Tagesschau hier 04.07.2024
Fast zwei Millionen Wohnungen stehen leer
Trotz Wohnungsnot stehen laut Statistikamt in Deutschland fast zwei Millionen Wohnungen leer - vor allem in Großstädten. Allein in Berlin waren es zum Stichtag mehr als 40.000 Wohnungen, in München mehr als 20.000.
Trotz der hohen Wohnraumnachfrage stehen in Deutschland viele Wohnungen leer. Nach Erhebungen des Zensus waren es zum Stichtag 15. Mai 2022 rund 1,9 Millionen Wohnungen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht genutzt wurden. Das entspricht einer Leerstandsquote von 4,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt berichtet.
Über 40.000 leere Wohnungen in Berlin
Allein in Berlin standen demnach zum Stichtag mehr als 40.000 Wohnungen leer, in München waren es mehr als 20.000. Auch in anderen Großstädten gab es Tausende leerstehende Wohnungen: In Hamburg waren es etwas weniger als 20.000, ebenso in Leipzig. In Dresden standen zum Stichtag rund 13.000 Wohnungen leer.
Geringer war die Zahl der leerstehenden Wohnungen in kleineren Städten: In der thüringischen Hauptstadt Erfurt standen zum 15. Mai 2022 etwa 5.000 Wohnungen leer, in Tübingen etwa 1.000 und in der Universitätsstadt Marburg lag die Zahl der leerstehenden Wohnungen ebenfalls bei etwa 1.000.
Stadtansicht von Landau
Wohnungen sind oft lange unbewohnt
Über die Hälfte dieser leerstehenden Immobilien (55 Prozent) wurde seit mehr als einem Jahr nicht mehr bewohnt. Und nur etwas mehr als ein Drittel der leeren Wohnungen (38 Prozent) war in den nächsten drei Monaten bezugsfertig. In den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin waren die jeweiligen Anteile dieser schnell verfügbaren Wohnungen mit 52 bis 61 Prozent deutlich höher.
Für fast jede vierte leere Wohnung (24 Prozent) waren Baumaßnahmen oder Sanierungen geplant. Ein Abriss stand nur bei vier Prozent der leerstehenden Wohnungen an. Sieben Prozent sollten verkauft oder von den Eigentümern selbst genutzt werden.
Die Daten stammen aus dem Zensus 2022, der auf amtlichen Registern und der Befragung von zwölf Prozent der Bevölkerung zu verschiedenen Themenbereichen basiert. Laut Statistischem Bundesamt erteilten bei der Gebäude- und Wohnungszählung rund 23 Millionen Eigentümer Auskünfte zu ihren Immobilien, ebenso wie rund 8.000 Wohnungsunternehmen.
Zeit hier 3. Juli 2024, Von Paul Blickle, Ruth Fend und Tamara Flemisch
Leerstehender
Wohnraum: Wo Deutschlands leere Häuser stehen
Während in den Städten die Wohnungsnot groß ist, sind andere Regionen fast entvölkert. Der Leerstand trifft nicht nur den Osten, wie unsere interaktive Karte zeigt.
Der Leerstand in Deutschland ist extrem ungleich verteilt. Wie unsere interaktive Karte zeigt, stehen in Ballungsräumen wie Berlin, Hamburg und München nur etwa zwei Prozent der Wohnungen leer. In manchen strukturschwachen ländlichen Gemeinden, gerade in Ostdeutschland, sind es dagegen bis zu 30 Prozent – also jede dritte Wohnung. Das zeigen Daten des Zensus, die kürzlich veröffentlicht wurden und den Leerstand für das Jahr 2022 abbilden. "2,5 Prozent Leerstand gilt als normal für einen funktionierenden Wohnungsmarkt", sagt Michael Voigtländer, der am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zu Finanz- und Immobilienmärkten forscht. "Wenn wir Quoten von über zehn Prozent haben, ist das bedenklich."
Trotz großer Nachfrage und Wohnungsboom in den vergangenen zehn Jahren ist demnach der Leerstand von Wohnungen in Deutschland nur leicht zurückgegangen. Im Jahr 2022 standen deutschlandweit rund 1,9 Millionen Wohnungen leer. Das sind zwar absolut etwa 200.000 mehr als in der Erhebung von 2011. Gemessen an der Gesamtzahl an Wohnungen ist der Leerstand aber leicht gesunken: Im Jahr 2022 waren 4,3 Prozent aller Wohnungen unbewohnt, 2011 waren es 4,4 Prozent.
Den höchsten Leerstand in Deutschland verzeichnet die Thüringer Gemeinde Hartmannsdorf, 668 Einwohner: Hier stehen 43 Prozent der Wohnungen leer. Auf Platz zwei folgt Büchenbeuren im Rhein-Hunsrück-Kreis (1.890 Einwohnerinnen) in Rheinland-Pfalz. Der geringste Leerstand ist mit 0,84 Prozent in der 2.740-Einwohner-Gemeinde Roggentin im Landkreis Rostock zu finden.
In der Regel stehen Wohnungen oder Häuser leer, weil viele Menschen aus den Orten abgewandert sind. Das betrifft gerade viele ostdeutsche Gemeinden – aber nicht nur: Auch einige ländliche Regionen in Rheinland-Pfalz oder im Schwarzwald verzeichnen Leerstandsquoten von zehn Prozent plus. Die Bundesländer mit den höchsten Quoten sind Sachsen-Anhalt (8,9 Prozent), Sachsen (8,5 Prozent) und Thüringen (7,8 Prozent). In Westdeutschland finden sich im Saarland (5,5 Prozent) prozentual die meisten leeren Wohnungen. Die wenigsten stehen – nach den Stadtstaaten Hamburg (1,9 Prozent) und Berlin (zwei Prozent) – in Schleswig-Holstein leer.
"Wir fokussieren uns immer auf die stark wachsenden Regionen, wo wir viel mehr bauen müssten. Aber es gibt eben auch diejenigen, die sich in einer Abwärtsspirale befinden und wo die Perspektiven nicht mehr da sind", sagt Voigtländer.....
Braun zufolge sank der Leerstand 2022 aufgrund der Zuwanderung aus der Ukraine um rund 130.000 Wohnungen. Ohne diesen Effekt wäre er gegenüber 2021 um etwa 100.000 Wohnungen gestiegen. Den tatsächlichen Leerstand für das Jahr 2022 schätzt empirica auf 1,6 Millionen leer stehende Wohnungen....
Empirica rechnet damit, dass sich der Trend bis 2045 fortsetzen wird und die Leerstandsquoten steigen. Dafür gibt es zwei Gründe:
- Jüngere Menschen ziehen für Ausbildung oder Studium in größere Städte, wo Wohnraum zunehmend knapp wird. Mittlerweile kehren sie danach aber nicht mehr zurück in ihre Heimatorte.
- Und zweitens werden aufgrund der demografischen Entwicklung insgesamt weniger Wohnungen benötigt. "Die Zuwanderung kann gar nicht mehr so groß werden, als dass sie den natürlichen Rückgang durch den Sterbeüberschuss überkompensiert", sagt Braun.
Was einer besseren Verteilung von Wohnraum zusätzlich im Weg steht, ist die Wohnsitzregelung im Aufenthaltsgesetz für Geflüchtete. "Die eigentliche Idee ist ja, die Leute dort hinzuschicken, wo es Leerstände gibt. Aber stattdessen hat man gesagt: Ihr müsst dort bleiben, wo ihr seid", sagt Braun. Wer also einmal einer Stadt wie Stuttgart oder München zugewiesen wurde, wo der Immobilienmarkt besonders angespannt ist, könnte auch nicht mehr in eine ländlichere Region in einem anderen Bundesland ziehen. Eine im April erschienene empirica-Evaluation für die Bundesagentur für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die zwischen Juni 2021 und Dezember 2022 durchgeführt wurde, beurteilte das Gesetz in weiten Teilen denn auch als nicht zielführend – nur wurde es verlängert, bevor die Ergebnisse vorlagen.
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