FOCUS online hier 5.12.23
Die Diskussionen um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen schlagen seit Tagen hohe Wellen - auch, weil neuerdings Saudi-Arabien auf fossilen Brennstoffen beharrt. Nun tritt Deutschland nach.
Für die verhandelnden Personen in den jeweiligen Arbeitsgruppen beginnt jetzt die stressigste Zeit der Weltklimakonferenz: Dutzende Vorschläge müssen besprochen, abgestimmt, in neue Versionen der Abschlusserklärung übertragen werden. Und weil meistens irgendeines der 197 Länder etwas auszusetzen hat, beginnt dann der Spaß wieder von vorne. Denn am Ende müssen alle Staaten zustimmen, eine einfache Mehrheit reicht nicht aus.
Ausstieg aus fossilen Brennstoffen - ja oder nein?
Die Folge sind lange Arbeitstage und schlaflose Nächte. Von einer Arbeitsgruppe zum Thema Klimafolgenanpassung ist etwa bekannt, dass sich die beiden zuständigen Delegierten aus Schweden und Belize am Sonntag die ganze Nacht um die Ohren schlugen, um einen neuen, neunzigseitigen Entwurf vorzulegen. Nur um dann am Montagmorgen vom Rest der Arbeitsgruppe zu hören: Inakzeptabel, bitte fangt nochmal von vorne an.
Staatssekretärin Jennifer Morgan vom Auswärtigen Amt, ihrerseits eine Veteranin der Weltklimakonferenz, kennt die Hektik der letzten Tage bestens. „Tag und Nacht wird gearbeitet“, sagt sie am Dienstagmorgen. „Manchmal ist es schwerfällig, aber das ist normal in dieser Phase.“ Trotz allem bleibt die deutsche Delegation optimistisch: „Wichtige Eckpfeiler für einen guten Abschluss sind im aktuellen Textvorschlag“, sagt Morgan. „Aber jetzt müssen die Verhandler auf technischer Ebene intensiv in die Details einsteigen.“
Für die deutsche Delegation ist der heutige Tag besonders wichtig. Der Dienstag steht nämlich im Zeichen des Themas Energie, und da treibt Deutschland ein paar ambitionierte Ideen voran.
So ist die Bundesrepublik eine der prominentesten Verfechterinnen des Plans, sich in der Abschlusserklärung zu einem verpflichtenden Ausstieg aus den fossilen Energien zu bekennen. Ein Plan, der gerade den ölproduzierenden Ländern der Erde nicht gefällt. Die Aussage des saudischen Energieministers Abdulaziz bin Salman vom Montag, man werde „auf keinen Fall“ einen vorzeitigen Ausstieg akzeptieren, schlug auf der COP hohe Wellen.
„Status Quo ist keine Option“, hält Morgan dagegen. „Transformation ist die einzige Option. Jedem muss klar sein, dass wir hier um das Energiesystem der Zukunft ringen. Unser Ziel ist klar: Erneuerbare sind die Zukunft, das Ende des fossilen Zeitalters muss hier auf der COP greifbar werden.“ Auch die Wirtschaft wisse, „dass die globale Energiewende Aufbruch für Arbeitsplätze und Absatzmärkte bedeutet“, fügt die ehemalige Greenpeace-Chefin hinzu.
Konfrontationskurs ist kein Zufall: Deutschland treibt aktuell nachhaltige Energieprojekte in der Welt voran
Dass Deutschland ausgerechnet jetzt den Konfrontationskurs zu Saudi-Arabien und den anderen fossilen Produzenten verstärkt, ist kein Zufall. Ebenfalls am Dienstag versandte das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck eine ausführliche Pressemitteilung, die die deutschen Energie-Erfolge bei der Zusammenarbeit mit anderen Ländern feiert. (siehe unten oder hier)
Das derzeit noch auf Kohleenergie angewiesene und von Stromausfällen geplagte Südafrika hat in Dubai etwa einen ausführlichen Energiewende-Plan vorgestellt, den Deutschland mit einem Kredit über 500 Millionen Euro unterstützt. ("Deutschland benötigt für den Kredit keine Haushaltsmittel", schickt die Mitteilung sicherheitshalber hinterher.) Und auch Indonesien hat auf der COP eine umfangreiche Strategie zur Energiewende vorgestellt - gefördert von Deutschland, wie das Wirtschaftsministerium anmerkt. Die Botschaft: Schwellenländer der Erde, stellt euch lieber auf unsere Seite. Ob der Plan aufgeht, wird sich spätestens Ende der Woche zeigen.
WELTKLIMAKONFERENZ IN DUBAI
Bundesregierung stellt Deutschlands Beitrag für die Beschleunigung der globalen Energiewende vor
Gemeinsame Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
Pressemitteilung vom 5. Dezember 2023
Über 120 Staaten haben sich bereits zu Beginn der Weltklimakonferenz (COP) in Dubai in einer gemeinsamen Erklärung dazu bekannt, die weltweite Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienzverbesserungsrate zu verdoppeln. Deutschland setzt sich dafür ein, dieses Ziel zusammen mit dem Ausstieg aus fossilen Energien auch in der Abschlusserklärung der Konferenz zu verankern. Neben der Aufgabe, die Energiewende im eigenen Land voranzutreiben, enthält die Erklärung auch die Absicht zur weltweiten Zusammenarbeit. Am heutigen Thementag der COP28 zu Energie findet dazu ein Ministertreffen von über 40 ausgewählten Ländervertreter*innen zu den globalen Zielen für erneuerbare Energien und Energieeffizienz statt. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMWK Stefan Wenzel und Entwicklungs-Staatsekretär Jochen Flasbarth haben heute den deutschen Beitrag zu diesem Ziel vorgestellt.
Parlamentarischer Staatssekretär Stefan Wenzel: „Die globale Energiewende tritt in eine neue Phase. Fast zwei Drittel der Unterzeichnerstaaten des Pariser Abkommens bekennen sich dazu, die installierte Kapazität für erneuerbare Energien zu verdreifachen und die Verbesserungsrate der Energieeffizienz zu verdoppeln und den Ausstieg aus fossilen Energien anzugehen. Aus wenigen großen Akteuren der Energiewende können nun weltweit viele werden. Das ist eine große Chance und kräftiger Rückenwind für ein ambitioniertes Ergebnis bei der Weltklimakonferenz. Zusammen mit unseren Partnern in Industrie-, Schwellen und Entwicklungsländern sind wir entschlossen, den Ausbau erneuerbarer Energien im großen Maßstab weltweit zu beschleunigen: mit gesetzlichen Erleichterungen und mit öffentlichen Mitteln. In den Verhandlungen bis zum Ende der COP28 geht es nun darum, möglichst alle Staaten für diese globalen Ausbauziele zu gewinnen und so ein richtungsweisendes Signal an Märkte und Investoren zu senden.“
Entwicklungs-Staatssekretär Jochen Flasbarth: „Wir müssen schnellstmöglich raus aus der Nutzung von Kohle, Öl und Gas. Eine Verdreifachung der erneuerbaren Energien bis 2030 ist dazu eine wichtige Voraussetzung. Sie ist nicht nur wichtig, um die wirtschaftliche Entwicklung auf Klimakurs zu bringen, sondern auch im Kampf gegen Armut. Denn immer noch haben Millionen Menschen keinen Zugang zu Energie, vor allem in Afrika. Deutschland verpflichtet sich in Dubai nicht nur zur Energiewende im eigenen Land, sondern auch zur weltweiten Zusammenarbeit. Dazu arbeiten wir eng mit unseren Partnerländern an Lösungen. So werden wir unser Engagement in der beruflichen Bildung verstärkt auf die Qualifizierung von Fachkräften für die Energiewende ausrichten. Denn der Umstieg auf eine erneuerbare Energiebasis braucht nicht nur Technik, sondern auch Know-how.“
Deutschland trägt zu den gemeinsamen globalen Zielen mit seinen nationalen Ausbauzielen bis Ende dieses Jahrzehnts bei: bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt und dafür bis 2030 115 Gigawatt Windenergie an Land, 30 Gigawatt Windenergie auf See und 215 Gigawatt Solarenergie installiert werden.
Zugleich sollen EU-weit die installierten Kapazitäten weiter steigen – so sollen weitere zwölf Milliarden Kubikmeter Gas durch erneuerbare Energien ersetzt werden. In der EU soll der Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 auf 45 Prozent anwachsen. Dafür wurden zahlreiche Regeln beschlossen, die den Ausbau von Wind und Solaranlagen erleichtern. Dazu zählen einheitlichere und handhabbare Regeln für den Naturschutz und rechtliche Möglichkeiten, die Genehmigung neuer Anlagen zu beschleunigen.
Der zweite Teil der Erklärung von Dubai sieht vor, gemeinsam mit Partnerländern die Bedingungen für eine weltweite Energiewende zu schaffen. Deutschland arbeitet derzeit mit rund 50 Ländern intensiv an der Energiewende.
Konkrete Fortschritte gab es auf der Weltklimakonferenz zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit Südafrika, einem der 20 größten CO2-Emittenten der Welt. So hat Südafrika in Dubai den Umsetzungsplan für Kohleausstieg und Energiewende vorgestellt, der besonderen Wert auf die sozialen Aspekte der Transformation legt, und der im Rahmen der sogenannten Just Energy Transition Partnership (JETP) von Deutschland und anderen Gebern unterstützt wird. Die mangelhafte Energieversorgung ist für Südafrika derzeit ein großes Entwicklungshemmnis: Weil die Kohlekraftwerke unzuverlässig sind, fällt der Strom regelmäßig aus, wodurch Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze in erheblichem Umfang verloren gehen.
Deutschland stellt für die südafrikanischen Reformen zur Umsetzung der Energiewende einen Kredit in Höhe von 500 Millionen Euro bereit. Im Auftrag des Entwicklungsministeriums hat die KfW-Entwicklungsbank entsprechende Kreditverträge mit dem südafrikanischen Finanzministerium unterzeichnet. Weitere Kredite kommen von der Weltbank (eine Milliarde US-Dollar), der Afrikanischen Entwicklungsbank (300 Millionen US-Dollar) und Kanada (91 Millionen US-Dollar). Deutschland benötigt für den Kredit keine Haushaltsmittel. Südafrika dagegen müsste am Kapitalmarkt wesentlich mehr Zinsen bezahlen als für den KfW-Kredit.
Das südafrikanische Reformpaket sieht unter anderem vor, einen unabhängigen Stromnetzbetreiber einzurichten. Derzeit erzeugt der staatliche Energieversorger ESKOM, der bislang auch die Netze betreibt, rund 90 Prozent des Stroms, fast ausschließlich aus Kohle. Ein unabhängiger Netzbetreiber würde – wie in vielen anderen Ländern auch – die Einspeisung erneuerbarer Energien deutlich erleichtern und so private Investitionen auslösen. Durch diese institutionelle Trennung und weitere regulative Reformen und steuerliche Anreize wird der Weg bereitet für mehr private Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien. Wie gut solche Maßnahmen wirken können, zeigt eine in einem früheren Reformschritt vereinbarte Gesetzesänderung: Die Menge an Solarstrom aus Dachanlagen hat sich innerhalb eines Jahres vervierfacht.
Fortschritte gibt es auch bei der Energiewende-Partnerschaft (JETP) mit Indonesien. Ein vom BMWK gefördertes Projekt soll nun Nach- und Umnutzungskonzepte für indonesische Kohlekraftwerke entwickeln. So können vorzeitig stillgelegte Kohlekraftwerke zum Beispiel für Wind- und Solaranlagen und Batteriespeicher verwendet werden. Indonesien gehört zu den zehn größten Treibhausgas-Emittenten weltweit. Das Land hat sich international zu Klimaneutralität bis spätestens 2060 und einer sozial-gerechten Energiewende im eigenen Land verpflichtet. Im Rahmen der JETP wird es dabei von Deutschland und anderen Gebern sowie privaten Finanzinstitutionen unterstützt. Auf der COP hat die indonesische Regierung einen Investitions- und Reformplan vorgestellt.
Neben der Finanzierung mit günstigen Krediten ist die Verfügbarkeit von Fachkräften eine der zentralen Engstellen der weltweiten Energiewende. Laut Internationaler Arbeitsorganisation ILO werden bis 2030 weltweit mehr als 100 Millionen Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien entstehen, für die Fachkräfte benötigt werden. Das Entwicklungsministerium richtet darum sein Engagement im Bereich der beruflichen Bildung neu aus und verstärkt die Qualifizierung von Fachkräften für die Energiewende. Derzeit arbeitet das BMZ mit rund 60 Partnerländern zur beruflichen Bildung zusammen. Ein Fünftel der Vorhaben betrifft Energiewende-Kompetenzen. Dieser Anteil soll bis 2025 deutlich ausgebaut werden.
Die Bundesregierung hat heute auch den neuen Ideenwettbewerb der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) eröffnet. Dieser soll zur Erfüllung der „globalen Ziele“ beitragen. In 13 Themenschwerpunkten werden die besten Ideen für großvolumige Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern gesucht. Dazu gehören unter anderem Projekte zum Netzausbau, um mehr erneuerbare Energien integrieren zu können, sowie zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Afrika. Die Projekte sollen in Ländern umgesetzt werden, die, so wie Deutschland auch, zu den Unterstützern der Absichtserklärung gehören, sowie im Fall des Afrika-Projekts auch im Kontext der von Deutschland mitgegründeten Accelerated Partnerschip for Renewables in Africa (APRA). Zudem unterstützt das BMWK mit Mitteln der Internationalen Klimaschutzinitiative gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank den Aufbau einer dezentralen Energieversorgung in der Ukraine, um kommunale Einrichtungen, insbesondere Schulen und Krankenhäuser, mit erneuerbaren Energien zu versorgen.
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