Fritz schrieb mir: Anbei noch ein
SZ-Interview mit dem „Batteriepapst“ Fichtner.
Noch ein Vergleich:
Avisierter CO2-Ausstoß Batterieherstellung 10 kg CO2/kWh (z.Z. noch 30).
1 Wegwerf-Weinflasche ca. 1 kg CO2. Da sollte man sich mal den Jahresverbrauch
für Wein und Sekt überdenken!
Süddeutsche Zeitung hier 17. April 2024,Interview von Steve Przybilla
E-Autos: Zehn Minuten laden, 700 Kilometer Reichweite
Viele Deutsche lehnen E-Autos ab - aus Sorge, sie ständig laden zu müssen. Dabei schreitet die Entwicklung neuer Akkus rasant voran. Batterieforscher Maximilian Fichtner über sinkende Preise, neue Chemie und den fehlenden Willen der Hersteller.
SZ: Herr Fichtner, E-Autos sind noch immer deutlich teurer als Verbrenner. Die Hersteller rechtfertigen das mit den hohen Preisen für Akkus, verraten aber selten Details. Wie teuer ist denn eine Elektroauto-Batterie?
Maximilian Fichtner: Das hängt von der Größe ab. Wenn Sie einen Akku tauschen, kostet das in der Regel zwischen 8000 und 10 000 Euro. Das ist die Hauptkomponente, ähnlich wie der Motor in einem Verbrenner. Ein Freund von mir musste letztens den Motor seines Audi A6 tauschen. Das hat auch 12 000 Euro gekostet.
Wenn die Preise vergleichbar sind, warum kosten E-Autos dann mehr?
Bei jeder neuen Technik versuchen Hersteller am Anfang, ihre Investitionen wieder reinzuholen. Chinesische Hersteller haben einen Vorsprung, deshalb sind sie auch billiger. In China kann man einen Mittelklasse-Elektrowagen schon für 14 000 Euro kaufen, womit er weniger kostet als ein Verbrenner. In der unteren Mittelklasse gibt es sogar Modelle für 10 000 Euro. Die Europäer sind da noch etwas hinter, haben aber zumindest schon billigere Modelle angekündigt.
Es ist also gar keine Frage der Technik, sondern des Willens?
Das sehen Sie auch daran, dass E-Autos, die es in China für 16 000 Euro gibt, bei uns das Doppelte kosten, zum Beispiel der Kompaktwagen BYD Dolphin. Der Markt gibt es her. Trotzdem verdienen Sie mit E-Autos noch nicht so viel wie mit Verbrennern. Bis sich das angeglichen hat, wird es noch eine Weile dauern. In dieser Zeit ist es möglich, dass wir mit billigen Modellen aus China überfrachtet werden - wenn der Preiskampf erst einmal beginnt.
Wird die Herstellung der Batterien günstiger, je mehr Erfahrung die Hersteller sammeln?
Der Preis von Lithium-Ionen-Batterien pro Kilowattstunde ist in den letzten zehn Jahren um 90 Prozent gefallen. Gleichzeitig hat sich die Kapazität verdoppelt. Das ist ein dramatischer Fortschritt. Es kommen immer neue Produktionsverfahren auf den Markt, die weniger Energie verbrauchen. Auch die Materialien werden nachhaltiger und kostengünstiger. Die chinesischen Hersteller verbrauchen größtenteils gar kein Kobalt mehr ...
... ein Rohstoff, der in der Kritik steht, weil er mit Kinderarbeit in Verbindung gebracht wird.
Auch bei Tesla kommt mehr als die Hälfte der Flotte ohne Kobalt aus, weil man verstärkt auf Eisenphosphat-Akkus setzt. Momentan stecken in den Batterien vor allem zwei kritische Rohstoffe: Lithium und Graphit. Kritisch sind diese Rohstoffe hauptsächlich aus politischen Gründen. Graphit kommt fast ausschließlich aus China; Lithium mehrheitlich aus Australien. Doch auch dort existieren nur wenige Minen - und aufgearbeitet wird fast alles in China.
Wie lassen sich solche Abhängigkeiten vermeiden?
Viele Länder gehen aktuell massiv in Richtung Natrium-Ionen-Batterie. Da sind kaum noch kritische Rohstoffe drin, nicht mal mehr Lithium. In China können Sie schon die ersten Pkw-Modelle mit solchen Batterien kaufen. Der größte Batteriehersteller der Welt, CATL, baut gerade eine große Produktionslinie auf.
Welche Vor- und Nachteile haben Natrium-Ionen-Batterien, von den Rohstoffen einmal abgesehen?
Vorteile sind schnellere Ladezeiten, eine bessere Winterfestigkeit und günstigere Preise. Der Hauptnachteil ist, dass die Speicherkapazität noch verbessert werden muss. Aktuelle E-Autos, die mit Natrium-Ionen-Akkus fahren, haben eine Reichweite von etwa 300 Kilometern. Aber auch hier ist die Forschung dran.
Was halten Sie von sogenannten Feststoffbatterien?
Auch bei einer Feststoffbatterie wandert Lithium zwischen Minus- und Pluspol hin und her, aber durch einen festen Ionenleiter, nicht in einer Flüssigkeit, wie das bei den Batterien im Augenblick der Fall ist. Dadurch entsteht eine Batterie, die nicht mehr brennen kann und außerdem leichter ist. So gewinnt man nochmals 30 oder 40 Prozent zusätzliche Kapazität. Momentan setzt sich trotzdem eher die Lithium-Eisenphosphat-Variante basierend auf der klassischen Technologie durch, hauptsächlich wegen der geringeren Kosten. Die Natrium-Ionen-Akkus haben ebenfalls hohes Kostenreduktionspotenzial, allerdings werden die Anlagen erst noch gebaut.
Wenn die Akkus immer größer werden, wächst aber auch der Bedarf an Rohstoffen.
Im Gegenteil. Die Akkus werden eher kleiner, weil ihre Speicherkapazität steigt. Sie können also mit weniger Material längere Strecken fahren.
Werden die Reichweiten also weiter steigen oder gibt es da eine natürliche Grenze?
Wir denken immer, dass es da eine natürliche Grenze gibt - und dann kommt plötzlich der nächste Sprung. Im Augenblick haben wir Speicherkapazitäten der Batteriezelle von bis zu 300 Wattstunden pro Kilogramm. Die ersten Arbeitsgruppen arbeiten schon an Zellen, die auf über das Doppelte kommen. Sie können jetzt schon Autos in China kaufen, die auf 1000 Kilometer kommen. Der Hersteller CATL bietet eine Batterie mit 700 Kilometer Reichweite an, die in zehn Minuten geladen ist. Da ist unheimlich viel in Bewegung.
Kann die deutsche Autoindustrie mithalten?
Im Augenblick haben die Deutschen nichts Konkurrenzfähiges, das muss man leider sagen.
Mein Eindruck ist, dass es an einem gewissen Pragmatismus mangelt. Wenn die Chinesen vor einem Problem stehen, wird es gelöst, und zwar ohne Rücksicht auf interne Machtstrukturen oder Patentlagen. Bei Tesla genauso. Während bei den großen Playern in Asien und USA kobaltfreie Materialien schon eine Weile erfolgreich eingebaut werden, ist der Stand der Autobauer in Deutschland: "Wir denken da mal drüber nach ..."
Oder liegt die Zukunft vielleicht doch in Wechselsystemen, wie sie der Hersteller Nio schon anbietet? Dort werden leere Batterien in fünf Minuten gegen volle getauscht ...
Mit jedem Jahr, in dem es Nio nicht gelingt, Fuß zu fassen, wird es schwieriger. Die kommenden Batterien werden immer schneller beladbar - da ist die Wechselstation am Ende vielleicht nur fünf bis zehn Minuten schneller. Vielen Menschen ist auch unwohl beim Gedanken, dass eine so wichtige Komponente ihres Autos ausgetauscht wird. Noch dazu sind die Leasingraten von Nio unheimlich hoch.
E-Autos sind zwar auf ihren gesamten Lebenszyklus gerechnet klimafreundlicher als Verbrenner. Bei der Akkuherstellung fallen aber deutlich mehr Emissionen an. Ist da eine Lösung in Sicht?
Der Batteriehersteller Northvolt kommt aktuell auf Emissionen von 30 Kilogramm CO₂ pro Kilowattstunde. Bis 2025 wird die Firma bei zehn Kilogramm liegen. Das ist in Zehntel von dem, was im Jahr 2020 noch EU-Mittelwert war. Das geht, indem energieintensive Produktionsschritte durch sparsamere ersetzt werden. Außerdem stellt die Industrie massiv auf erneuerbare Energien um. Die Tesla-Fabrik in Texas setzt so viel Solarstrom ein, dass die Autos nicht erst nach 60 000 Kilometern emissionsfrei sind, sondern schon nach 8000 Kilometern.
Warum werden Batterien trotz der darin enthaltenen Rohstoffe bisher kaum recycelt?
Derzeit werden die Batterien beim Recycler entladen, geschreddert und in einen Hochofen gesteckt. Unten kommt dann ein dicker geschmolzener Brocken raus, aus dem einzelnen Elemente mit viel Chemie zurückgewonnen werden. Das ist die klassische Methode. Gleichzeitig arbeiten Hersteller am hydrothermalen Verfahren, das deutlich ressourcenschonender ist. Noch fehlt es aber schlicht am Material zum Recyceln. Aktuelle Batterien kommen auf bis zu eine Million Kilometer im Auto und können danach immer noch als Pufferspeicher in der Industrie genutzt werden. Bis also der große Rücklauf kommt, wird es Mitte der 2030er-Jahre sein.
Allmählich kommt bei E-Autos der Gebrauchtwagenmarkt in Fahrt. Kann man eine gebrauchte Batterie guten Gewissens kaufen?
Ich würde jedem raten, die Batterie beim TÜV oder bei der Dekra checken zu lassen. Ein Freund von mir hat sich einen vier Jahre alten Tesla gekauft: Die Batterie hatte eine Restkapazität von 96 Prozent. Natürlich gibt es auch Negativbeispiele, aber die neueste Studie der TU München zeigt, dass Batterien merklich länger halten, als wir ursprünglich gedacht haben. Es spricht also nichts gegen ein gebrauchtes E-Auto.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen