Frankfurter Rundschau hier Stand:01.05.2024, Von: Klaus Staeck
Der Minister, dessen Name nicht genannt werden darf, sollte sich beim Klimaschutz ein Beispiel an der Beton-Industrie nehmen. Die Kolumne.
Eigentlich sollte der FDP-Verkehrsminister in meinen Kolumnentexten nicht mehr vorkommen. Seine argumentativen Tricksereien zum Vermeiden einer von fast allen europäischen Staaten als vernünftig angesehenen Tempobeschränkung sprechen für sich und die ultimative Drohung mit Fahrverboten haben den Minister endgültig disqualifiziert.
Die Einhaltung zulässiger Emissionsziele wird bekanntermaßen vom Verkehrssektor ignoriert. Die mögliche Einsparung von bis zu acht Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr bei Tempo 120 auf Autobahnen und 80 auf Fernstraßen werden als Peanuts abgetan.
Sollen sich doch die anderen Sektoren der deutschen Wirtschaft um die Planetenrettung kümmern – „Freie Fahrt für freie Bürger“, selbst wenn inzwischen immer mehr Deutsche auf das Alleinstellungsmerkmal des freien Rasens verzichten würden, weil die Einsicht, dass je schneller man fährt, desto mehr umweltschädliche Emission entsteht, langsam die Massen erreicht.
Zum Glück wachsen außerhalb der Lufthoheit über dem Schreibtisch eines Bundesverkehrsministers das Bemühen und die Kreativität, zum Klimaschutz beizutragen. So stehen in meiner Heimatstadt Heidelberg Ressourcenschutz und CO2-Reduzierung im Mittelpunkt, wenn aus dem Bauschutt von 170 abgerissenen Gebäuden im ehemaligen Militärgelände des Patrick-Henry-Village Neubauten entstehen sollen.
„Urban mining“ nennt sich diese Methode, die Beton, Verputz und Ziegel recycelt. Zwar kostet auch diese Kreislaufwirtschaft wieder ein bestimmtes Maß an Energieaufwand, aber angesichts knapper und teurer werdender Ressourcen ist die Wiederverwertung sinnvoller als der Transport von potenziellem Baumaterial auf eine Müllhalde.
Heidelbergs Bürgermeister will 90 Prozent der stadtweit anfallenden Baustoffe wiederverwenden. Da die Betonherstellung nicht unwesentlich am CO2-Ausstoß beteiligt ist, wird auch die Stadt, die „Heidelberg-Zement“ den Namen gab, einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Deutschlandweit werden pro Jahr 32 Millionen Tonnen Zement produziert, was 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid freisetzt, etwa drei Prozent der Gesamt-Emission dieses Gases. Weltweit entstehen auf diese Weise sogar acht Prozent des CO2-Ausstoßes. Es ist also inzwischen ein wichtiges Thema für die Bauforschung, kohlendioxidneutrale Betonrezepturen zu entwickeln, den Zementanteil durch alternative Bindemittel zu ersetzen, um beim Brennvorgang das Austreiben des CO2 zu verhindern.
Vor einer Woche startete im niedersächsischen Soltau mit dem „B-ton Fertigteilwerk“ die erste deutsche Produktion von „klimapositivem“ Beton, der sogar mehr CO2 einsparen soll, als in der Atmosphäre freigesetzt wird. Man tauscht bei der Zementherstellung Zuschlagstoffe wie Klinker aus, deren Brennvorgang mit extrem hohen Temperaturen erfolgt.
Auch die Weimarer Bauhaus-Universität meldet die Entwicklung eines „Kalzinators“. Diese Technik nutzt heimische Tonvorkommen, die thermisch behandelt „kalziniert“ werden und mit weitaus geringerem CO2-Ausstoß als Zuschlagstoff der Betonindustrie Verwendung finden. Dem Freistaat Thüringen ist die Pilotanlage eine Million Euro Förderung wert.
Was mögen jene, die um jede Tonne CO2-Reduzierung ringen, denken, wenn sie die ignoranten Argumente aus dem Verkehrsministerium hören? Klimaschützer:innen und Umweltverbände reden von Politikversagen und Destruktion der Klimaschutz-Architektur. Ich sehe im „Urban mining“ wie im „B-ton“ und im „Kalzinator“ Zeichen von Vernunft und Hoffnung.
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