Mittwoch, 24. Juli 2024

Kraftstoff HVO100: Umwelthilfe klagt gegen Verkehrsministerium

NTV  hier  18.07.2024, 

Wirbel um Kraftstoff HVO100

HVO100 ist ein Verbrennerkraftstoff, soll aber deutlich weniger Emissionen erzeugen. Die Umwelthilfe bezweifelt das und fordert Informationen. Das Verkehrsministerium mauert, die NGO klagt. Druck gibt es für Wissing allerdings auch wegen zahlreichen Werbeauftritten für den Kraftstoff.

Wegen einer Werbekampagne zum kürzlich zugelassenen Kraftstoff HVO100 steht das Bundesverkehrsministerium bereits unter Druck. Am Dienstag reichte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zudem Klage wegen des Synthetik-Diesels gegen das von Volker Wissing geführte Haus ein. Darin pocht sie auf die Herausgabe von Abgasmessungen zu dem Kraftstoff. Das Ministerium wies die Vorwürfe zurück.

Seit Ende Mai kann HVO100 an Tankstellen in Deutschland gekauft werden. Der synthetische Kraftstoff wird etwa aus Pflanzenölen, pflanzlichen und tierischen Fetten oder daraus bestehenden Abfallstoffen hergestellt und soll eine bessere Klimabilanz aufweisen als herkömmlicher Diesel.

Bei der Verbrennung wird ähnlich viel CO2 freigesetzt, da dieses CO2 jedoch aus nachwachsenden Rohstoffen stammt, ist die Bilanz nahezu klimaneutral - es kommen lediglich die Emissionen zum Tragen, die bei der Herstellung des Kraftstoffes angefallen sind. Unter dem Strich wird von einer CO2-Reduktion von bis zu 90 Prozent ausgegangen. Der Kraftstoff kostet an der Zapfsäule allerdings spürbar mehr als herkömmlicher Diesel.

Die Deutsche Umwelthilfe spricht in dem Zusammenhang von einer "Scheinlösung". Die Umweltschützer verweisen etwa auf "erhöhte Stickoxid-Emissionen bei bestimmten Dieselfahrzeugen" beim Betrieb mit HVO100. (siehe dazu die beiden Artikel unten)

Verkehrsministerium widerspricht Umwelthilfe

Den Angaben der DUH zufolge reagierte das Bundesverkehrsministerium nicht auf wiederholte Anfragen zu den Abgaswerten. Mitte Juni stellte die Organisation einen formalen Antrag auf Basis des Umweltinformationsgesetzes (UIG) und forderte Informationen bis zum 12. Juli. Nachdem das Ministerium auch auf eine gesetzte Nachfrist nicht reagiert habe, habe sie Klage beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht, erklärte die Organisation.

Für das Bundesverkehrsministerium sind die Angaben der DUH "nicht nachvollziehbar". "Es wurden keine belastbaren Ergebnisse präsentiert, die die behauptete Verschlechterung der Schadstoffemissionen beim Betrieb mit HVO100 belegen würden", erklärte das Ministerium. Die DUH habe nur ein Fahrzeug getestet, für das herstellerseitig keine Freigabe für HVO100 bestehe. Daraus ergebe sich keine allgemeingültige Aussage.

Die Untersuchungen der Umweltschützer seien zudem ungeeignet, "Emissionsauswirkungen des Kraftstoffes in Vergleichsmessungen wissenschaftlich zu verifizieren", so das Ministerium und verwies auf eine Stellungnahme des ADAC von Ende Juni. Der Automobilclub hält die Meldungen der DUH zu höheren Abgaswerten demnach für einen "durchsichtigen Versuch, den neuen Dieselkraftstoff HVO100 zu diskreditieren".

Wissing wirbt für HVO100-Kampagne

Aus Sicht des Verkehrsministeriums seien in der Gesamtbetrachtung "keine signifikanten Emissionserhöhungen durch den Betrieb mit HVO100 zu erwarten". Im Gegenteil werde "sogar tendenziell von einer Senkung relevanter Emissionen" ausgegangen.

Kritik im Zusammenhang mit HVO100 gab es zuletzt wegen der Beteiligung des Bundesverkehrsministeriums an einer Werbekampagne für den Kraftstoff. Dahinter steht der Münchner Verein "Mobil in Deutschland". Recherchen des ZDF-Magazin "frontal" legen dabei mögliche Grenzüberschreitungen des Bundesverkehrsministeriums nahe. Demnach ließen sich Wissing und sein Staatssekretär Oliver Luksic in die Kampagne einspannen, obwohl sich Fachreferate des Ministeriums laut internen Papieren dagegen ausgesprochen hatten.

Wissing und Luksic traten laut ZDF bei Terminen auf, unterstützten Werbemaßnahmen für HVO100 und trafen sich mit Geldgebern. Luksic übernahm die Schirmherrschaft der Kampagne, zog sich davon am Montag jedoch zurück. Zudem soll der Lobby-Verein mit der "Möglichkeit, sich bei einem exklusiven VIP-Meeting mit Minister oder Staatssekretär vorzustellen und auszutauschen" geworben haben. Kosten für diese und weitere Leistungen: Eine "Premium-Kooperation" für 9900 Euro.

Das Bundesverkehrsministerium wehrte sich gegen Vorwürfe einer "unrechtmäßigen Einflussnahme von Interessengruppen und einer Vermittlung von Terminen mit der Hausleitung gegen Bezahlung". Die Vorwürfe richteten sich gegen den Verein und nicht das Ministerium. Nach Bekanntwerden der Recherchen von ZDF "frontal" habe Luksic in einem Brief an "Mobil in Deutschland" um "umfassende Aufklärung" gebeten, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Bis die Vorwürfe rückstandslos ausgeräumt sind, ruhe die Schirmherrschaft.

Quelle: ntv.de, als/AFP


T-Online  hier  28.6.24

Warnung vor neuer Spritsorte: "Besonders schädlich für die Gesundheit"

HVO100: Die Deutsche Umwelthilfe warnt vor dem Diesel-Ersatz.
Ist der vermeintliche Wunderkraftstoff die reinste Mogelpackung? Umweltschützer warnen dringend vor dem Diesel-Ersatz HVO100. Ihre Vorwürfe haben es in sich.

Kurz zusammengefasst:

    • HVO100-Diesel führt zu 20 Prozent mehr NOx-Emissionen.

    • Nicht nur Reststoffe, auch Palmöl wird für HVO100 verwendet.
Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert Minister Wissing zur Korrektur seiner Aussagen.


Seit Ende Mai 2024 gibt es an deutschen Tankstellen eine neue Spritsorte: HVO100. Der paraffinhaltige Dieselkraftstoff verspricht, umweltfreundlicher zu sein und dabei kaum mehr zu kosten als herkömmlicher Diesel. Auch t-online berichtete darüber. Allerdings: Offenbar ist nichts davon wahr.

Höhere Emissionen und Gesundheitsrisiken

Der vermeintliche Wunderdiesel HVO100 ist sogar noch schädlicher als herkömmlicher Diesel. Das ergaben neue Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Ergebnisse zeigen, dass beim Einsatz von HVO100 der Ausstoß des Dieselabgasgiftes NOx um ein Fünftel (20 Prozent) höher ist – mit sehr bedenklichen Folgen.

Dr. Axel Friedrich, Leiter des Emissions-Kontroll-Instituts der DUH, warnt: "Besonders problematisch ist, dass auch die ultrafeinen Partikel ansteigen. Diese sind besonders schädlich für die Gesundheit, weil sie tief in den Körper bis in die Blutbahnen eindringen."

Herkunft und Herstellung: ein zweifelhaftes Versprechen

Und noch eine Behauptung erweist sich als Lüge: Entgegen der offiziellen Darstellung wird HVO100 nicht ausschließlich aus Reststoffen wie altem Frittieröl hergestellt. Tatsächlich werden auch eigens angebaute Pflanzenöle wie Palmöl verwendet, sagt die Umwelthilfe. Außerdem werde bei der Verbrennung von HVO100 genauso viel klimaschädliches CO₂ freigesetzt wie bei fossilem Diesel.

"HVO100 ist eine Scheinlösung, die bei der Verbrennung wie auch bei der Herstellung oft mit gravierenden Nebenwirkungen auf Klima und Biodiversität einhergeht", sagen die Umweltschützer. Und das dürfte niemanden überraschen, der sich mit der Thematik auskennt. Denn: Altspeiseöle und ölhaltige Rest- und Abfallstoffe sind nicht ausreichend verfügbar. Daher kann HVO100 von vornherein nicht sauber sein.

DUH-Bundesgeschäftsführer richtet eine klare Forderung an den Bundesverkehrsminister: "Volker Wissing muss aufhören, HVO100 mit falschen Behauptungen zu bewerben, und stattdessen seinen Einsatz für die saubere Luft und das Klima erhöhen."

Verwendete Quellen

duh.de: HVO100 noch schmutziger als herkömmlicher Diesel: Abgasmessungen der Deutschen Umwelthilfe zerstören Wissings Märchen vom sauberen Wunderkraftstoff


Basicthinking  hier  30. Mai 2024  geschrieben von Fabian Peters

Alles nur Betrug? Der angebliche Öko-Diesel HVO100 ist nur eine Scheinlösung

Seit Ende Mai 2024 dürfen Tankstellen in Deutschland den vermeintlichen Öko-Diesel HVO100 verkaufen. Das Problem: Der Kraftstoff, der aus Fettresten und Pflanzenöl besteht, ist mitunter sogar schädlicher als normaler Diesel. Die Hintergründe. 

Neuer Diesel-Kraftstoff: Was ist HVO100?

HVO steht für „Hydrotreated Vegetable Oils“. Dabei handelt es sich um erneuerbare Kraftstoffe, die unter die paraffinischen Dieselkraftstoffe fallen. Bei der Produktion sollen überwiegend Abfallstoffe wie alte Speisefette zum Einsatz kommen.

Diese Pflanzenöle werden durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Der Prozess sorgt dafür, dass beispielsweise alte Speisefette in ihren Eigenschaften an fossile Dieselkraftstoffe angepasst werden.

Wenn HVO an Tankstellen zusätzlich die Nummer 100 trägt, bedeutet das, dass es sich um HVO in Reinform handelt. Er kann Dieselkraftstoffen aber auch beigemischt werden.

Zapfsäulen, an denen paraffinische Dieselarten wie HVO100 in Reinform angeboten werden, müssen zusätzlich die Bezeichnung XTL tragen. Die Abkürzung steht für „X To Liquid“. Heißt konkret: Ein beliebiges Ausgangsmaterial (X) wird in einen flüssigen Energieträger umgewandelt. Dabei kann es sich um verschiedene Rohstoffe handeln.

Wer darf HVO100 tanken?

Ein einheitliche XTL-Kennzeichnung an Tankstellen und im Tankdeckel soll sicherstellen, dass Autofahrer nicht den falschen Kraftstoff wählen. Um HVO100 tanken zu können, bedarf es eine Freigabe für die jeweiligen Modelle.

In Abstimmung mit den Fahrzeugherstellern hat die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) eine offizielle Freigabeliste veröffentlicht. Autobesitzer sollten aber auch die Angaben im Tankdeckel und in der Bedienungsanleitung prüfen.

Der ADAC begrüßt die Einführung von HVO100 und rechnet damit, dass der neue Kraftstoff schrittweise an den Tankstellen eingeführt wird. Er soll Schätzungen zufolge bis zu 20 Cent teurer sein als herkömmlicher Diesel.

Aufgrund seiner vermeintlich besseren Klimabilanz fällt auf HVO-Diesel keine CO2-Steuer an. Der ADAC schreibt dazu: „In seiner Reinform (HVO100) senkt der Treibstoff die bilanziellen CO2-Emissionen von Dieselfahrzeugen um bis zu 90 Prozent gegenüber fossilem Diesel.“ Doch ist das wirklich so?


Ist der Öko-Diesel nur eine Scheinlösung?

Kritiker bezweifeln, dass die Klimabilanz von HVO100 tatsächlich so positiv ausfällt wie angegeben. Im Gegenteil: Laut Deutsche Umwelthilfe (DUH) handelt es sich bei dem Kraftstoff sogar um eine Scheinlösung, die kein Erfolg für den Klimaschutz sei.

Die DUH, der Deutsche Natruschutzring, Greenpeace, Robin Wood, Transport & Environment und der Deutsche Naturschutzbund (NABU) haben anlässlich der Einführung von HVO100 deshalb einen umfangreichen Faktencheck veröffentlicht. Das Ergebnis: vernichtend.

Der Deutschen Umwelthilfe zufolge berge der massenhafte Einsatz von altem Frittierfett, Palmöl-Nebenprodukten oder Tierfetten sogar ein hohes Betrugsrisiko. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dazu: „Ein Kraftstoff, für den altes Frittierfett aus Asien um den halben Globus transportiert wird, um dann hier in Pkw-Verbrennungsmotoren verheizt zu werden, ist nicht nachhaltig“.

Die Herstellung von HVO erfordert außerdem Wasserstoff. In Deutschland wird dieser jedoch überwiegend aus fossilen Energieträgern gewonnen, was den angeblichen Öko-Diesel relativiert. Schlimmer noch: Der neue Kraftstoff kann Umwelt und Klima sogar erheblich schaden.


So funktioniert der Betrug mit HVO100

NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller erklärte dazu: „Der Kraftstoff HVO100 wird von der Industrie gerne als rein abfall- und reststoffbasierter Sprit beworben. Ein Großteil der Ausgangsstoffe vom sogenannten „Bio“-Sprit stammt jedoch aus Monokulturen direkt vom Acker und verbraucht damit Flächen, die für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden könnten“.

Das sei „ein schwerwiegender Fehler, der Biodiversität, Klimaschutz und Industrie schadet und den Blick auf die eigentlichen Lösungen trübt“. Das Betrugsrisiko ist außerdem enorm. Asiatische Unternehmen jubeln Deutschland und Europa etwa Palmöl als Rohstoff für Biodiesel unter, da dieser nicht mehr auf die THG-Quote angerechnet wird.

Die Spur führt dabei häufig nach China. Dort wird klimaschädliches Palmöl oder HVO aus klimaschädlichem Palmöl schlichtweg umdeklariert und als HVO aus alten Speisefetten nach Deutschland verkauft. Der Masche stehen dabei Tür und Tor offen. Denn offenbar sind weder die Bundesregierung noch die EU-Kommission daran interessiert, etwas dagegen zu tun.

Der Grund: Alle EU-Länder haben sich darauf geeinigt, den Anteil von Biokraftstoffen zu erhöhen und den Ausstoß von Treibhausgasen (THG) im Verkehr zu reduzieren. Mangelnde Regulation hat sogar bereits dafür gesorgt, dass der EU frisches Sojaöl als altes Speiseöl verkauft wurde.

Obwohl Deutschland die Anrechenbarkeit von klimaschädlichem Palmöldiesel hierzulande beendet hat, stiegen Palmölmühlenrückstände in angeblichen Öko-Krafstoffen massiv an. Solche vermeintlichen Alternativen, die aus Rest- und Abfallstoffen bestehen sollen, sind deshalb eine ressourcenverschwendende Sackgasse.

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