Samstag, 4. Mai 2024

Klimaschädliche Subventionen im Verkehr hebeln die Wirkung des CO₂-Preises aus: Wer das Klima stärker belastet, wird dafür auch stärker belohnt.

Diese Studie stellt wirklich Alles infrage, worauf der Klimaschutz in Deutschland beruht

hier der Ariadne Kurzbericht

Somit scheint der CO2 Preis auch wieder nur eine Nebelkerze zu sein - mit dem großen Vorteil: man kann laut danach schreien, während sich in Wirklichkeit nichts ändert. Es ist einfach famos, wie sich Herr Lindner selbst noch bei der Definition von Subventionen windet und dreht. Wo ist denn überhaupt sein Wille zum Klimaschutz zu erkennen? Lesen sie unbedingt auch diesen Artikel mit demselben Thema hier

Süddeutsche Zeitung hier  3. Mai 2024  Christoph von Eichhorn

Klimafreitag: Alles zu Klimakrise und Umweltschutz

links: der Hamburger Klimabus.
Solche Aufklärungs-Aktionen gehen ausschließlich von der Zivilgesellschaft aus und nicht etwa von den  zuständigen Ministern, die in der Verantwortung stehen. Die zünden lieber Nebelkerzen zur Ablenkung von ihrer Untätigkeit.

Die Idee der CO₂-Bepreisung ist so einfach wie charmant: Wer mehr Treibhausgase ausstößt, etwa weil er ein großes Auto fährt, bezahlt mehr dafür. Wer meist mit dem Fahrrad unterwegs ist und auch sonst klimafreundlich lebt, soll finanziell profitieren, weil er oder sie weniger Treibhausgase emittiert. So zumindest die Theorie. Seit 2021 gibt es einen CO₂-Preis in Deutschland von derzeit 45 Euro pro Tonne, er gilt als tragendes Element der Klimapolitik.

Da überrascht eine neue Studie des Kopernikus-Projekts Ariadne, über die Vivien Timmler berichtet. Demnach hebeln klimaschädliche Subventionen im Verkehr die Wirkung des CO₂-Preises mitunter vollkommen aus: Wer das Klima stärker belastet, wird dafür auch stärker belohnt. Untersucht haben die Forscher das Dieselsteuerprivileg, die Steuerbefreiung für Kerosin, das Dienstwagenprivileg sowie die Pendlerpauschale. Diese können im Extremfall zu einem negativen CO₂-Preis, also einer Ersparnis, von bis zu 690 Euro pro Tonne führen.

Mit der Besteuerung des Treibhausgas-Ausstoßes kann sich auch die FDP anfreunden, in der Hoffnung, dass der Markt den Klimaschutz dann allein regelt. Warum das FDP-geführte Finanzministerium dennoch nicht an eine Abschaffung dieser Subventionen denkt, erfahren Sie im Bericht meiner Kollegin.

Es sind Widersprüche wie diese, gegen die Roda Verheyen regelmäßig anrennt, oft erfolgreich. Die 51-Jährige gehört zu den Anwälten hinter dem spektakulären Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts: Auf Verheyens Verfassungsbeschwerde hin verpflichteten die Richter im Jahr 2021 die damalige Große Koalition zu schärferem Klimaschutz. Das Urteil mündete in das ambitionierteste Klimaschutzgesetz, das Deutschland je hatte – bis der Bundestag kürzlich eine Reform beschloss, die es ziemlich verwässert hier.

SZ-Magazin-Redakteurin Mareike Nieberding hat Verheyen einige Zeit begleitet. Ihr sehr lesenswertes Porträt schildert eine Frau, die schon als 13-Jährige den Ski-Urlaub mit den Eltern verweigerte, wegen der Auswirkungen dieses Sports auf die Umwelt. Die bestens vernetzt ist in der oft als Blase empfundenen Berliner Klimaschutzszene – die aber auch norddeutsche Krabbenfischer überzeugen kann. Doch nicht alle sind von Verheyens Methoden angetan.

Nieberdings Porträt zeigt, welche Wirkung Klimaklagen entfalten können – und wo möglicherweise ihre Grenzen liegen.

Christoph von Eichhorn,Redakteur Wissen


hier 1. Mai 2024  Von Vivien Timmler, Berlin

Klimaschädliche Subventionen:Herzlichen Glückwunsch, Sie haben CO₂ ausgestoßen

Klimaschädliche Subventionen im Verkehr machen die Wirkung des CO₂-Preises zunichte, das zeigt eine neue Studie. Die Folgen fürs Klima sind immens.

Wer sich klimaschädlich verhält, wird in Deutschland belohnt statt bestraft. Das ist das Ergebnis einer vom Bundesforschungsministerium geförderten Studie des Kopernikus-Projekts Ariadne. Demnach werden Bürgerinnen und Bürger durch Subventionen im Verkehrsbereich eher zum Ausstoß von CO₂ verleitet, als dass es Anreize gäbe, die Emissionen zu senken.

Eigentlich sollte es genau andersherum sein. Die Bundesregierung will klimaschädliches Verhalten verteuern. Seit 2021 wird in Deutschland ein nationaler CO₂-Preis erhoben, um Bürger und Unternehmen dazu zu bringen, sich klimafreundlicher zu verhalten. Erst in diesem Jahr hat die Bundesregierung den Preis von 30 auf 45 Euro pro Tonne angehoben, im kommenden Jahr soll er auf 55 Euro steigen, 2026 auf 55 bis 65 Euro. Danach geht der nationale Preis in den neuen Zertifikatehandel der EU über, in dem jedoch keine fixen Preise gelten; sie bilden sich frei am Markt. Der CO₂-Preis verteuert also langfristig das Tanken, Heizen und Fliegen. Zumindest in der Theorie.
Denn die Forscher kommen in ihrem Bericht nun zu dem Ergebnis, dass das System nicht funktioniert. 

"Aktuell treten wir beim Klimaschutz im Verkehr
mit einem Fuß aufs Gas, mit dem anderen auf die Bremse",
 sagt der Ariadne-Forscher Patrick Plötz. 

Das liege jedoch weniger am CO₂-Preis, sondern an der Art und Weise, wie er ausgehebelt werde. Für ihre Untersuchung haben die Forscher die Höhe wesentlicher Subventionen im Verkehrsbereich in "implizite negative CO₂-Preise" umgerechnet, um deren Wirkung besser darstellen zu können. Das Ergebnis: Die Subventionen heben die Wirkung des "echten" CO₂-Preises nicht nur auf, sie verkehren sie sogar ins Gegenteil.

 "Die sich widersprechenden Preissignale
schwächen die Wirkungsweise der CO₂-Bepreisung
und konterkarieren so Klimaschutzbemühungen",
sagt der Ariadne-Forscher Nicolas
Koch.


Was ist noch gleich eine Subvention?

Für ihre Untersuchung haben Plötz, Koch und weitere Forscher vier Subventionen und deren Wirkung untersucht: das Dieselsteuerprivileg, das den Kraftstoff an der Tankstelle vergünstigt. Die Pendlerpauschale, die es ermöglicht, die Kosten für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeit von der Steuer abzusetzen. Das Dienstwagenprivileg, das die private Nutzung von Dienstwagen steuerlich subventioniert. Und die Energiesteuerbefreiung für Kerosin, die den Luftverkehr vergünstigt.


Doch da fängt es schon an: Was die Autoren der Studie als Subventionen bezeichnen, sind aus Sicht des Bundesfinanzministeriums (BMF) gar keine. "Ein 'Dienstwagenprivileg' besteht nicht, die Dienstwagenbesteuerung stellt keine Subvention dar", heißt es beispielsweise aus dem BMF. Eine generelle steuerliche Förderung für Dieselkraftstoff sei nicht gegeben, so ein Sprecher weiter. Und die Abschaffung der Pendlerpauschale sei "kein Subventionsabbau, sondern eine Steuererhöhung". 

Die Ariadne-Forscher halten sich bei der Frage, was eine Subvention ist und was nicht, an die Welthandelsorganisation (WTO). Ihr zufolge handelt es sich um eine Subvention, wenn "eine Regierung auf normalerweise zu entrichtende Abgaben verzichtet oder diese nicht erhebt".

Besonders kontraproduktiv ist der Studie zufolge mit einem impliziten negativen CO₂-Preis von 200 bis 380 Euro pro Tonne die Entfernungspauschale. Einen etwas kleineren Effekt hat das Dienstwagenprivileg mit 160 Euro pro Tonne CO₂ - abhängig von Fahrzeugmodell und Fahrtleistung kann dieser Preis jedoch auch auf 690 Euro hochschnellen. Die Kerosinsteuerbefreiung kommt auf einen impliziten negativen CO₂-Preis von 130 Euro, das Dieselprivileg auf 70 Euro. Das ist jeweils deutlich mehr als der tatsächliche CO₂-Preis von aktuell 45 Euro pro Tonne oder umgerechnet etwa elf Cent pro Liter Benzin - womit klimaschädlicher Verkehr trotz CO₂-Preis gefördert und nicht bestraft werde. "


Dies belegt, wie stark das derzeitige Abgabensystem
noch auf die Nutzung fossiler Energieträger ausgerichtet ist"
heißt es in der Studie.


Auch Lindner will Subventionen streichen - aber andere

Das würde Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wohl nicht unterschreiben. Auch er würde aber gerne ein paar Subventionen streichen. Schließlich versprechen die anstehenden Haushaltsverhandlungen kompliziert zu werden, da spart man, wo man kann.

"Der Abbau klimaschädlicher Subventionen als Ziel des Koalitionsvertrags bleibt ein laufender Dauerauftrag für die gesamte Bundesregierung", sagt ein BMF-Sprecher. Dem Handelsblatt zufolge stehen auf einer internen BMF-Liste mit 21 Subventionen, die gestrichen oder gekürzt werden könnten, aber ganz andere Subventionen als jene, die die Forscher in den Blick genommen haben. 

Dazu zählen demnach etwa die Steuerbefreiung von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen, der ermäßigte Steuersatz für kulturelle und unterhaltende Leistungen sowie - ausgerechnet - die Begünstigung von Elektro- und Hybridelektrofahrzeugen bei der Dienstwagenbesteuerung.

Die Untersuchung des Ariadne-Projekts entstand völlig unabhängig von dieser Streichliste. Ihr Ziel ist es, Handlungsempfehlungen für die Politik zu erarbeiten, mit denen diese ihre Klimaziele einhalten kann. Dafür wird es finanziell vom Bundesforschungsministerium unterstützt. 

Die Handlungsempfehlung in diesem Fall: Subventionen im Verkehr so gut es geht abbauen oder klimafreundlich umgestalten. Dem Umweltbundesamt zufolge ließen sich so bis 2030 insgesamt 28 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Andernfalls könne auch ein höherer CO₂-Preis, den vor allem die Liberalen als zentrales Instrument künftiger Klimapolitik sehen, keine Wirkung entfalten.

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