Es ist ein Trauerspiel wie unsere Wärmewende verspielt wird. Tolle Ideen können nicht umgesetzt werden, weil die ständig angestoßenen Scheindebatten die Menschen zutiefst verunsichern. Und letztendlich auch viel Geld kosten. Ich hoffe so sehr, dass dieses Projekt trotzdem gelingt. Aber viel Zeit wird vergeudet in der Zwischenzeit.
Focus hier FOCUS-online-Redakteur Thomas Sabin, 19.07.2024
„Geld ist das Einzige, das kein Problem ist“: In diesem Dorf bekommen Bürger Wärmepumpen geschenkt - und sind trotzdem unzufrieden
In Neukirchen soll ein kostenloses „Dorf-Solarkraftwerk“ entstehen und die Bewohner sollen – ebenfalls kostenlos – Wärmepumpen erhalten. Dennoch stößt das Projekt auf Skepsis. Die Initiatoren bleiben hartnäckig.
In Neukirchen in Mittelsachsen soll ein „Dorf-Solarkraftwerk“ entstehen. Das jedenfalls ist der Plan von Bürgermeister Markus Buschkühl und Landrat Dirk Neubauer. Demnach sollen die Bürgerinnen und Bürger sowohl mit Wärmepumpen als auch mit Solaranlagen ausgestattet werden. Der Clou: Das Ganze soll für sie kostenlos sein. Der Haken: Viele stehen dem Projekt skeptisch gegenüber.
Wie der MDR berichtet, sollen in Neukirchen die Dächer der Häuser und einige Ackerflächen mit Solaranlagen ausgestattet werden. Außerdem sollen viele Heizungen durch Wärmepumpen ersetzt werden. Das soll die Dorfbewohner dank der Landwerke nichts kosten.
Wärmepumpe und Solarenergie: Bürger sollen kostenlos ausgestattet werden
Der Grund für die kostenlose Ausstattung der Bürger liegt in der Wirtschaftlichkeit des Projektes. Felix Rodenjohann, Geschäftsführer der Landwerke Mittelsachsen, erklärt, dass die Installation von Wärmepumpen und Solaranlagen in 100 Häusern kostengünstiger ist, wenn sie in kurzer Zeit und auf einmal erfolgt, anstatt über einen Zeitraum von 20 Jahren. Diese Kostenersparnis wird an die Bürger weitergegeben.
Fördermittel von Bund und Land sowie private Investoren sichern laut Landrat Neubauer die Finanzierung des Projekts, so dass die Bürger die Anlagen kostenlos erhalten können. „Das Geld ist das Einzige, was bei der Sache kein Problem ist“, sagte er dem MDR.
Gegenüber FOCUS online wird Rodenjohann konkreter: „Eine Bank aus der Region, die im Moment noch nicht genannt werden will, ist bereit, die Wärmegesellschaft oder das Dorfkraftwerk für Neukirchen zu finanzieren. Kreditnehmer ist dann die Landwerke - so dass insbesondere die Anwohner nur emissionsfreie Energie beziehen und keinerlei Risiko eingehen.“
Lediglich die Kosten für den Strom aus den Solaranlagen müssen die Anwohner tragen, so der MDR. Das solle aber deutlich weniger sein, als die Kilowattstunde bisher kostet.
Auch das Klima soll vom Projekt profitieren
Es ist ein Großprojekt, bei dem alles aus einem Guss sein soll und von dem alle profitieren. Auch das Klima.
Seit den 1990er Jahren arbeitet Deutschland an der Energiewende, um die CO2-Emissionen zu senken. Der Grund: Deutschland ist weltweit der sechstgrößte Emittent und will als Industrienation mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb hat sich Deutschland ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2030 sollen 80 Prozent und bis 2045 sogar 100 Prozent des in der Bundesrepublik verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen.
Auch wenn Deutschland auf einem guten Weg ist – 2023 wurden erstmals 55 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen – bleibt noch viel zu tun. Initiativen wie in Neukirchen können dazu beitragen, die gesteckten Ziele zu erreichen – wenn alle mitziehen.
Anwohner sind skeptisch
Doch im Ort herrscht Skepsis. Um die grundsätzliche Bereitschaft zu prüfen und offene Fragen zum Projekt zu klären, wurden die Neukirchener ins Dorfgemeinschaftshaus eingeladen. Doch von den 800 Eingeladenen erschienen laut MDR nur 50.
Auf die Frage von FOCUS online, ob der Landwerke-Chef mit einer so geringen Resonanz auf das Projekt gerechnet habe, antwortete er: „Wir haben einen enormen Aufwand betrieben, die Menschen in Neukirchen zu mobilisieren. Dass dann weniger als 100 Leute von 800 Einwohnern kommen, hat uns persönlich enttäuscht.“
„Fairerweise muss man aber sagen, die Quote ist viel höher als in anderen Regionen, wo wir solche Veranstaltungen machen. Da kommen dann bei einer 20.000-Einwohner-Stadt ca. 200 Leute. Also sagen wir mal: Das Interesse in Neukirchen an der Energiewende ist 6-mal größer als in einer Stadt mit 20.000 Einwohnern in NRW“, so Rodenjohann.
Er vermutet verschiedene Gründe für das Desinteresse der Anwohner: „Ich weiß gar nicht, ob es die Skepsis gegenüber der Technologie ist. Ich vermute eher, dass wir mit der Landwerke einfach völlig andere Dinge erzählen, als die Menschen bisher so gehört haben.“
Was er meint: Es werde den Menschen Angst vor E-Autos, Wärmepumpen und Solaranlagen gemacht, nach dem Motto: „Das ist nur was für Reiche und das ist alles total teuer.“
„Wir werden ihnen ein Angebot machen, das ihre Energiekosten senkt“
Nach Ansicht des Landwerke-Chefs haben Solarmitanbieter wie ENPAL & Co. auch Vertrauen zerstört, weil es sich für den Privatkunden oft gar nicht rechne, sondern nur der Anbieter verdiene, so der Landwerke-Chef.
„Dass aber ein ´regionales ENPAL´, das mit Handwerkern aus der Region arbeitet, am Ende einfach Kosten spart und diesen Vorteil an die Kunden weitergeben kann, ist für viele neu und nicht greifbar.“
Trotz des geringen Interesses wollen die Initiatoren das Projekt noch nicht aufgeben. Der Plan ist, die Mehrheit der Anwohner zu überzeugen: „Wir werden ihnen ein Angebot machen, das ihre Energiekosten, also Strom, Wärme, Mobilität insgesamt, um 100 bis 200 Euro im Monat senkt. Wenn wir die Mehrheit damit nicht überzeugen können, dann ist die Energiewende in Deutschland wohl gescheitert“, so der Landwerke-Chef zu FOCUS online.
Dem MDR-Bericht zufolge wollen die Landwerke Mittelsachsen Ende Juli die Energiedaten aller interessierten Einwohner und Grundstückseigentümer in Neukirchen erfassen. Wenn sie genügend Unterstützer für die Idee gewinnen, soll danach die Planungsphase beginnen.
efahrer hier
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