hier Eine Kolumne von Christian Stöcker 05.05.2024
Die Welt sitzt auf einer riesigen Finanzblase: Dem Immobilienmarkt drohen klimabedingte Kosten von geschätzt 25 Billionen Dollar. Besonders schlimm ist die US-Westküste betroffen.
Hier paar Schlaglichter aus dem Katalog der Extremwetterereignisse allein der zurückliegenden Woche, von vier Kontinenten:
Die Regenzeit in Kenia und dem benachbarten Tansania ist dieses Jahr so heftig, dass in den beiden Ländern mittlerweile mehr als 350 Menschen ums Leben gekommen sind. Als in Kenia diese Woche ein improvisierter Damm kollabierte, starben allein dadurch mindestens 45 Menschen . Die Fluten zerstören Ernten und Häuser, Hunderttausende sind auf der Flucht .
In der chinesischen Provinz Guangdong gab es viele Dutzend Tote und viele Verletzte durch Extremwetter, außerdem wurden geschätzte 140 Fabriken in der Industrieregion beschädigt. 48 Menschen starben allein beim Einsturz einer Autobahn. Luftbilder zeigen ein Bild der Verwüstung, die ein Tornado angerichtet hat.
Tornados gab es auch auf der anderen Seite des Pazifik, in den US-Staaten Oklahoma, Nebraska, Iowa, Kansas, Missouri und Texas. Gleich 20 Wirbelstürme zerstörten die Stadt Holdenville in Oklahoma und töteten vier Menschen , darunter ein vier Monate altes Baby. In Nebraska wurden »ganze Stadtviertel dem Erdboden gleichgemacht«, berichtet CNN . Für die USA hatte die US-Behörde NOAA schon für 2023 eine »nie dagewesene Zahl« von Extremwetterkatastrophen mit Milliardenschäden gezählt, darunter Tornados, wegen der »Rekordtemperaturen«. 2024 wird voraussichtlich noch heißer.
An der Ostküste der USA bereitet man sich unterdessen auf eine besonders extreme »Hurrikansaison« vor , sie beginnt offiziell am 1. Juni. Der Nordatlantik ist derzeit mindestens 1,2 Grad Celsius wärmer als normal, und warmes Wasser sorgt für extremere Stürme und mehr Regen.
Auch in Deutschland gab es wieder katastrophale Überschwemmungen .
Zum Autor
Christian Stöcker, Jahrgang 1973, ist Kognitionspsychologe und seit Herbst 2016 Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Dort verantwortet er den Studiengang Digitale Kommunikation. Vorher leitete er das Ressort Netzwelt bei SPIEGEL ONLINE.
Fragen Sie sich jetzt: »Ja, aber ist das wirklich die Klimakrise?« Dann interessieren Sie vielleicht die Daten von jenen Menschen, die wetterbedingte Schäden von Berufs wegen im kühlen Blick haben müssen; den Versicherern nämlich.
In Europa beispielsweise gab es von 2000 bis 2009 drei Gewitterstürme mit Schadenssummen jenseits einer Milliarde Dollar. Seit 2020 sind es bereits sechs. Dem Rückversicherer Swiss Re zufolge machen allein solche Stürme jetzt mehr als ein Viertel der Versicherungkosten durch Naturkatastrophen aus.
Das Finanzsystem ist schon wieder in Gefahr
»Der Klimawandel verursacht gewaltige Eigentumsschäden rund um die Welt, und zwar nicht nur an Orten oder auf Arten, an die die Leute denken«, stand kürzlich im »Economist« . Eine Schätzung des Finanzdienstleisters MSCI ergibt umgerechnet, dass Klimaschäden, nötige Umbauten und die Anpassung an die Erwärmung in den kommenden 25 Jahren Kosten in Höhe von 25 Billionen US-Dollar verursachen werden. Allein im Immobilienmarkt .
Immobilien sind die weltweit wichtigste Klasse von Investitionsgütern. Die drohenden Schäden seien so gewaltig, so der »Economist«, dass nicht nur persönlicher Wohlstand einzelner, sondern das gesamte Finanzsystem in Gefahr sei.
Vor diesem Hintergrund gewinnt eine eben in der »Washington Post« veröffentlichte Analyse von Satellitendaten zusätzliche Dringlichkeit. Die Auswertung zeigt, dass es etwa im Golf von Mexiko seit 2010 einen »abnormen und nie dagewesenen« Anstieg des Meeresspiegels gibt, so der Geowissenschaftler Jianjun Yin von der University of Arizona . Der bereits erfolgte Anstieg sei »irreversibel«. Die »Washington Post«-Auswertung zeigt, dass der Meeresspiegel in den 13 Jahren seit 2010 vielerorts um 15, mancherorts sogar um 20 Zentimeter und noch mehr angestiegen ist.
Küstennahe Feuchtgebiete etwa in Louisiana stehen vor dem »Kollaps« . Im gesamten Küstengebiet sind vermutlich zahllose Immobilien massiv überbewertet. In den USA existiert schon jetzt eine gewaltige Immobilienblase.
Eine aktuelle, eben in »Nature« erschienene Studie kommt auf Zahlen zwischen 31.000 und 171.000 Immobilien, die nur durch den Meeresspiegelanstieg bis 2050 bedroht seien. Zusätzlich angeheizt wird das Problem demnach durch eine weitere Folge von Erwärmung, Dürren, Grundwasserverlust und massiver Besiedelung: Ganze Küstenstädte, gerade in den USA, sinken immer tiefer in den Boden. Mancherorts zwei, mancherorts sogar bis zu fünf Millimeter pro Jahr .
Fossilbranche verdient, Steuerzahler zahlt
Zwar kostet etwa die Versicherung für ein Einfamilienhaus in Florida schon jetzt im Schnitt fast 12.000 Dollar pro Jahr – doch das ist vermutlich immer noch viel zu wenig. Vielen Hausbesitzer finden gar keine herkömmliche Versicherung mehr. Sie müssen sich auf den Staat verlassen : Die »Citizens Property Insurance Corporation«, die dem Bundesstaat Florida gehört, ist schon jetzt der größte Versicherer für Privathäuser dort. Die dort versicherten Risiken belaufen sich auf über 420 Milliarden Dollar – das ist mehr als der öffentliche Schuldenstand des gesamten Staates .
Gleichzeitig tut der Republikanische Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, Warnungen vor den Auswirkungen der Klimakrise als »Angsttaktik« ab. Das seien »konzertierte Bemühungen«, Furcht zu säen, so DeSantis.
Was, wenn die Blase platzt?
Hurrikane bagatellisiert DeSantis als »Wetter«. Finanzielle Hilfen der Regierung in Washington für mehr Energieeffizienz lehnte er ab, dafür gab es in Florida Steuererleichterungen für Menschen , die sich einen Gasherd kauften.
Unter den Wählerinnen und Wählern der Republikaner glauben bis heute nur 22 Prozent, dass die Aufheizung des Planeten vom Menschen verursacht wird. Republikaner glauben sogar seltener als Demokraten, dass Extremwetterereignisse zunehmen . Sie blenden die Realität aus.
Das Modell Florida wird wohl Schule machen: Die erwarteten gigantischen Schäden der Klimakrise werden auf die Steuerzahler umgelegt. Einmal mehr kommt die Allgemeinheit für die Schäden auf, die vor allem durch das Geschäftsmodell der drei (Fossil-)Branchen verursacht werden. Die verdienen derweil weiterhin Billionen und werden zudem noch üppig subventioniert.
Eines Tages wird die Blase des Selbstbetrugs auch in den USA zwangsläufig platzen. Die Frage ist, wem dann die Rechnung präsentiert wird.
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