Donnerstag, 23. Mai 2024

Ein historischer Beschluss des Internationalen Seegerichtshofs

hier Ein Kommentar von Maximilian Probst Aus der ZEIT Nr. 23/2024 / 22. Mai 2024 

Internationaler Seegerichtshof: Klima? Das regeln die Richter!

Internationaler Seegerichtshof : Der Internationale Seegerichtshof hat am Dienstag ein Rechtsgutachten zu Maßnahmen zum Schutz der Ozeane vor dem Klimawandel abgegeben.

Das Recht wird es richten: In diesem Satz liegt zurzeit eine der größten Hoffnungen der Menschheit beim Eindämmen der Klimakrise. Nach einer Reihe wegweisender juristischer Entscheidungen – vom Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts bis hin zu den Schweizer Seniorinnen, die siegreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen den mangelhaften Klimaschutz ihres Landes klagten – befasste sich am Dienstag nun zum ersten Mal ein globales Gericht mit dem Thema.

Angestrengt hatte das Verfahren vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg eine Gruppe kleiner Inselstaaten, denen täglich das Existenzrecht abgesprochen wird: Die Treibhausgas-Emissionen laufen darauf hinaus, dass beispielsweise der Inselstaat Tuvalu bis Ende des Jahrhunderts komplett vom Meer überspült sein wird.

Das Gericht in Hamburg hat nun ein Gutachten präsentiert, das an Deutlichkeit nicht zu überbieten ist. Die Richter werfen dabei, gemäß ihrem Aufgabenbereich, den Blick auf die Gesamtheit der Weltmeere. 70 Prozent unseres Planeten sind von Wassermassen bedeckt. 90 Prozent der überschüssigen Hitze, die von CO₂-Emissionen seit der Industrialisierung verursacht wurde, haben die Ozeane aufgenommen; sie sorgen für die Hälfte des Sauerstoffs, den das Leben auf der Erde benötigt. Kurz: Die Weltmeere sind zugleich Kühlsystem und Lunge unseres Planeten.

Einstimmig stellt das Gericht klar, dass Treibhausgase zu einer juristisch nicht zulässigen Verschmutzung der Ozeane führen. Sie würden versauern, sich erhitzen und ihr Wasserspiegel ansteigen, mit vielfältigen katastrophalen Folgen für Mensch und Meeresökologie. Die Richter verpflichteten deshalb die Staaten, "mit allen notwendigen Mitteln" und auf der Grundlage der "besten wissenschaftlichen Erkenntnisse" das Meer zu schützen. Konkret schreibt das Gericht ihnen vor, ihre Klimaziele einzuhalten, um den Temperaturanstieg bei 1,5 Grad zu stoppen.

Bindend ist das Gutachten nicht. Es sieht keine Strafen für Staaten vor, die weiterhin die Meere mit Treibhausgasen verschmutzen. Aber es setzt auf völkerrechtlicher Ebene einen Standard, auf den sich andere Gerichte nun beziehen können.

Richter als Klimaschützer – ist das eine gute Nachricht? Sie füllen eine Lücke, welche die liberalen Demokratien hinterlassen. Zwar haben die Staaten sich auf die Pariser Klimaziele geeinigt; aber ihren Regierungen gelingt es in ihren Vierjahresrhythmen nicht, die Beschlüsse auch umzusetzen. Nun werden die Gerichte sie immer öfter zu unpopulären Maßnahmen zwingen.

Diese neue Gewaltenteilung ist allerdings riskant. Denn dadurch erscheint der Gestaltungsspielraum der Demokratien als eingeschränkt. Und die Judikative gerät in den Ruch, die Politik zu kapern (wie zuvor schon der Weltklimarat, auf den sie sich beruft). Ein Eindruck, den das rechtspopulistische Lager ausnutzen kann: Holen wir uns die wahre Demokratie zurück! Floridas Gouverneur Ron DeSantis etwa hat gerade das Wort "Klimawandel" aus allen föderalen Gesetzen des Bundesstaates streichen lassen.

Die sicherste Lösung wäre deshalb, wenn die Regierungen das Kunststück vollbrächten, von sich aus jenen ambitionierten Klimaschutz zu betreiben, zu dem sie ansonsten rechtlich verdonnert würden. Das könnte nicht nur die kleinen Inselstaaten retten. Sondern am Ende auch die liberale Demokratie.


RND  hier  Christian Rath  21.05.2024

Gutachten des Seegerichtshof:Meereserwärmung ist auch Meeresverschmutzung

Wie weit geht der Klimawandel? Zerstören Staaten mit hohem Treibgasausstoß sogar die Gewässer? Neun kleine Inselstaaten sahen das so, klagten vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg – und bekamen nun Recht. Was folgt aus dem Gutachten?

Das UN-Seerechts-Übereinkommen verpflichtet die 157 Mitgliedsstaaten auch zu wirksamem Klimaschutz. Zu diesem Schluss kam der Internationale Seegerichtshof in Hamburg an diesem Dienstag. Er verkündete ein Gutachten, das von neun kleinen Inselstaaten angefordert worden war.

Die kleinen Inselstaaten, zu denen Tuvalu, Vanuatu und die Bahamas gehören, hatten sich erst 2021 am Rande der Klima-Konferenz in Glasgow zu einer Vereinigung zusammengefunden. Die Abkürzung COSIS steht für Commission of small Island States on Climate Change and International Law. Manche der Staaten könnten bei weiterem Ansteigen des Meeresspiegels verschwinden.

2022 beantragte COSIS ein Gutachten, um zu erfahren, welche Klimaschutzverpflichtungen aus dem Seerechts-Übereinkommen folgen. Ende 2023 fand in Hamburg eine mündliche Verhandlung statt, an der 33 Staaten (inklusive Deutschland) teilnahmen und ihre Stellungnahmen abgaben.

Laut Gutachten verschmutzt der Klimawandel auch die Meere

Nun verlas Albert J. Hoffmann, der südafrikanische Präsident des Seegerichtshofs, über eineinhalb Stunden lang das Gutachten. Der Gerichtshof besteht seit 1996 und klärt Streitfragen zum UN-Seerechtsübereinkommen von 1982.

In diesem Übereinkommen tauchen die Worte Klimaschutz und Treibhausgase nicht auf, aber es gibt eine Verpflichtung der Vertragsstaaten zum Schutz der Meere vor Verschmutzung. Wie der Hamburger Gerichtshof nun feststellte, ist es auch eine Verschmutzung der Meere, wenn sich diese wegen des Klimawandels erwärmen und versauern und der Meeresspiegel steigt.


Die Vertragsstaaten haben daher die Pflicht,
alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen,
um Meeresverschmutzung
durch menschengemachte Treibhausgase
zu vermeiden, zu vermindern und zu kontrollieren.
Dabei müssen sich die Staaten an den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren
sowie an den Verpflichtungen internationaler Verträge
wie dem Pariser Klimaschutz-Übereinkommen.


Dabei können die Verpflichtungen aus dem Seerechtsübereinkommen durchaus weiter gehen als die Pflichten aus den Klimaschutzverträgen, denn die Verträge stünden jeweils für sich. Vor allem wenn die Treibhausgase grenzüberschreitende Schäden verursachen, sei ein besonders strenger Maßstab anzulegen, so der Gerichtshof. Konkrete Verpflichtungen nannte er nicht, die Pflichten variieren je nach Mitteln und Fähigkeiten der Staaten. Entwicklungsländern sollten besonders unterstützt werden, insbesondere, wenn sie existenziell bedroht sind.

Gutachten ist rechtlich nicht binden, aber eine Grundlage für Klagen

Payam Akhavan, der kanadische Anwalt der kleinen Inselstaaten, begrüßte das Gutachten. Es sei eine große Ungerechtigkeit, dass Staaten, die nur sehr wenig zum Klimawandel beitragen, am schwersten unter den Folgen leiden.

Das Gutachten des Gerichtshofs erging einstimmig, das heißt alle 21 Richter stimmten zu.
Es ist zwar rechtlich nicht bindend, kann aber als Grundlage für Klagen gegen einzelne Vertragsstaaten genutzt werden. Für solche Klagen wäre dann wohl auch der Hamburger Seegerichtshof zuständig. Anwalt Akhavan sprach bereits von Schadensersatzforderungen.


TAZ hier

Folgen der Klimakrise auf die Meere: Seegericht nimmt Staaten in Pflicht

Ein Gutachten des Internationalen Seegerichtshofs zeigt, wie die Erderhitzung zur „Verschmutzung“ der Meere führt. Ein Erfolg für kleine Inselstaaten.

Das Aufheizen und Versauern der Meere sowie der Meeresspiegelanstieg durch Kohlendioxid gelten als Verschmutzung der Ozeane – damit sind Staaten schon allein durch das Seerechtsübereinkommen von 1982 zum Klimaschutz verpflichtet, nicht etwa erst durch das Pariser Weltklimaabkommen von 2015. Zu diesem Schluss ist am Dienstag der Internationale Seegerichtshof in Hamburg gekommen. Er verkündete ein Gutachten, das von neun kleinen Inselstaaten angefordert worden war.

Die kleinen Inselstaaten, zu denen Tuvalu, Vanuatu und die Bahamas gehören, hatten sich erst 2021 am Rande der Klimakonferenz in Glasgow zu einer Vereinigung namens Cosis zusammengefunden. Die Abkürzung Cosis steht für Commission of Small Island States on Climate Change and International Law. Manche der Staaten drohen bei weiterem Ansteigen des Meeresspiegels zu verschwinden.....

Der Rest deckt sich mit den Artikeln oben

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