Donnerstag, 5. Mai 2022

"Es ist Klimakrise, es ist Krieg und wir müssen die Regierung selbst zu Minimalmaßnahmen wie einem Tempolimit überreden"

 RND  hier 26.04.2022  Vivien Valentiner

50.000 Unterschriften für Tempolimit und autofreie Sonntage 
Bundesregierung unter Druck: Petition kommt in den Bundestag

Der Bundestag muss sich mit einer Petition zur Einführung eines Tempolimits und autofreier Sonntage befassen. Ob sich die Liberalen umstimmen lassen, bleibt fraglich.
Fest steht jedoch: Um die Debatte kommen sie nicht herum.

...Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner fordern die Bundesregierung im Rahmen der Petition auf, die Mobilitätswende angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine schneller voranzutreiben. Konkret wird ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und 80 beziehungsweise 30 Stundenkilometer außer- und innerorts gefordert.

Darüber hinaus sollen autofreie Sonntage eingeführt, ein Verbot von Inlandsflügen verhängt und ein Ende der Plug-in-Förderung beschlossen werden. Die Petition schlägt außerdem Pop-up-Radwege in Städten und auf dem Land sowie eine kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs für drei Monate vor. Die Maßnahmen seien in der Lage, die Energieabhängigkeit Deutschlands von Russland zu vermindern.

Liberale wollen kein Tempolimit

Eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Forderungen erwarten selbst die Einbringenden der Petition nicht: „Ich erwarte eine Debattenverstärkung und, dass der Druck auf die Regierung zunimmt“, erklärte Initiator Tino Pfaff gegenüber dem „Tagesspiegel“.

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag kein Tempolimit vorgesehen. Obwohl die Grünen bereits öffentlich für ein Limit von 130 Stundenkilometer geworben haben, setzt sich die FDP weiterhin durch. Der verkehrspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Bernd Reuther, teilte auf Anfrage gegenüber dem „Tagesspiegel“ mit: „Diese Symbolpolitik hilft uns nicht weiter und verfehlt das eigentliche Ziel. Daher lehnt die FDP diese Forderungen ab.“

Umweltorganisationen berechnen Ein­spar­potenzial

Daten der Umwelt­organisation Greenpeace, der Deutschen Umwelthilfe und des Umwelt­bundes­amts legen nahe, dass es sich beim Tempolimit um mehr als nur Symbolpolitik handelt. Im Positionspapier von Greenpeace führt die NGO verschiedene Maßnahmen auf, um unabhängig von Öl und Gas aus Russland zu werden – unter anderem auch das Tempolimit. „Allein die Einführung eines Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen würde den Kraft­stoff­bedarf um zwei Millionen Tonnen pro Jahr senken“, heißt es darin. Das entspreche einem Anteil am Benzin- und Dieselabsatz in Deutschland von 3,8 Prozent und einem Anteil an den Mineral­öl­importen von 2,1 Prozent. Durch ein Tempolimit von 80 km/h außerorts könnte noch mehr Kraftstoff eingespart werden. Das Einsparpotenzial durch zwei autofreie Sonntage pro Monat liege laut Greenpeace bei 1,4 Prozent der Importe.

„Da sich einige der genannten Maßnahmen in ihren Wirkungen überschneiden, lassen sich die Ein­spar­potenziale nicht einfach aufaddieren“, heißt es weiter von den Autorinnen und Autoren des Greenpeace-Papiers. Ihrer Einschätzung nach ließen sich durch die zehn verschiedenen aufgeführten Maßnahmen die Öl- und Netto-Öl­produkt­importe um mindestens 10 bis 12 Prozent verringern.

... Die Deutsche Umwelthilfe fordert ebenfalls ein Tempolimit – und zwar von 100 km/h auf deutschen Autobahnen, Tempo 80 außerorts und 30 km/h innerorts. Damit ließen sich nach Angaben der Umwelt­schutz­organisation 3,7 Milliarden Liter Benzin und Diesel einsparen – sowie 9,2 Millionen Tonnen CO₂

Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer ist ebenfalls Unterzeichnerin der Petition. Sie findet das Verhalten der Bundesregierung „absurd“. „Ich hoffe, der Regierung ist das tiefgehend peinlich“, sagte Neubauer dem „Tagesspiegel“. „Es ist Klimakrise, es ist Krieg und wir müssen die Regierung mit aller Kraft auf allen Wegen selbst zu Minimalmaßnahmen wie einem Tempolimit überreden.“

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