Dienstag, 5. Dezember 2023

Globale Bilanz: Große Lücken beim Klimaschutz

DW hier  Geschichte von Martin Kuebler  
Dieser Artikel wurde am 5.Dezember mit den aktuellen Entwicklungen auf der Weltklimakonferenz aktualisiert. Redaktion: Tamsin Walker. Adaption: Gero Rueter, Anke Rasper


Die erste globale Bestandsaufnahme zum Klimaschutz ist ernüchternd. Sie gibt den Kurs für die Klimakonferenz COP28 in Dubai vor und warnt, dass dringende Maßnahmen nötig sind, um die Lebensgrundlagen zu erhalten.

Nach monatelangen Hitzerekorden in vielen Land- und Meeresregionen der Erde wird 2023 das heißeste je gemessen Jahr werden. Das UN-Klimasekretariat (UNFCCC) veröffentlichte kürzlich die erste globale Bestandsaufnahme. Sie ist Grundlage für die UN-Klimakonferenz in Dubai, und eine düstere Warnung.

"Das Zeitfenster zur Sicherung einer lebenswerten und nachhaltigen Zukunft für alle schließt sich rasch", heißt es in dem Bericht. "Das Pariser Abkommen hat nahezu universelle Klimaschutzmaßnahmen vorangetrieben, indem es Ziele gesetzt und Signale an die Welt zur Dringlichkeit einer Reaktion auf die Klimakrise gesendet hat. Während die Maßnahmen voranschreiten, ist jetzt an allen Fronten noch viel mehr erforderlich."

Die globale Bestandsaufnahme (engl: Global Stocktake) wurde von Klimawissenschaftlern, Regierungsbeamten und anderen Experten in den letzten zwei Jahren erstellt. Es ist eine umfassende Analyse darüber, wie weit die Ziele des Pariser Abkommens von 2015 zur Begrenzung der globalen Erwärmung erreicht wurden. Die ernüchternde Bilanz zeigt, dass die Welt weit vom Kurs entfernt ist.

Das Ziel, die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wird damit laut Bericht immer unrealistischer. Nach Angaben der Weltorganisation für Meteorologie besteht eine Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent, dass die jährliche Durchschnittstemperatur in Oberflächennähe zwischen 2023 und 2027 mindestens ein Jahr lang um mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegt.

Um zu verhindern, daß die globale Durchschnittstemperatur 1,5 Grad Celsius übersteigt, müsste laut Bericht die Nutzung der Kohle bis 2030 um 67 bis 82 Prozent gegenüber dem Niveau von 2019 sinken und bis zur Mitte des Jahrhunderts fast komplett eingestellt werden.

Darüber hinaus fordert der Bericht "den unverminderten Ausstieg" aus allen fossilen Brennstoffen und mehr Mittel zur Unterstützung einer CO2-armen wirtschaftlichen Entwicklung. Dafür müsse die Welt auch die jährlich rund 450 Milliarden US-Dollar Subventionen für die Nutzung von Kohle, Öl und Erdgas umleiten und Mittel für Menschen und Orte aufstocken, die von Extremwetter betroffenen sind.

Enttäuschung über den ersten Entwurf

Klimaverhandler und Staats- und Regierungschefs nutzen den Bericht als Grundlage für die derzeitigen Verhandlungen in Dubai. Dort steht die Frage im Vordergrund, ob alle fossilen Brennstoffe "auslaufen" oder "schrittweise abgebaut" werden sollen.

In einem am 1. Dezember veröffentlichten Textentwurf zur Bestandsaufnahme wird mit "Besorgnis" festgestellt, dass sich das "Zeitfenster" für die Länder, ihre Ambitionen zur Emissionssenkung zu erhöhen, um die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, rapide verringert.

Der Text verweist jedoch weiterhin auf einen möglichen "Ausstieg" aus Öl, Kohle und Gas. Aktivisten, Wissenschaftler und zuletzt der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz haben erklärt, dass ein vollständiger Ausstieg aus den klimaschädlichen fossilen Brennstoffen notwendig ist, um eine katastrophale Erwärmung des Planeten zu verhindern.

"Wir müssen jetzt alle den festen Willen zeigen, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen - allen voran aus der Kohle. Die Weichen dafür können wir auf dieser Klimakonferenz stellen", sagte Scholz am Samstag vor den Delegierten des COP28-Gipfels.

In der Zwischenzeit sah sich Sultan al-Jaber, Präsident der COP28 und Chef des staatlichen Ölkonzerns von Abu Dhabi, gezwungen, seinen Glauben an die Klimawissenschaft zu bekräftigen, nachdem ein Video veröffentlicht worden war, in dem er den wissenschaftlichen Konsens anzweifelte, dass ein Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe notwendig ist, um die globale Erwärmung zu bremsen.

Weitere Hürden bei der Weltklimakonferenz

Die globale Klima-Bilanz wurde im mit dem Klimaabkommen von Paris 2015 vereinbart und soll von nun an alle fünf Jahre erstellt erstellt. Darin wird für alle Regionen untersucht, wie die Welt den Ausstoß von Treibhausgasen reduziert, sich an die Auswirkungen der Klimakrise anpasst und die notwendigen Mittel zur ihrer Bewältigung sichert.

Es gehe bei der Bestandsaufnahme um Ehrgeiz, Rechenschaftspflicht und darum, die weltweiten Klima-Anstrengungen zu beschleunigen, sagt Stiell. "Sie soll sicherstellen, dass jede der Parteien ihren Teil der Abmachung einhält, weiß, wohin sie als nächstes gehen muss und wie schnell sie vorankommen muss, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen."

Für den Bericht wurden seit 2021 zunächst aktuelle Daten zu Emissionen, Anpassungsbemühungen und den national festgelegten Beiträgen der Länder (NDCs), und ihre nationalen Klimaplänen gesammelt.

Die zweiten Phase umfasste die technische Auswertung und Einordnung der Daten, um sie für den Bericht rechtzeitig vor der Klimakonferenz in Dubai zu analysieren.

Die meisten internationalen Abkommen hätten keine regelmäßige Überprüfungen und die Möglichkeit zur Entwicklung eines zukunftsorientierten Plans, sagt Singh. Darin sei der Prozess der globalen Bestandsaufnahme "einzigartig und wichtig". Doch "wir müssen sicherstellen, dass er auch sinnvoll ist und nicht nur technisches Prozedere, das zu keinerlei ehrgeizigen Maßnahmen führt."

Globale Klima-Bilanz ist Gelegenheit für besseren Kurs

Die globale Bestandsaufnahme werde einen wichtigen Einfluss haben, betont David Waskow vom World Resources Institute, einer US-amerikanischen Denkfabrik. Sie bestimme mit, wie die Staaten ihre künftigen nationalen CO2-Minderungspläne festlegen für Schlüsselbereiche wie die Energieversorgung, den Verkehr, dem nachhaltigem Konsums und der Ernährung. Alle Länder müssen ihre eigenen Klimaschutzpläne bis 2025 neu festlegen.

"Die Bestandsaufnahme war ganz explizit als Grundlage für die nächste NDC-Runde gedacht", sagt er und ergänzt. "Dies ist die Gelegenheit zu zeigen, wie die Umsetzung und die Transformation erfolgen wird."

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