Samstag, 18. Mai 2024

AGRARPOLITIK: Mit zehn Punkten zu einer ökologischen und sozialen Landwirtschaft?

Standard  hier Lukas Kapeller 16. Mai 2024

Biobauern und Umweltorganisationen fordern eine agrarpolitische Wende. Eine grünere Landwirtschaft funktioniere nur mit sozialpolitischem Kurswechsel

Verdorrte Tomaten: "Wir brauchen ein Umdenken in der Landwirtschaft und im Ernährungssystem. Sonst werden unsere Böden irgendwann so degradiert sein, dass wir nichts mehr zu essen haben werden", sagt Landwirt Rumetshofer.

Die Bauernproteste in Deutschland, Belgien und anderen Ländern haben politisch reiche Ernte eingefahren. Diese Woche haben die EU-Staaten viele Umweltauflagen in der Agrarpolitik zurückgenommen. Dabei geht es zum Beispiel darum, dass Bauern weniger Flächen für die Schonung der Böden brachliegen lassen müssen, wenn sie EU-Gelder bekommen wollen.

Die Biobauern Matthias Böhm und Ludwig Rumetshofer machten bei einer Pressekonferenz am Donnerstag darauf aufmerksam, dass diese Entwicklung keineswegs allen Landwirten schmeckt. 

Im Schulterschluss mit den Umweltorganisationen Global 2000 und Birdlife Österreich stellten sie zehn Punkte vor, wie sich die Aspekte Ernährungssicherheit, Ökologie und ein faires Einkommen für Bäuerinnen und Bauern vereinen ließen. Unter den Punkten: mehr Biodiversität (zehn Prozent „Space for Nature“), Vielfalt beim Saatgut, Pestizidreduktion und eine Umverteilung der Förderungen von den Großen zu den Kleinen.

Kritik am Förderwesen

Das Erreichen hoher ökologischer Ziele sei ohne eine Wende im Fördersystem unrealistisch, erklärt Böhm, Obmann des Bioverbands Erde & Saat. 


"Derzeit wird nach Fläche gefördert,
was natürlich Großbetrieben zugutekommt.
Stattdessen brauchen wir ein Förderwesen,
das die Arbeitskraft und ökologische Leistungen honoriert",
sagt Böhm im Gespräch mit dem STANDARD.


Eine ökologische Wende sei nur mithilfe sozialpolitischer Antworten möglich, sagt auch Gemüsebauer Rumetshofer, Vorstandsmitglied der Berg- und Kleinbauernvereinigung ÖBV - Via Campesina. "Bäuerinnen und Bauern leiden unter hohem Preis- und Kostendruck, aggressivem Wettbewerb und einer Agrar- und Handelspolitik, die Großbetriebe begünstigt", sagt er. Kleine und mittlere Betriebe müssten bei Agrarförderungen bevorzugt statt wie bisher benachteiligt werden.


Rumetshofer plädiert angesichts "multipler Krisen"für ein Umdenken
in der Landwirtschaft und im Ernährungssystem: 

"Sonst werden unsere Böden irgendwann so degradiert sein,
dass wir nichts mehr zu essen haben werden."


Böhm will das Zehn-Punkte-Papier, an dem übrigens auch ÖGB und Arbeiterkammer mitgearbeitet haben, als konstruktiven und sachlichen Beitrag verstanden wissen. "Wir wollen niemanden unter den Landwirten agrarpolitisch in ein Eck stellen, sondern zeigen, was funktioniert und was nicht funktioniert", sagt er.

Billiger Diesel "keine Transformation"

Eine bereits beschlossene Fördermaßnahme sind die von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) verkündeten Hilfsgelder beim Agrardiesel. 209 Millionen Euro macht die türkis-grüne Regierung locker. Damit werden sich Landwirte im Jahr 2024 rund 20 Cent je Liter Diesel sparen können, rechnet das Ministerium vor.

Die Biolandwirte Böhm und Rumetshofer sehen Totschnigs Dieselförderung auf Nachfrage differenziert. "Es ist ein 'Weiter wie bisher'. Die Förderung ist ein Gießkannensystem und bedeutet keine Transformation hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft", kritisiert Böhm, der sogar von einem "Fehlschlag" spricht. Die Kritik der Gießkannenpolitik bezieht sich auf die Vergütungsweise: Die Auszahlung hängt davon ab, wie viel Hektar man bewirtschaftet und was man anbaut, nicht vom tatsächlich verbrauchten Diesel. "Die Förderung des Agrardiesels ist eine Einzelmaßnahme, die zu keiner Transformation der Landwirtschaft führen wird", sagt auch Rumetshofer.

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