Deutschlandfunk 30.04.2023 hier mit vielen kurzen Beiträgen zum Anhören
Grüner Rasen – perfekt zum Fußballspielen oder Picknicken, aber nicht gut fürs Stadtklima. Viele Städte mähen ihre Grünflächen zu oft, bemängeln Wissenschaftler. Doch langsam findet ein Umdenken statt.
Bild links: Bad Saulgau legt Wert auf große Biodiversität und hat kurz gemähten Rasen durch Staudenpflanzungen und Blumenwiesen ersetztSaftiger, grüner, perfekt kurz gemähter Rasen wird von vielen geliebt. Er ist ein Symbol für Gepflegtheit und Ordnung. Aber auch gut zum Fußballspielen oder Sonnen.
Die Liebe zum grünen Rasen stamme vermutlich aus England, sagt Eva Hofmann von der Gartenakademie Rheinland-Pfalz. „Das steckt irgendwie ganz tief drin in der Psyche“, beobachtet sie.
Das Problem ist nur: Saftiger, grüner, perfekt kurz gemähter Rasen ist nicht gut für die Umwelt. Darin sind sich alle Experten einig.
Warum kurzer Rasen schlecht ist
In vielen deutschen Städten sind über 90 Prozent der Grünflächen zu kurz gemäht – und zu häufig. Das bemängelt unter anderem der Umweltökologe Jesko Hirschfeld vom Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung und der HU in Berlin.
„Ein kurz gemähter Rasen ist viel anfälliger für Trockenheit“, erklärt er. „Das heißt, wenn man vermeiden will im Sommer, dass er braun wird, muss er auch massiv bewässert werden.“ Gleichzeitig treten bei Starkregen Probleme auf, da die trockene Erde sehr viel schlechter schnell große Mengen Wasser aufnehmen kann.
Jesko Hirschfelder plädiert deshalb für naturnahe Areale, auf denen die Wiese Wiese sein darf, denn längere Wiesen halten nicht nur besser eine größere Grundfeuchtigkeit, sondern förderen auch die Biodiversität in der Stadt.
Die Vorteile von naturnahen Wiesen
Auf der Seite „Stadtgrün wertschätzen“ vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung kann man sich den Ist-Zustand von Grünflächen, Stadtbäumen, naturnaher Pflege und mehr von 23 großen deutschen Städten angucken – aber man kann auch sehen, wie und was sich verändert, wenn man die Parameter verschiebt: zum Beispiel mehr naturnahe Pflege, mehr Stadtbäume.
Es sind keine Geheimnisse, aber es führt eindrücklich vor Augen, wie diese Parameter in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger werden: Durch naturnahe Wiesen und Stadtbäume könne die Temperatur in der Stadt großflächig ein bis zwei Grad herunter gekühlt werden, sagt Hirschfeld.
Punktuell an einzelnen Stellen kann es bis zu zehn Grad Unterschied geben. Gerade in Hitzesommern, die mit der Klimakrise zunehmen werden, können einige Grad kühler, einen entscheidenen Unterschied machen. Das hat große positive Folgen für unsre Gesundheit, das Wohlbefinden, aber auch die Leistungsfähigkeit der Städter, so der Umweltökologe.
Erste Städte denken um: Weniger Rasenmähen
In einer repräsentativen Studie hat Hirschfeld herausgefunden, dass der Wunsch der Stadtbevölkerung, naturnahe Wiesen zu bekommen, hoch ist. Diese und andere Studien kann man auf der Projektwebsite von „GartenLeistungen.de“ nachlesen. Das Ergebnis habe ihn zunächst überrascht. Doch das Bewusstsein dafür, dass die Städte im Sommer zu heiß werden, dass Insekten, Schmetterlinge und Vögel wichtig sind, wachse. Und langsam finde auch in den Kommunen ein Umdenken statt.
Vorreiter ist unter anderem die Stadt Karlsruhe. Nur noch knapp 70 Prozent der öffentlichen Grünflächen hätten kurzen, gemähten Rasen, der Rest sei schon in naturnahe Areale umgewandelt worden. Auch Leipzig sei mit nur noch 80 Prozent Rasen schon recht weit. In diesen Städten sehe man klare Ansätze, die in die richtige Richtung gingen, so Hirschfeld. Zum Vergleich: In Köln dagegen sind noch 95 Prozent der Grünflächen kurz gemäht.
Auch heimischer Garten sollte nicht zur Monokultur verkommen
„Gemähter Rasen speichert kaum mehr CO2 als Beton“, sagt Eva Hofmann von der Gartenakademie Rheinland-Pfalz. Es ist eine einfache Rechnung: Mehr Grün gleich mehr CO2-Speicher. Das Problem des grünen kurzen Rasens sei allerdings noch weitreichender: Es sei eine absolute Monokultur, die Artenarmut produziere, erläutert Hofmann. Die ökologische Vielfalt geht so verloren.
Deswegen empfiehlt sie auch privaten Gartenbesitzern, einfach mal den Rasenmäher stehen zu lassen. Der Garten müsse deshalb nicht zur Wildnis werden. Fußball spielen oder im Liegestuhl liegen seien weiter möglich. „Aber es ist einfach nicht nötig, jede Woche zu mähen.“ Wer nur alle drei bis vier Wochen mähe, erlebe bereits eine größere Pflanzenvielfalt.
Und wenn der Nachbar komisch guckt, weil man den Rasen nicht mehr wöchentlich mäht? „Sagen Sie einfach, Sie tun damit etwas für die Umwelt“, empfiehlt die Gartenexpertin.
Win-win: Geldsparen und Umweltschutz
Und man spart Geld: Wiese mal Wiese sein lassen, heißt auch: Weniger Energie ins Mähen stecken zu müssen. Kommunen können so richtig Geld sparen. Hinzu kommt, dass mehr CO2 gebunden werden kann, weniger Wasser zur Bewässerung verbraucht werden muss, Starkregen besser aufgenommen werden kann und so beispielsweise weniger Schäden durch voll gelaufene Keller entstehen.
An vielen Grünanlagen oder Grünstreifen im Stadtgebiet und in den Randzonen von Frankfurt am Main stehen Hinweisschilder: Wiesen für Insekten. Eine Kampange des Grünflächenamtes der Stadt Frankfurt gegen kurzgemähtes Einheitsgrün.
Ein Plädoyer für mehr Wildnis in der Stadt
Zu wenig Grün und zu stark gepflegtes Grün: Das betrifft nicht nur Deutschland. Auch der schwedische Stadtökologe Marcus Hedblom fordert mehr Vielfalt in städtischen Grünanlagen. Er sagt, man solle den Rasen nicht nur wachsen lassen, sondern auch überlegen, was man da eigentlich wachsen lasse: Nicht überall auf der Welt sollten dieselben Grasarten verwendet werden, findet er.
„Stattdessen könnte man solche Arten auswählen, die besser an das jeweilige Klima angepasst sind und dadurch auch ohne Dünger gut wachsen und nicht so stark bewässert werden müssen“, so Hedblom. Davon würde dann wieder die heimische Tierwelt profitieren – und am Ende auch der Mensch.
Quellen: Deutschlandradio, www.stadtgruen-wertschaetzen.de, nho
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