Augsburger Zeitung hier Von Oliver Helmstädter | 03.07.24
Klima-Kletterer: Auf den Großeinsatz am Ulmer Münster folgt die dicke Rechnung.
Die Inobhutnahme bei der Ulmer Polizei währte nicht lange. Die Klima-Aktivisten laden zur Pressekonferenz und zeigen wenig Verständnis für Kritik.
Was der Großeinsatz auf dem Ulmer Münsterplatz gekostet hat, das weiß auch Samuel Bosch nicht, der zusammen mit Tara Novak und Lino Krüger das Münster bestiegen hat. Der gelernte Baumpfleger macht auf Nachfrage die Polizei für eine Kostensteigerung verantwortlich: „Uns wurde nie angeboten, dass wir freiwillig heruntergehen können.“
Denn in diesem Fall hätte sich der Steuerzahler nach seiner Lesart die mutmaßlich mehreren 1000 Euro sparen können, die der Einsatz eines eigens angemieteten Kranes gekostet hat, der seinen Arm bis zu 100 Meter in die Höhe strecken kann. „Deswegen denke ich nicht, dass man uns die Kosten zurechnen kann.“
Drei Kimaaktivisten haben auf dem Hauptturm des Ulmer Münsters ein Banner aufgehängt. Die Verhaftung vor Schaulustigen erfolgte per Kran und zog sich dreieinhalb Stunden hin.
Bosch rechnet damit, dass es so oder so eine Summe zu begleichen gibt, die er womöglich nicht bezahlen kann. Dennoch will er sein Erspartes, Spenden oder auch den eigenen Konkurs einsetzen. „Diese Folgen lohnen sich definitiv.“
Denn der junge Mann ist überzeugt, der Rettung der Welt mit dieser Tat samt der gesendeten Botschaft einen Dienst geleistet zu haben. Mit Strafen hat Bosch Erfahrung: Der Klimaaktivist ist in einschlägigen Kreisen längst bekannt für öffentlichkeitswirksame Protestaktionen, vom Klettern auf die Adenauerbrücke zwischen Ulm und Neu-Um bis hin zur Besetzungsaktion im Altdorfer Wald und einer Blockade vor dem Nürnberger Hauptbahnhof.
Die Staatsanwaltschaft strebte offenbar ein „beschleunigtes Verfahren“ an. Das scheiterte aber am Widerstand des Anwalts der Gruppe, die nach Auskunft von Bosch aus „20 bis 30 Menschen“ besteht.
Der Ravensburger Rechtsanwalt Klaus Schulz leistet einem der Kletter rechtlichen Bestand. Er habe sich dafür eingesetzt, dass kein Prozess im „Eilverfahren“ zur Anwendung kommt. „Das wäre ein Justizskandal.“ Dieses Instrument sei womöglich geeignet für „rumänische Ladendiebe“, bei denen hohe Verdunklungsgefahr bestehe. Nicht aber für Menschen mit festem Wohnsitz aus der Region.
Was ist mit Schäden am Ulmer Münster?
Der Anwalt rechnet damit, dass auf die Klima-Kletterer eine Rechnung in Höhe von „ein paar tausend Euro“ zukomme. Dass durch die Klettertour Beschädigungen am Münsterturm entstanden sind, glaubt Schulz nicht. Denn die Aktivisten wüssten, um den Wert des Münsters und der Einbuße an öffentlicher Unterstützung, falls sie das Ulmer Wahrzeichen beschädigt hätten. Eine Auskunft bei der Münsterbauhütte war zunächst nicht zu bekommen.
Das Ordnungsamt der Stadt und die Polizei untersagten die Kletter-Aktion, nachdem der Münsterdekan Torsten Krannich eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet hatte. Ein Straftatbestand sei in diesem Fall womöglich nicht zutreffend, meint der Anwalt, schließlich habe „kein Eindringen“ der Kletterer in das Gebäude stattgefunden.
„Wäre Jesus Klimaaktivist?“
Es wird dauern, bis sämtliche beteiligten Stellen berechnet haben, wie hoch die Rechnung ausfällt, die an die Aktivisten geschickt wird. Die Feuerwehr führt etwa eine vom Ulmer Gemeinderat abgesegnete Liste, auf der alle Kostenpunkte ganz genau aufgeführt werden. Vom Löschzug bis hin zu einem einzigen Feuerwehrmann pro Stunde. Auch die Polizei hat solche Listen, die in Rechnungen münden, die über den Normalfall hinausgehen. Was der Normalfall ist, darüber dürfte auch vor Gericht noch gestritten werden.
Was war passiert? Diese drei jungen Menschen waren am frühen Dienstagmorgen auf das Ulmer Münster in 70 Meter Höhe geklettert, wurden dann heruntergeholt und vorläufig festgenommen. Sie hatten ein 100-Quadratmeter-Banner mit der Frage: „Wäre Jesus Klimaaktivist?“, entrollt.
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