gestern fand die ernüchternde Debatte zum Volksantrag „Ländle leben lassen“ im Landtag statt. Viele von Ihnen und Euch haben sich dafür engagiert, Unterschriften gesammelt, sich in der Öffentlichkeit für den Volksantrag starkgemacht. Das nötige Quorum an Unterschriften wurde weit übertroffen.
Mit dem Volksantrag ist ein breites Bündnis aus Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden mit neun konstruktiven und praxisnahen Vorschlägen und so realistischen wie notwendigen Forderungen zum Flächenschutz auf das Land zugekommen, mit der Rückendeckung von über 50.000 Bürger*innen.
Doch statt die Chance für eine echte Flächenwende zu nutzen, für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen von effektiven Klima- und Artenschutz bis zur Ernährungssicherheit, gab es seitens der Politik wieder nur leere Versprechungen ohne ausreichend wirksame Maßnahmen und restriktive Instrumente. Man konnte sich heute bei der Plenardebatte und der Abstimmung im Landtag nur auf ein vages und unverbindliches Bekenntnis zur weiteren Reduktion des Flächenverbrauchs einigen und „ist um weitere Maßnahmen bemüht“.
Die Landesregierung verweist wahlweise auf die Zuständigkeit von Bund und Kommunen oder lapidar auf den kommenden Landesentwicklungsplan, für den das 2,5 Hektar-Flächensparziel und Mindestwohnbaudichten geprüft würden. Es ist keine Verbindlichkeit und kein ernsthaftes Bekenntnis zum Flächenschutz erkennbar. Es wird stolz auf das bisherige System von Anreizen und Bündnissen verwiesen, mit dem man dem Flächenfraß bislang aber kaum Einhalt gebieten konnte.
Wenn seitens der Politik angemerkt wird, man könne nicht in die kommunale Planungshoheit eingreifen, da man den Kommunen keine Entwicklungsspielräume mehr lassen würde, wird Entwicklung gleichgesetzt mit Siedlungsexpansion und Wachstum in die Fläche. Nach Ansicht des BUND handelt es sich dabei um ein mehr als problematisches Verständnis in Zeiten der globalen Krisen. Es fehlt offensichtlich bei Teilen der Landesregierung und der im Landtag vertretenen Fraktionen nach wie vor das Verständnis dafür, dass der Erhalt natürlicher Flächen und hochwertiger landwirtschaftlicher Nutzflächen essenziell für Klima- und Artenschutz ist.
Und es fehlt das Verständnis, dass diese Flächen Schutz vor Hitze und Überflutungen bedeuten und für unsere Nahrungsversorgung zentral sind. Der Erhalt der Artenvielfalt ist kein Luxusanliegen, sondern die Basis für funktionierende Ökosysteme, in denen wir als Menschen auch in Baden-Württemberg überleben können. Anders ist nicht zu erklären, dass der Schutz hochwertiger landwirtschaftlicher Nutzflächen und naturnaher Biotope weiterhin gleichgestellt werden soll mit dem Bedürfnis nach Siedlungsentwicklung und Wirtschaftswachstum durch Standorterweiterungen und Neuansiedlungen von Unternehmen, dass man das 2,5-Hektar-Ziel sofort mit Ausnahmen für Vorhaben im Gemeinwohlinteresse einschränken möchte und vor verbindlichen landesweiten Mindestwohnbaudichten zurückschreckt.
Als Fazit bleibt nur zu sagen: Heute wurde im Landtag leider wenig Konkretes beim Flächenschutz im Land verhandelt – es ging um Ankündigungen, die in Sachen Zielerreichung kaum erfolgversprechend und das Papier auf dem sie geschrieben sind nicht wert sind.
Wir als BUND werden uns daher gemeinsam im Bündnis mit anderen Umweltverbänden und den Vertreter*inne der Landwirtschaft weiter für Flächenschutz stark machen! Wir drängen darauf, dass ein verbindliches Flächensparziel und landesweite Mindestbaudichten im Landesentwicklungsplan verankert werden. Ebenso verfahren wir bei der Novelle des Landesplanungsgesetzes.
Wir finden uns nicht damit ab, dass die Nettonull rechtlich nicht umsetzbar sei – sie steht schließlich bereits im Koalitionsvertrag. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass Gewerbeflächenpools ein verlässlicher Rechtsgrundsatz werden. Nicht zuletzt bringen wir uns intensiv in die Diskussion ein, ob und welche Siedlungs- und Verkehrsprojekte wirklich „unumgänglich“ sind und ob die vorgeschlagenen Kompensationsmaßnahmen erfolgversprechend sind.
Wir finden uns nicht damit ab, dass Möglichkeiten zur Entsiegelung lediglich geprüft werden, wir fordern sie konsequent ein. Hier sind vor allem die BUND-Aktiven gefragt, denn Flächensparen findet vor Ort statt.
Wir lassen uns nicht entmutigen, unsere Vision einer natur- und klimafreundlichen, flächensparsamen, suffizienten Lebensweise hartnäckig einzufordern. Der wirtschaftliche Wohlstand in Baden-Württemberg und die Handlungsfreiheit unserer Kommunen können nicht länger die einzigen „Argumente“ in der Politik sein. Die Zukunft unserer und kommender Generationen braucht mutige Entscheidungen – jetzt!
Lassen Sie uns alle gemeinsam dranbleiben und konstruktiv und sachlich weiterstreiten.
Herzliche Grüße
Sylvia Pilarsky-Grosch,
Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg
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