Tagesschau hier 02.05.2024 Von Jan Koch, WDR
Überlastungstag: Alles aufgebraucht für 2024
Bild links von ZDF hierFrüher als im vergangenen Jahr hat Deutschland seine natürlichen Ressourcen für ein Jahr aufgebraucht. Was das bedeutet und wie es um Ressourcen- und Klimaschutz in Deutschland steht.
Was heißt Überlastungstag?
Das heißt, dass Deutschland heute seine jährlichen Ressourcen aufgebraucht hat und von heute an mehr nutzt als maximal innerhalb eines Jahres nachwachsen kann. Deutschland und seine Bürger haben also mehr Wälder und Bäume abgeholzt, mehr Rohstoffe genutzt, mehr CO2 ausgestoßen als Deutschland rechnerisch zustehen würde. Ab jetzt leben wir quasi auf Pump.
Mit dem Verbrauch, den wir als deutsche Gesellschaft haben, bräuchten wir im Jahr drei Welten. Nach Berechnungen von Umwelt- und Klimawissenschaftlern ist das für Deutschland in diesem Jahr sogar früher der Fall als noch im vorigen Jahr. 2023 war der Überlastungstag für Deutschland am 4. Mai. Der symbolische Tag wird jedes Jahr vom Global Footprint Network errechnet und veröffentlicht. Für die ganze Welt gesehen liegt der Tag erst Ende Juli beziehungsweise Anfang August.
Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse - und die Deutschen sind besonders verschwenderisch.
Eine Welt ist nicht genug. Nach diesem Motto agieren viele Industriestaaten. Die Umweltorganisation Germanwatch macht auch den Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten als einen großen Faktor für den raschen Verbrauch natürlicher Ressourcen aus.
In Deutschland werden rund 60 Prozent der Agrarfläche für die Produktion von Futtermitteln verwendet, so die Organisation."Da die einheimischen Futtermittel trotzdem nicht ausreichen, um den hiesigen Bedarf für die Tiere zu decken, werden zusätzlich massiv Flächen im Ausland in Anspruch genommen", erklärt Konstantinos Tsilimekis, Experte für Welternährung und Landnutzung bei Germanwatch.
Es würden "Millionen Tonnen Soja für die Verfütterung nach Deutschland importiert. Der Anbau solcher Futtermittel ist seit Jahrzehnten ein zentraler Treiber für die Vernichtung von Wäldern und den Verlust von Biodiversität."
Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Der weltweite Überlastungstag liegt Ende Juli/Anfang August. Vor 25 Jahren lag er noch im Oktober. Deutschland ist wie viele andere Industriestaaten relativ früh schon am Ressourcenlimit angekommen. Parallel zu uns liegt der symbolische Tag in Frankreich auch Anfang Mai. In Katar oder auch in Luxemburg ist er bereits Mitte Februar erreicht, in den USA Mitte März. China hat noch Zeit bis Anfang Juni. Ein Staat wie Indonesien kommt mit seinen Ressourcen fast genau aus. Dort wird der Überlastungstag in diesem Jahr wohl erst Ende November erreicht.
Was können wir ändern?
Neben dem Fleischkonsum nennen Klimawissenschaftler auch immer wieder den zu hohen Energieverbrauch. Hier sehen viele Lenkungsmöglichkeiten. Die Investition in erneuerbare Energien wird immer wieder als zentraler Punkt genannt. Das müsse aber konsequent passieren, betonen Klimaforschende.
Und da gebe es einen Faktor aus dem vergangenen Jahr, der bedenklich stimmen müsse, so Manfred Fischedick, Leiter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie."Die deutschen Treibhausgasemissionen sind im vergangenen Jahr zwar um mehr als zehn Prozent gegenüber 2022 gesunken. Das klingt erst einmal nach einem großen Erfolg", sagt Fischedick. "Aber es lag nur zu einem kleineren Teil an strukturellen Maßnahmen wie dem weiter dynamisch fortschreitenden Ausbau erneuerbarer Energien. Maßgeblich waren vielmehr der milde Winter, der verstärkte Import von Strom aus den Nachbarländern und vor allem der energiepreisbedingt starke Rückgang der industriellen Produktion."
Was bedeutet ein hoher Ressourcenverbrauch für die Umwelt?
Ein hoher Ressourcenverbrauch bringt nicht nur das Klima und die Umwelt, sondern auch die Biodiversität ins Ungleichgewicht. Eine neue Modellstudie renommierter Klimaforschender, an der auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung beteiligt war, kommt zu dem Schluss, dass der Klimawandel bis zur Mitte des Jahrhunderts zum Hauptgrund werden könnte, was den Verlust biologischer Vielfalt angeht.In allen Szenarien führten die Auswirkungen des Landnutzungswandels und des Klimawandels kombiniert zu einem Verlust der biologischen Vielfalt in allen Weltregionen, so das Potsdam-Institut. "Die derzeitigen politischen Maßnahmen reichen nicht aus, um die internationalen Ziele für die biologische Vielfalt zu erreichen", sagt Alexander Popp, Professor für nachhaltige Landnutzung und Klimaschutz an der Universität Kassel und Mitautor der Studie. "Es sind viel stärkere Anstrengungen nötig, um den vom Menschen verursachten Verlust der Biodiversität, eines der größten Probleme der Welt, einzudämmen."
Welche Projekte gibt es?
Geht es um den Holzverbrauch, dann sind Projekte sinnvoll, die Wälder schonen und Abholzung weltweit reduzieren. Da aber Holz weiterhin ein wichtiger Rohstoff ist auch als nachhaltige Alternative im Häuserbau, gibt es immer wieder Initiativen, Holz nachhaltiger anzubauen.
Wegrow, ein deutsches Unternehmen aus Tönisvorst in Nordrhein-Westfalen, baut zum Beispiel einen rasant wachsenden Baum, den Kiri-Baum, systematisch auf Agrarflächen an. Dazu werden die kleinen Bäume in wenigen Wochen im Labor gezüchtet, dann im Gewächshaus gepflegt und nach wenigen Monaten verpflanzt. Innerhalb weniger Jahre sind diese Bäume schon mehrere Meter hoch, so hoch wie Eichen oder Birken erst nach Jahrzehnten. "Dieses Holz kann nachhaltig angebaut und dann genutzt werden, so schonen wir Holzressourcen und Wälder auf der ganzen Welt", so das Unternehmen.
Ihren eigenen CO2-Fußabdruck, der vor allem durch den Transport größer wird, versuchten sie durch effizienten Transport und die Nutzung regenerativer Energien wie Solarkraft so schmal wie möglich zu halten. Es ist nur eines von vielen Projekten, die versuchen, klima- und ressourcenfreundlich zu sein.
Was ist die Kritik am Überlastungstag?
Immer wieder werden die Berechnungen des Global Footprint Networks kritisiert. Sie seien zu einfach, Fakten würden miteinander verrechnet, die manchen Experten zufolge nicht in Relation gebracht werden können. Auch das Institut der Deutschen Wirtschaft kritisiert die Berechnungen seit Jahren. "Für den Index werden nachwachsende Ressourcen, nicht-nachwachsende Ressourcen und Emissionen zusammengefasst, obwohl sie sich schlecht vergleichen lassen", schreibt Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Insituts bereits 2021."Der diagnostizierte Überverbrauch von Ressourcen ist vor allem auf die CO2-Emissionen zurückzuführen, nicht auf die Ressourcennutzung. Wir verbrauchen nicht mehrere Erden. Wir haben auch nicht im Frühjahr alle Ressourcen verbraucht, die uns in einem Jahr zur Verfügung stehen. Aber die Welt produziert zu viel CO2. Das sollte man auch so benennen."
TAZ hier 2.5.24
Erdüberlastungstag für Deutschland :Ressourcen für 2024 verbraucht
In diesem Jahr leben Deutsche mit ihrem Rohstoffverbrauch schon ab dem 2. Mai auf Kosten anderer Länder. Dabei gibt es Ideen, um Ressourcen zu sparen.
Es hat nur knapp länger als vier Monate gedauert: Deutschland hat alle Ressourcen aufgebraucht, die ihm für das Jahr 2024 zur Verfügung stehen. Am Donnerstag ist der so genannte Earth Overshoot Day – übersetzt Erdüberlastungstag – für Deutschland. Das Ökosystem Erde kann innerhalb eines Jahres nur eine bestimmte Menge natürlicher Ressourcen herstellen.
Deutschland darf eigentlich nur einen Teil nutzen. Wenn mehr nachhaltig nutzbare Ressourcen verbraucht werden und mehr Emissionen entstehen als ökologisch verkraftbar wäre, leben Deutsche auf Kosten der Menschen aus anderen Ländern und zukünftigen Generationen. Rechnet man mit, dass dieses Jahr ein Schaltjahr ist, ist der Erdüberslastungstag hierzulande ein Tag früher als im letzten Jahr. Würden alle Länder so viele Ressourcen verbrauchen wie Deutschland, bräuchten die Menschen weltweit drei Erden.
wirtschaftet schlecht und rücksichtslos“
sagt Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND angesichts des deutschen Erdüberlastungstags.
Eine Ressourcenwende sei dringend notwendig. „Bei der Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen gilt: Weniger ist mehr.“, so Bandt. Um zu verhindern, dass der Verbrauch der Rohstoffe in Deutschland weiter ansteigt, fordert der BUND ein sogenanntes Ressourcenschutzgesetz.
Der Erdüberlastungstag wird jährlich vom Global Footprint Network sowohl für jedes Land, als auch global berechnet. Im letzten Jahr fiel der weltweite Earth Overshoot Day auf den 2. August. Deutschland liegt im vorderen Drittel der Länder und schneidet damit vergleichsweise schlecht ab. Zum Vergleich: Katar hatte seinen Erdüberlastungstag 2023 am frühesten, am 11. Februar. Kirgisistan schnitt am besten ab. Der zentralasiatische Staat hatte seine für das ganze Jahr verfügbaren Ressourcen am 30. Dezember verbraucht.
Deutschland bessert sich – aber zu langsam
In vielen Industrienationen sieht es ähnlich aus wie in Deutschland. Die meisten haben ihren sogenannten Country Overshoot Day zwischen Anfang Februar und Ende Mai. Trotzdem lag zum Beispiel in Großbritannien der Erdüberlastungstag im vergangenen Jahr etwa einen Monat später als in Deutschland.
„Allein im Verkehrssektor könnten bis 2050
fast 37 Millionen Tonnen Metalle eingespart werden“
MAJA WILKE, POWERSHIFT
„Wären vor 14 Jahren rechnerisch laut Global Footprint Network 3,3 Erden nötig gewesen, sind es heute noch immer 3“, erklärt die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch, die sich für globale Gerechtigkeit engagiert. Deutschland habe sich im letzten Jahrzehnt also schon ein wenig gebessert. Der Fortschritt gehe aber viel zu langsam.
Dabei gibt es viele Maßnahmen, die den Ressourcenverbrauch senken könnten: erneuerbare Energien ausbauen, weniger tierische Produkte konsumieren, vom Auto aufs Fahrrad oder den öffentlichen Nahverkehr umsteigen.
Für einige Maßnahmen hat das Global Footprint Network berechnet, um wie viele Tage sie den Erdüberlastungstag nach hinten verschieben könnten. Zum Beispiel könnte die Einführung von Leihbibliotheken für Haushaltsgeräte und Werkzeuge die Zahl der Haushaltsgegenstände weltweit reduzieren – das würde ein Verschieben von drei Tagen bewirken.
Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, den Primarrohstoffverbrauch zu senken. Dem Vorhaben sei bisher jedoch kein konkretes Handeln gefolgt, sagt Powershift. Die Öko-Organisation hat deshalb eine Studie in Auftrag gegeben.
Die Fragestellung: In welchen Sektoren ließen sich die Metalle Eisen, Aluminium, Kupfer und Nickel einsparen, um den Erdüberlastungstag nach hinten zu verlegen?
„Allein im Verkehrssektor könnten bis 2050 fast 37 Millionen Tonnen Metalle eingespart werden“, erklärt Maja Wilke, die bei Powershift für die Untersuchung verantwortlich ist. Dafür sei unter anderem die nationale Strategie für eine Kreislaufwirtschaft wichtig.
ZDF hier von Michael Wiedemann 02.05.2024
Kritik an Berechnung: Wie glaubwürdig ist der Erdüberlastungstag?
Wenn weltweit alle wie wir leben würden, bräuchte die Menschheit mittlerweile drei Erden. Das behauptet das "Global Footprint Network". Doch an deren Rechnung gibt es auch Kritik.
Alle Jahre wieder. Erdüberlastungstag. Der Tag, an dem die nachwachsenden, natürlichen Ressourcen verbraucht sein sollen, die in einem Jahr wieder erneuert werden können. Für Deutschland ist der Tag schon an diesem Donnerstag erreicht. Das ist gut drei Monate früher als der globale Erdüberlastungstag, der dieses Jahr wohl Anfang August erreicht werden wird.
Folgt man den Berechnungen des "Global Footprint Network", die seit vielen Jahren nationale, wie auch den globalen "Erdüberlastungstag" verkünden, braucht die gesamte Menschheit 1,7 Erden, um ihren Ressourcenbedarf nachhaltig decken zu können. Lebten die Menschen alle so wie in Deutschland, gar drei solcher Planeten.
Wenn alle Menschen so leben würden wie in Deutschland, wären schon am 2. Mai die natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die unsere Erde in einem Jahr überhaupt bereitstellen kann.
Dass die Menschheit also mehr Erden "verbraucht", als überhaupt da sind, erscheint paradox. Besonders, weil dieser "Überverbrauch" laut "Global Footprint Network" ja schon seit Jahren stattfindet, eine lebendige Erde aber immer noch besteht. (das scheint mir eine stark verkürzte Schlussfolgerung zu sein. Wie im vorherigen Artikel ausgeführt geht es doch darum: "... leben Deutsche auf Kosten der Menschen aus anderen Ländern und zukünftigen Generationen.")
Berechnung des Erdüberlastungstags umstritten (Vom Institut der deutschen Wirtschaft)
Die Ursache der Paradoxie liegt in der vereinfachten Berechnung des Networks, den "ökologische Fußabdruck" eines Landes (oder der Erde insgesamt) mit deren jeweiligen sogenannten "Biokapazität" zu vergleichen. Was aber versteht das "Global Footprint Network" unter den Begriffen "ökologischer Fußabdruck" und "Biokapazität"?
Einfach erklärt, ist der "ökologische Fußabdruck" alles das, was eine Gesellschaft für ihren Lebensstil braucht an Ressourcen und dem damit verbundenen CO2-Ausstoß. Dieser wird vereinfachend in einen Flächenbedarf umgerechnet. Die "Biokapazität" beschreibt dagegen die Fähigkeit, diese Ressourcen wieder aufzubauen und CO2 aufzunehmen, und wird auch in - für diesen Zweck benötigte - Fläche ausgedrückt.
Werden nun "ökologischer Fußabdruck" und "Biokapazität" miteinander verrechnet, ergibt sich besonders bei vielen Industrieländern (auch Deutschland) eine Differenz: Es gibt viel zu wenig "Biokapazität", um den "ökologischen Fußabdruck" auszugleichen. Gemessen an einem Jahr, entsteht diese Differenz in Deutschland beispielsweise schon nach 122 Tagen. So kommt das Network rechnerisch in diesem Jahr zu einem "Erdüberlastungstag" für Deutschland am 2. Mai.
Eine Rechnung, die nach Meinung von Kritikern, aber doch zu einfach ist, weil ganz verschiedene Dinge zusammengefasst werden:
Beispielsweise wird Landnutzung durch Infrastrukturen mit den Treibhausgasemissionen addiert. Die Umrechnung der Emissionen in Flächen geht am Problem vorbei. Wir haben ja nicht zu viel Flächennutzung (Da muss man schon genau hinschauen, wer das behauptet - Genau das ist doch der springende Punkt, wir versiegeln zu viel Fläche), sondern zu viele Emissionen.(das natürlich auch)
Emissionen fälschlicherweise Treiber für "Erdüberlastungstag"
Für den Wirtschaftswissenschaftler der auch an der Universität Düsseldorf lehrt, ist klar: Emissionen spielen bei der Berechnung grundsätzlich eine zu große Rolle und erhöhen massiv den von Global Footprint Network errechneten Flächenbedarf. Weil das Network diese Emissionen rechnerisch mit massenhaft benötigten Waldflächen kompensiert. Eine Maßnahme, die kaum der gängigen Praxis entspricht:
Mit der Umrechnung von Emissionen in Waldflächen ergibt sich schlicht folgende Aussage: Die Fläche der Erde reicht nicht aus, um die Emissionen durch Aufforstung zu kompensieren. Das ist nicht überraschend. Niemand glaubt, dass Aufforstung allein das Problem löst.
Für die Frage, wie stark der Globus tatsächlich durch menschliche Tätigkeit belastet ist, wäre aus Sicht des Geschäftsführers des Wirtschaftsforschungsinstituts eine andere Form der Berechnung notwendig:
Hilfreicher wäre ein Indikator, der deutlich macht, wie weit wir immer noch über den langfristig verträglichen Emissionsbudgets liegen. Damit würde der globale Handlungsbedarf klar kommuniziert.
Würde man die Emissionen tatsächlich aus der Flächenberechnung herausnehmen und sie eigenständig behandeln, ergäbe sich laut einer Berechnung von spectrum.de, dass die Menschheit nur rund 70% ihrer "Biokapazität" nutzen würde. Es also weltweit gar keinen "Überlastungstag" gäbe.
Und wohl auch nicht für Deutschland.
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