Samstag, 6. Juli 2024

Tempolimit gefordert

Frankfurter Rundschau  hier  Stand:05.07.2024, Von: Frank-Thomas Wenzel

Maximal hundert Sachen auf Autobahnen und das sofort. Verschiedene Verbände und die Gewerkschaft der Polizei machen Druck auf die Politik, Opfer- und Klimaschutz endlich voranzutreiben.

Ein breites Bündnis aus Verbänden und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert die Einführung eines bundesweiten generellen Tempolimits, und zwar sofort. 

Zusätzlich sei die Verschärfung von bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkungen nötig, heißt es in einer Erklärung, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Zu dem Bündnis gehören unter anderem Umweltorganisationen wie der BUND oder die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und auch die Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland (VOD).

Das Bündnis macht darauf aufmerksam, dass in zahlreichen Nachbarländern zulässige Höchstgeschwindigkeiten reduziert würden, während die Bundesregierung an ihrer Blockadehaltung festhalte. Namentlich verantwortlich dafür wird Volker Wissing (FDP), Bundesverkehrsminister, gemacht.

Deutschland ist das einzige Industrieland ohne eine generelle Beschränkung auf Autobahnen. Es gilt die sogenannte Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde. Unter anderem in den Niederlanden und in Spanien wurden in jüngerer Zeit hingegen Verschärfungen durchgesetzt. Durch die Einführung von Tempo 30 in mehr als 200 französischen Städten sanken dort die Unfallzahlen nach Angaben des Verbände-Bündnisses um 70 Prozent.

BUND-Chef Olaf Band erklärte, dass ein generelles Tempolimit auf Autobahnen eine kostengünstige und effektive Möglichkeit sei, den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren und einen wesentlichen Beitrag für weniger Treibhausgase im Straßenverkehr zu leisten. Und nicht zuletzt seien Limits auch für die Zukunft der Automobilbranche wichtig.

Die CO2-Emissionen im Verkehrssektor liegen nach wie vor deutlich über Vorgaben für den Klimaschutz, mit großer Wahrscheinlichkeit werden die für 2030 gesetzten Ziele verfehlt. Die DUH hat die Bundesregierung deswegen verklagt und in zwei Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg jeweils Recht bekommen. Mitte Mai wurde die Bundesregierung zuletzt dazu verdonnert, mehr Klimaschutzprojekte voranzubringen.

Die Urteile sind allerdings noch nicht rechtskräftig, es laufen Revisionsverfahren, das Bundesverwaltungsgericht wird final entscheiden. Für DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch steht indes längst fest, dass es Tempo 100 auf Autobahnen, maximal 80 Sachen außerorts und nicht mehr als 30 Kilometern pro Stunde innerorts nebst strengen Kontrollen braucht. „Die Ampel muss jetzt sofort handeln“, so Resch.

Michael Mertens, Vorsitzender der GdP NRW, macht auf ein bislang wenig beachtetes neues Phänomen aufmerksam, das mit der steigenden Zahl von E-Autos zusammenhängt. 


„Wer mehr Elektromobilität auf den Autobahnen
ohne zusätzliche Sicherheitsrisiken will,
muss dafür sorgen, dass der Verkehrsfluss stärker harmonisiert wird.“
Das gehe nur mit einem Tempolimit. 


Der Hintergrund: Bei E-Fahrzeugen schwindet die Reichweite dramatisch schnell, wenn sie mit mehr als 130 Kilometern pro Stunde über die breiten Fernstraßen brettern. Entschleunigung ist für E-Autofahrerinnen und -fahrer deshalb angesagt. „Dadurch verändert sich der Verkehrsfluss auf den Autobahnen und einzelne deutlich schnellere Fahrzeuge stellen ein immer größeres Unfallrisiko dar“, so Mertens.

Ragnhild Sørensen vom Verein Changing Cities appelliert direkt an die Freidemokraten: „Wenn die FDP nicht unter fünf Prozent rutschen will, sollte Wissing schleunigst ein Tempolimit einführen.“
Es gebe eine bundesweite Mehrheit in der Bevölkerung für mehr Verkehrssicherheit, weniger CO2-Verbrauch und lebenswerte Städte. „Vor allem gibt es einen großen Wunsch nach Handlung statt bräsiger Ignoranz.“


Spiegel  hier  05.07.2024
Mehr Todesfälle auf Autobahnen – breites Bündnis fordert Tempolimit

Deutsche Unfallstatistik: Auf deutschen Straßen sterben acht Menschen pro Tag, zuletzt stiegen die Opferzahlen besonders auf Autobahnen. Verbände von Umwelthilfe bis Gewerkschaft der Polizei fordern, beim Dauerstreitthema Tempolimit umzudenken.

Die Zahl der Verkehrstoten ist 2023 noch stärker angestiegen als angenommen. Nach endgültigen Zahlen  des Statistischen Bundesamtes kamen im vergangenen Jahr 2839 Menschen bei Straßenverkehrsunfällen ums Leben. Das waren 51 Tote mehr als 2022 – und nicht 42, wie bei den vorläufigen Zahlen vom Frühjahr. »Pro Tag wurden damit im Jahr 2023 durchschnittlich acht Menschen auf deutschen Straßen getötet«, berichteten die Statistiker am Freitag in Wiesbaden. Auffällig stark stieg die Zahl der Unfälle mit Personenschaden auf Autobahnen, um 7,5 Prozent auf 19.000. Dabei starben laut der Mitteilung 302 Menschen. Zu schnelles Fahren wurde mit 43 Prozent der Fälle als Hauptursache benannt. Auf Landstraßen, wo weiterhin die meisten Verkehrstoten gezählt wurden, spielten auch weitere Faktoren wie Gegenverkehr oder ungeschützte Hindernisse wie Bäume eine große Rolle.

Ebenfalls am Freitag forderte in Berlin ein breites Bündnis aus Verbänden auf die sofortige Einführung eines generellen Tempolimits in Deutschland – für mehr Klimaschutz ebenso wie für sichereren Verkehr.

»Obwohl die Klimaziele für 2030 absehbar verfehlt werden  und die hohe Zahl der Verkehrstoten in Deutschland zuletzt sogar wieder anstieg«, halte die Bundesregierung an ihrer Blockadehaltung dagegen fest, kritisierten die Umwelt- und Verkehrssicherheitsverbände sowie die Gewerkschaft der Polizei NRW. Zahlreiche andere europäische Länder hätten dagegen bestehende Geschwindigkeitsbegrenzungen verschärft. SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag 2021 ein allgemeines Tempolimit ausgeschlossen, seitdem aber immer wieder über das Thema gestritten.

Tempolimit 100 oder 130
Neben einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen drängt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als Teil des Bündnisses darauf, die Höchstgeschwindigkeit außerorts auf 80 Kilometer pro Stunde zu senken und innerstädtisch eine Regelgeschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde einzuführen. Mit diesen Maßnahmen ließen sich jährlich mehr als elf Millionen Tonnen CO₂ einsparen, teilte der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch, mit.

Die Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO), die am Freitag Thema im Bundesrat ist, geht ihm zwar nicht weit genug. Dennoch müssten die Städte die neuen Möglichkeiten konsequent nutzen. Die Reform sieht unter anderem vor, dass Behörden künftig einfacher Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 Kilometer pro Stunde anordnen können – etwa beim sogenannten Lückenschluss zwischen schon existierenden Tempo-30-Strecken oder vor Spielplätzen und hochfrequentierten Schulwegen. »Bei konsequenter Umsetzung können unsere Städte zumindest ein Stück weit sicherer, leiser und sauberer werden«, so Resch. Mehr als 1000 Kommunen und der Deutsche Städtetag hatten gefordert, lokal auch über flächendeckendes Tempolimit 30 entscheiden zu dürfen, das bringt die Reform aber nicht.

Nicht alle Mitglieder des Bündnisses schlossen sich der Umwelthilfe-Forderung nach Tempo 100/80/30 an. Andere beschränkten sich darauf, dass auf deutschen Autobahnen maximal 130 Kilometer pro Stunde gelten sollten, wie etwa die Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland. »Verschiedene Studien haben nachgewiesen, dass eine Entschleunigung des Verkehrs zu einer signifikanten Reduzierung von tödlichen Unfällen und schwerstverletzten Verkehrsteilnehmern führt«, begründete deren Vorsitzende, Silke von Beesten, das Anliegen.

Michael Mertens von der Gewerkschaft der Polizei NRW hält ein Tempolimit auch vor dem Hintergrund anvisierter Elektromobilität für wichtig: Ohne eine dramatische Verkürzung der Reichweite ließen sich Elektrofahrzeuge nicht mit Geschwindigkeiten über 130 km/h bewegen. »Dadurch verändert sich der Verkehrsfluss auf den Autobahnen, und einzelne deutlich schnellere Fahrzeuge stellen ein immer größeres Unfallrisiko dar.«

Mehr Opfer zu Fuß
Die Polizei zählte 2023 insgesamt 2,5 Millionen Verkehrsunfälle auf Deutschlands Straßen, das waren 4,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei 2,2 Millionen Unfällen blieb es bei Sachschäden. Bei rund 292.000 Verkehrsunfällen wurden Menschen verletzt oder getötet, 70 Prozent davon geschahen innerorts. Die meisten Verkehrstoten – knapp 58 Prozent – wurden jedoch auf Landstraßen gezählt.....

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