Spiegel hier Eine Kolumne von Christian Stöcker 12.05.2024
Donald Trump will eine Milliarde Dollar von der Ölbranche, und die erneuerbaren Energien wachsen schneller als jede Form der Stromerzeugung zuvor. Das hat viel miteinander tun – und es zeigt, wo die wahre Front verläuft.
Wenn man sich mit den Themen Klima, Energie und Politik längere Zeit beschäftigt, stößt man immer wieder auf Momente, in denen die bittere Realität für einen Moment hell erleuchtet wird.
So einen Moment gab es zum Beispiel vor siebeneinhalb Jahren, am 13. Dezember 2016. Damals erklärte Donald Trump, frisch zum US-Präsidenten gewählt, wer künftig sein Außenminister sein werde: Rex Tillerson, zu diesem Zeitpunkt amtierender Chef von ExxonMobil, dem größten börsennotierten Ölkonzern der USA und jahrzehntelang auch dem wertvollsten der Welt.
Scham- und skrupellos
Die Nachricht sorgte damals für weniger internationale Verblüffung als angemessen. Dieser scham- und skrupellose Schachzug war schließlich nur einer von sehr vielen.
Christian Stöcker, Jahrgang 1973, ist Kognitionspsychologe und seit Herbst 2016 Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Dort verantwortet er den Studiengang Digitale Kommunikation. Vorher leitete er das Ressort Netzwelt bei SPIEGEL ONLINE.
Zur Erinnerung: Ein Jahr zuvor war in Paris ein internationales Abkommen geschlossen worden, in dem sich 196 Staaten darauf verständigt hatten, die globale Erhitzung auf unter zwei, nach Möglichkeit unter 1,5 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Auch die USA hatten unterschrieben. Noch ein Jahr früher – 2014 – waren russische Truppen auf der Krim und in der Ostukraine einmarschiert.
Und jetzt wurde der mächtigste Ölmanager der Welt, noch dazu ein erklärter Freund Wladimir Putins, US-Außenminister. Deutlicher hätte Trump kaum zum Ausdruck bringen können, was ihm die Zukunft des Planeten wert ist: absolut nichts.
Die unverbrüchliche Allianz zwischen Ölindustrie und US-Republikanern war zu diesem Zeitpunkt schon Jahrzehnte alt, sowohl die Präsidenten Bush Senior und Junior als auch George W. Bushs Vizepräsident Dick Cheney kamen aus der Ölbranche. Aber eine direkte Regierungsbeteiligung des von Putin sogar mit einem Orden ausgezeichneten Exxon-CEO zu diesem Zeitpunkt war, man könnte sagen: entwaffnend ehrlich. Es ging nicht um Werte, in der US-Außenpolitik. Es ging um Öl.
Nach Trumps Amtsantritt glichen Presseerklärungen des Weißen Hauses und von Exxon einander dann schon mal Wort für Wort.
Umweltbehörde von innen zerstören
Parallel machte Trump einen Mann zum Chef der Umweltbehörde EPA, der ebenjene Umweltbehörde zuvor 14-mal verklagt hatte, um sie zu schwächen: den damaligen Justizminister des Ölstaats Oklahoma, Scott Pruitt. Unterstützt wurde Pruitts Berufung zum EPA-Chef vom Netzwerk des Ölmilliardärs Charles Koch, dem wohl größten individuellen Finanzier von Klima-Desinformationen in der Geschichte. Pruitt tat, was sein Auftrag war: Er setzte alles daran, die nun von ihm geleitete Behörde zu entmachten und von innen heraus zu zerstören.
Unter Trump wurden in den USA 125 Umwelt- und Klimaschutzregelungen abgeschafft , wobei regelmäßig die Bedürfnisse der Öl- und Gasbranche im Vordergrund standen.
Kurz: Donald Trump überreichte den US-Fossilkonzernen die Schlüssel zur Macht, mit einem hübschen Schleifchen daran. Die Speerspitze der Ölbranche im US-Kongress, immer kräftig finanziert von Koch und seinem Spendernetzwerk , ist der sogenannte Freedom Caucus. Das ist die Gruppe von rechtsradikalen, meist »klimawandelskeptischen« Abgeordneten, zu denen bis zu ihrem Rauswurf im Sommer vergangenen Jahres sogar die Verschwörungserzählungen zugeneigte Saboteurin Marjorie Taylor Greene gehörte.
Der »Freedom Caucus« ist auch die Truppe, die versuchte, US-Hilfen für die Ukraine zu sabotieren , und generell jede konsensfähige Gesetzgebung im Repräsentantenhaus. Der finstere rechte Rand der Republikaner ist ein Werkzeug der Öl- und Gasbranche – und manchmal auch eins von Wladimir Putin.
Es gibt zwischen den Kräften, die in den USA gerade versuchen, mit Trump an der Spitze die Demokratie auszuhöhlen und den Fossilkonzernen eine lange, fruchtbare und für die betreffenden Abgeordneten sehr lukrative Verbindung.
Trump bietet Macht für eine Milliarde
Die Regierung Biden hat sich bemüht, einen Teil des Schadens der Ära Trump wieder gutzumachen, hat alte Regelungen wiederbelebt, neue geschaffen und vor allem gewaltige Mengen an Subventionen für erneuerbare Energien, Elektroautos und andere klimarelevante Geschäftsmodelle in Bewegung gesetzt. Geschadet hat das den Ölkonzernen bislang in Wahrheit nicht: Exxon und Chevron machen gerade Rekordgewinne .
Dennoch versprach Trump einem exklusiven Dinnerzirkel von Spitzenmanagern und Milliardären aus den US-Fossilbranchen laut »Washington Post« kürzlich: Wenn ihr mir eine Milliarde Dollar für meinen Wahlkampf gebt, gebe ich euch alles, was ihr wollt. Mehr Gasexporte und aktive Anti-Elektroauto-Politik zum Beispiel. Trump lästert ständig über E-Autos und bemüht dabei Worte wie »Blutbad« und »Mordanschlag«.
Die wahre Geschichte sieht ganz anders aus
Dass Trumps Avancen die Ölbranche gerade jetzt besonders interessieren dürften, hat zwei Hauptgründe:
Die katastrophalen Auswirkungen der Erderwärmung sind nicht mehr zu übersehen, die Milliarden-, bald Billionenschäden auch nicht. Auch, wenn das die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler der Republikaner weiter tapfer zu ignorieren versucht, tatkräftig unterstützt von den Propagandaapparaten der Fossilbranchen.
Die Konkurrenz wächst in atemberaubendem Tempo
Diese Woche erschien der globale Jahresbericht des renommierten Energie-Think-Tanks Ember. Und schon in der Einleitung steht dieser Satz, den Trumps ölreiche Dinnergäste vermutlich nicht gern gelesen haben: »Angesichts des Rekordausbaus von Sonnen- und Windenergie im Jahr 2023 steht eine neue Ära fallender fossiler Stromerzeugung unmittelbar bevor.« Vermutlich würden die CO₂-Emissionen aus der weltweiten Stromerzeugung schon 2024 zu fallen beginnen. Die Absatzmärkte für Öl und Gas sind im Begriff zu schrumpfen. Endlich.
Das sind hervorragende Nachrichten für den Rest der Welt, aber schlechte für Leute, die weiter Öl und Gas verkaufen wollen.
Völlig ungenierter Abwehrkampf
Keine Form der Stromerzeugung ist je so schnell gewachsen, wie Sonne und Wind das gerade tun, so Ember. 30 Prozent der Erzeugung war 2023 weltweit bereits erneuerbar (in Deutschland sind es derzeit etwa 60 Prozent). 2024 wird wohl der Kipppunkt hin zu fallenden Emissionen in der Stromerzeugung erreicht.
Und nicht nur Sonnen- und Windstrom wachsen exponentiell, also immer schneller – das Gleiche gilt für den Weltmarkt für Elektroautos , auch wenn man in Deutschland derzeit ständig das Gegenteil zu hören bekommt. Fossile Propaganda gibt es auch hierzulande.
Bei den Weltverbrennern wächst derzeit die Angst vor dieser immer stärkeren, immer schneller wachsenden Konkurrenz. Der Abwehrkampf wird jetzt völlig ungeniert geführt. So hat das Ölkartell Opec, angeführt von Saudi-Arabien, bei der letzten Klimakonferenz in Dubai versucht, die angestrebte Verdreifachung erneuerbarer Stromerzeugung aus dem Abschlussdokument herauszuhalten. Vergeblich, nicht zuletzt dank Joe Bidens Unterhändler John Kerry.
Prognose: Die Ölkonzerne werden keine Scheu haben, sich erneut mit dem Möchtegerndiktator Trump zu verbünden, der bekanntlich auch dem Öl- und Gasbaron Wladimir Putin weiterhin gern gefällig ist.
Europa sollte sich schnell und entschlossen auf die andere Seite stellen, mit E-Mobilität, Energieeffizienz, Erneuerbaren. Das in unserem eigenen Interesse.
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