hier im Spiegel Von Serafin Reiber 17.05.2024
Digitalisierung von Stuttgart 21: »Risiko des vollständigen Scheiterns«
Der Bahnkonzern blockiert ein Teilprojekt von Stuttgart 21. Das ärgert Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) so sehr, dass er einen Brandbrief schreibt.
Der Streit um die Finanzierung des Bahnprojekts Stuttgart 21 spitzt sich zu. Nachdem die Deutsche Bahn unlängst einen Gerichtsprozess um die Mehrkosten des umstrittenen Milliardenprojekts verloren hat, wirft Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) jetzt dem Konzern vor, die Finanzierung der Digitalisierung des neuen Bahnknotens zu behindern.
In einem Brandbrief an Bahn-Chef Richard Lutz, Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sowie den Vorsitzenden des Konzernaufsichtsrats schreibt der Grünenpolitiker vom »Risiko des vollständigen Scheiterns« des Projekts. Darüber hinaus zeigt sich Hermann irritiert und »überrascht« von Aussagen des Infostrukturvorstands des Staatskonzerns. Das am Freitag versandte Schreiben liegt dem SPIEGEL vor.
Vorläufiger Stopp des »Digitalen Knotens«
Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Bund, Bahn und Land ist eine Debatte über die dringend notwendige Digitalisierung der Bahn in Stuttgart. Mit dem sogenannten »Digitalen Knoten Stuttgart« (DKS) soll unter anderem die Kapazität des unterdimensionierten Tunnelbahnhofs erhöht und in einem weiteren Schritt die S-Bahn im Raum Stuttgart möglicherweise zuverlässiger und pünktlicher gemacht werden.
Die Umsetzung dieses Vorhabens ist mehr als unsicher. Bereits im Februar hatte der SPIEGEL unter Berufung auf eine vertrauliche Liste des Konzerns über die mögliche Streichung des Projekts berichtet. Der Bahnvorstand hatte das Digitalprojekt per Gremienvorbehalt gestoppt, zumindest vorläufig.
In der Folge musste sich Bahn-Chef Richard Lutz zusammen mit Infrastrukturvorstand Berthold Huber im Verkehrsausschuss des Bundestags erklären und bezeichnete die Berichterstattung Teilnehmern zufolge als »absurd«. Dennoch haben es Konzern und Aufsichtsrat bislang unterlassen, den Stopp aufzuheben. Für das Projekt könnte das nach Darstellung von Landesverkehrsminister Hermann gravierende Auswirkungen haben.
Hermann befürchtet in dem Brief, dass die Gelder bald verfallen könnten, wenn sie nicht abgerufen werden. »Da für den DKS 3 im Entwurf des Bundeshaushalts 2025 höchstwahrscheinlich keine weiteren Mittel vorgesehen sind, hätte dies für den Projektfortgang gravierende Folgen«, warnt Hermann. »Die bereits erbrachten Planungsleistungen wären dann verloren.« Auch deswegen fordert Hermann eine Aufhebung des Gremienvorbehalts.
Darüber hinaus, so der Landesverkehrsminister, habe der drohende Projektstillstand in Stuttgart auch schwerwiegende Folgen für die Digitalisierung der Bahn insgesamt. »Wenn im Pilotprojekt DKS die Kapazitätswirkungen der Digitalen Schiene nicht nachgewiesen werden, ist dies ein entscheidendes Umsetzungshemmnis für die Digitale Schiene«, heißt es in Hermanns Schreiben.
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