesentwicklungsministerium den Deal zum Fonds für Schäden und Verluste einfädelte. Das Momentum war hilfreich. Auch bei der Frage, wie man mit Einlagerung von CO₂ im Boden umgeht, dem sogenannten CCS, sieht man die Handschrift der Bundesregierung. Sie soll nur für schwer vermeidbare Emissionen genutzt werden, etwa bei der Zementproduktion. Auch hat Deutschland den Klimaklub weiter vorangetrieben. Im Verbund mit der Europäischen Union hat die deutsche Delegation eine sehr gute Rolle gespielt und sehr professionell verhandelt.

Die Erde erlebt gerade ein Jahr der Hitzerekorde. Wie geht es weiter mit der Erwärmung?

Wir werden sicherlich das 1,5-Grad-Ziel reißen, das weltweite CO₂-Budget dafür ist in fünf, sechs Jahren aufgebraucht. Diesen Überschuss muss man begrenzen und dann die Temperaturkurve zurückbiegen. Das geht nur, wenn wir ab 2050 Netto-Negativ-Emissionen haben, wir müssen das CO₂ wieder aus der Atmosphäre zurückholen. Deshalb brauchen wir dringend Technologien dafür.

Kann der Prozess nach Dubai dennoch scheitern?

Eine erneute Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im kommenden Jahr wäre sehr gefährlich. Er würde versuchen, die Maßnahmen in den USA hin zu Netto-Null-Emissionen im Jahr 2050 zu eliminieren. Ob ihm das am Ende gelingen würde, sei dahingestellt. Aber die Gefahr wäre groß.

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