Montag, 27. Mai 2024

Ein simples Verbrenner-Verbot ist keine Lösung. Dagegen zu sein, ohne dass es ein solches Verbot gäbe, auch nicht.

 Auto-Motor-Sport  hier  Gerd Stegmaier  27.05.2024

CDU-KAMPAGNE GEGEN VERBRENNER-AUS: 
Gut, dass die Verbrenner-Verbot-Umfrage gescheitert ist


Die CDU erleidet mit einer Umfrage zum vermeintlichen Verbrenner-Verbot ab 2035 Schiffbruch. Warum nicht nur das bedauerlich ist, sondern auch die ganze Kampagne. Kommentar.

Verbote sind selten beliebt. Wer dagegen ist, schon eher. Dachte sich die CDU und hat gut zwei Wochen vor der Europawahl eine Kampagne gegen das sogenannte Verbrenner-Verbot ab 2035 gestartet. Eine Online-Abstimmung sollte beweisen, dass diese im Einklang mit dem Wählerwillen steht.

Neben der Umfrage auf der Website stand: "Verbrenner-Verbot abschaffen!" Die Frage lautete: "Unterstützen Sie die Forderung zur Rücknahme des Verbrenner-Verbotes?" Die zwei Antwortmöglichkeiten waren klar und deutlich: "Ja" oder "Nein". Eine Registrierung war nicht nötig. Offensichtlich wollte man es den Teilnehmern einfach machen, um möglichst viele Stimmabgaben zu erreichen. Das scheint geklappt zu haben.

85 Prozent fürs Verbrenner-Verbot?

Nur das Abstimmungsergebnis entwickelte sich nicht so, wie von der CDU gehofft. Laut "Bild am Sonntag" entfielen bis Samstagvormittag mehr als 85 Prozent der Stimmen auf "Nein" – also für ein Verbot von Verbrennungsmotoren und gegen die Position der CDU. Laut tagesschau.de sprach die mit der Befragung beauftragte Firma von einer massiven Manipulation. Es seien zehntausende Stimmen automatisiert abgegeben worden. Man habe der CDU daher empfohlen, die Abstimmung abzubrechen. So geschehen am Samstagmittag.

Besser wäre gewesen, die CDU hätte die Idee mit der Abstimmung gar nicht erst umgesetzt. Denn wäre genau das umgekehrte Ergebnis herausgekommen, hätten Freunde des Verbrenner-Verbots dasselbe sagen können, wie die CDU jetzt: alles manipuliert.


Es gibt kein Verbrenner-Verbot


Problematischer allerdings ist, dass schon die Frage irreführend war. Denn wie meine Kollegen völlig richtig notiert haben: Es gibt weder ein Verbot von Verbrennungsmotoren noch eine Pflicht, auf Elektroautos umzusteigen. Denn das Gesetz gilt lediglich für neu zugelassene Fahrzeuge. Bestandsfahrzeuge betrifft die neue EU-Vorgabe nicht.

Ab 2035 keine Neufahrzeuge mehr zu erlauben, die beim Betrieb Treibhausgase emittieren, soll dem mittelfristigen Ziel der EU dienen, eine klimaneutrale Mobilität zu ermöglichen – mit welchen Mitteln auch immer. Bis dahin gibt es schrittweise Senkungen für die sogenannten Flotten-Grenzwerte.
Darauf hatten sich EU-Parlament und EU-Kommission im Jahr 2023 verständigt.

Wie wirkungsvoll und realistisch die geplante CO₂-Senkung funktioniert, wollen die EU-Gremien 2026 erneut unter die Lupe nehmen. Gegebenenfalls werden die entsprechenden Gesetze dann angepasst. Im Herbst 2024 soll zudem konkretisiert werden, ob und wie E-Fuels ihren Beitrag zur CO₂-Neutralität leisten können. Klar ist allerdings schon lange: Verbrenner, betrieben mit fossilen Kraftstoffen, wie wir sie aktuell massenhaft nutzen, stoßen jede Menge Treibhausgase aus.

Emotionen und Widerstand statt Diskussionen und Lösungen

So weit die Fakten. In der Rufezeichen-Rhetorik der CDU sind diese bis zur Unkenntlichkeit verkürzt und digitalisiert im Sinne binärer Aussagen: 0 oder 1, ja oder nein, dafür oder dagegen. Das wird weder der Komplexität noch der Wichtigkeit des Themas gerecht. 

Und die CDU ist damit ausgerechnet an der digitalen Welt gescheitert: Dass im Netz nicht nur offene Umfragen Ziel von Manipulationen und Bots sind, ist selbst den meisten Nutzern klar. Schließlich müssen sie ständig irgendwo beweisen, dass sie kein Roboter sind, indem sie virtuelle Puzzleteile verschieben oder Ampeln, Flugzeuge und Fahrräder auf schlechten Fotos identifizieren.

Dazu kommt: Abstimmungen vor einer Wahl sind keine. Sie taugen allenfalls als populistische Stimmungsmache. Demokratien hingegen stimmen in "allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl" ab.

Fazit

Die CDU setzt sich für den Erhalt von Verbrennungsmotoren über 2035 hinaus ein und glaubt, dass die meisten Wähler das gut finden. Das mit einer Online-Umfrage zu belegen, daran scheitert die Partei.

Davon abgesehen ist allerdings unklar, ob es einen solchen Wählerwillen überhaupt gibt.
Was sicher scheint: Die Menschen brauchen und wollen bezahlbare Mobilität. Die demokratische legitimierte EU-Kommission mit CDU-Mitglied Ursula von der Leyen an der Spitze hat sich zum Pariser Klima-Abkommen verpflichtet und will CO₂-Neutralität.
Mit Verbrennungsmotoren geht das offensichtlich nicht.

Damit sind die Aufgaben der Politik klar beschrieben:

Sie muss einen Rahmen schaffen,
der bezahlbare und klimafreundliche Mobilität in Zukunft möglich macht.
Ein simples Verbrenner-Verbot ist sicher keine Lösung.
Dagegen zu sein, ohne dass es ein solches Verbot gäbe, auch nicht.



TAZ hier
CDU-Umfrage zum Verbrenner-Aus:  Die Klimakrise ist nicht abwählbar

„Massiv“ soll eine Umfrage der CDU zum Verbrenner-Aus manipuliert worden sein. Dabei geht die eigentliche Manipulation von der CDU selbst aus.

Die Häme ist groß, nachdem die CDU eine Onlineabstimmung über ihre Forderung nach einer Rücknahme des Verbrenner-Aus abgebrochen hat. Der Grund für den Abbruch: zu viele Neinstimmen, also Stimmen, die sich gegen den CDU-Wunsch nach einer Rehabilitation des Auspuffs aussprachen. Ein guter Teil dieser Neinstimmen wurde, wenn man den Angaben aus der CDU trauen kann, automatisiert abgegeben, sie hätten das Ergebnis verfälscht.

Man könnte an dieser Stelle ein paar Neuland-Witze machen. Darüber, dass man in der CDU anscheinend immer noch kein gutes Gefühl dafür hat, was im Internet so möglich ist. Aber dazu ist die Sache leider zu ernst.

Denn das zentrale Problem dieser Umfrage und des Umgangs damit ist nicht mangelnde Digitalkompetenz. Sondern, dass die Umfrage im Kern genau das gemacht hat, was die CDU nun ohne konkreten Adressaten als Vorwurf formuliert: Manipulation.

Und das gleich auf zwei Ebenen. Die erste: Natürlich ist eine Umfrage, die eine Partei auf ihre Website stellt und an der sich alle, die Lust haben, einfach oder auch mehrfach beteiligen können, nicht im Ansatz repräsentativ. Doch dieser Haken wäre wohl in der politischen Diskussion, für die das Umfrageergebnis vorgesehen war, wie üblich übergangen worden.

Die zweite Ebene: Alleine schon das Lancieren einer derartigen Umfrage suggeriert, dass niemand etwas ändern muss. Wenn man nur die richtige Partei wählt, dann bleibt alles so, wie es ist – oder war. Weiter Diesel oder Benzin verbrennen, um von A nach B zu kommen, weiter die Gasheizung im Keller, das Schnitzel auf dem Teller, und in den Sommerurlaub geht’s im Flieger. Als wäre die Klimakrise ein Konzept, das in Wahlprogrammen steht und bei dem man dafürstimmen kann – oder eben dagegenstimmen.

Das Deprimierende daran ist: Die Union biegt das nicht nur für sich selbst so bequem hin. Sie führt damit auch noch – siehe Autoabstimmung – ihre Wählerschaft in die Irre.

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