Stand 21.2.23 (Artikel leider nicht ganz aktuell in allen Punkten)
Zeit hier Von Anja Stehle 27. Mai 2023
CO₂-Preis und Heizungsstreit: Das Wundermittel, das die Wende bringen soll
Immer wenn es um Klimaverbote geht, wird mit dem CO₂-Preis als Alternative argumentiert. Bald wird er teurer. Was bedeutet das fürs fossile Heizen und die Wärmewende?
Als Bauministerin Klara Geywitz der Öffentlichkeit im April das Heizgesetz vorstellte, ließ das tief blicken in das ökonomische Verständnis der SPD-Politikerin. Auf die Frage, warum die Wärmewende nur mit Verboten gelinge, warum sie nicht auf Anreize, namentlich den CO₂-Preis, setze, sagte sie: Anders funktioniere es eben nicht. Das Problem sei, dass die zukünftigen Mehrkosten für Öl und Gas beim Heizungskauf heute nicht mitbedacht würden. Man müsse die Bürger also vor sich selbst schützen, davor, dass sie sich jetzt eine Gasheizung einbauten, deren Brennstoffe sie sich dann in zehn Jahren nicht mehr leisten könnten.
Damit hat die Bauministerin einerseits recht: Obwohl der CO₂-Preis im Wärmesektor seit 2021 gilt, wurden in Deutschland allein im vergangenen Jahr noch 600.000 neue Gasheizungen in den Kellern eingebaut. Geywitz aber verschweigt mit ihrer Aussage auch den Anteil, den die Ampel-Koalition und ihre Vorgängerregierung daran haben, dass der Kohlendioxidpreis bislang seine Wirkung verfehlt. Der Preis kam zu spät, ist zu niedrig, vor allem aber geht die Politik mit dem Instrument so verdruckst um, dass wohl nur die allerwenigsten Bürger überhaupt mitbekommen haben dürften, dass es ihn überhaupt gibt – vom Wissen, wie sie ihr Handeln danach ausrichten sollen, mal ganz abgesehen.
Diese Geburtsfehler wollen eine Reihe von Ökonomen nun beheben, wenn sie den Emissionshandel als Lösung im verfahrenen Heizstreit einfordern. Man müsse den CO₂-Preis jetzt "scharfstellen", sagte etwa der Direktor des Potsdam Institutes für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, im Deutschlandfunk. Dadurch werde das Heizen mit Gas automatisch teurer und die Menschen in Deutschland würden von sich aus auf andere Heizarten umstellen. Ähnliche Korrekturen will die Wirtschaftsweise Veronika Grimm vornehmen.
Die Europäische Union zeigt schon, dass das Instrument für Industriebetriebe sehr gut funktionieren kann. Rund 10.000 Unternehmen, darunter Ölraffinerien, Kohle- und Stahlkraftwerke, die Zement-, Glas-, Papier- und Teile der Chemieindustrie müssen schon seit 2005 Zertifikate kaufen, wenn sie CO₂ ausstoßen wollen. Wer viel Kohlendioxid in die Luft bläst, muss viel zahlen. Wer in Klimaschutz investiert, kann dagegen Geld sparen. Seit der Einführung sind die Emissionen in der Industrie so um mehr als 40 Prozent gesunken. 2022 war der CO₂-Preis in der EU teilweise auf über 85 Euro pro Tonne geklettert. Und er dürfte weiter steigen, weil die EU die Verschmutzungsrechte auf die Klimaziele abgestimmt hat und sie daher in den kommenden Jahren knapper werden.
Es wird teurer, so oder so
Aber lässt sich der Erfolg einfach auf die Heizkeller übertragen? In Deutschland gilt auch schon ein CO₂-Preis, er läuft parallel zum europäischen System. Für jede Tonne CO₂, die bei der Verbrennung von Gas, Öl oder auch von Benzin freigesetzt wird, müssen Kohle- und Gaslieferanten oder auch Unternehmen der Mineralölindustrie Zertifikate kaufen. Die Mehrkosten dafür geben sie an die Verbraucher weiter. So taucht der CO₂-Preis etwa auf der Gasrechnung auf.
Anders als auf europäischer Ebene gilt hierzulande ein Festpreis: In diesem Jahr kostet ein Emissionszertifikat noch 30 Euro, im kommenden Jahr schon 35 Euro, 2025 kostet es dann 45 Euro. Was das fürs Heizen bedeutet, hat die Verbraucherzentrale Bundesverband beispielhaft für ein saniertes und ein unsaniertes Einfamilienhaus ausgerechnet: Da eine Gasheizung pro Kilowattstunde rund 202 Gramm Kohlendioxid ausstößt, liegen die Emissionen bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden (unsaniert) im Jahr bei rund vier Tonnen CO₂. 2025 bedeutet das Mehrkosten von rund 195 Euro. Öl ist mit rund 266 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde schmutziger als Gas. Im Jahr 2025 bedeutet das Zusatzkosten von 285 Euro.
So teuer wird Heizen im Einfamilienhaus
Ab 2026 schnellen die Kosten dann in die Höhe. Dann gilt kein Festpreis mehr, die Verschmutzungsrechte werden frei gehandelt – in einem Preiskorridor zwischen 55 Euro und 65 Euro pro Zertifikat.
Während es also gegen Ende des Jahrzehnts ziemlich teuer wird, sind die Zuschläge zurzeit noch überschaubar. "Der Preis ist aktuell und in den nächsten Jahren noch viel zu niedrig, damit sich im Vergleich eine Wärmepumpe rechnet", sagt die Ökonomin Monika Schnitzer. Denn die kostet ja auch einiges – auch Strom.
Also müsste der CO₂-Preis nun wohl schlagartig steigen, um überhaupt einen Lenkungseffekt zu erzielen. Das zeigt eine Analyse der Universität Stuttgart. Damit Deutschland klimaneutral wirtschaftet, sei mittel- und insbesondere langfristig ein Preis von 275 Euro, im Jahr 2045 sogar 355 Euro pro Tonne CO₂ erforderlich, um Klimaneutralität im Gebäudesektor zu erreichen.
Hier unterscheiden sich die Forderungen der Ökonomen von denen der FDP, die im Emissionshandel ebenso den heiligen Gral des Klimaschutzes sieht. Mit diesem Instrument gelinge Klimaschutz "garantiert, kostengünstig und sozialverträglich", wirbt Fraktionsvize Lukas Köhler. Ein von der FDP-Bundestagsfraktion verabschiedetes Strategiepapier Zukunftsthesen für einen wirksamen Klimaschutz, liest sich aber eher so, als liege der Fokus bei der FDP zurzeit vor allem auf "kostengünstig": Ein übermäßiger Preisanstieg könne verhindert werden, indem Zertifikate aus der kommenden Zielperiode vorgezogen würden, heißt es da. Das hätte allerdings zur Folge, dass die Preise erst einmal sänken und später stark anstiegen.
Es hängt am Klimageld
Einig sind sich die Ampel-Parteien darin, dass es für den CO₂-Preis, auch in der jetzigen Form, einen sozialen Ausgleich braucht. Die Bundesregierung plant daher, den Emissionshandel mit dem Klimageld zu flankieren – finanziert über die Einnahmen aus dem CO₂-Preis. Im vergangenen Jahr sind mit dem Zertifikatehandel 13,2 Milliarden Euro zusammengekommen. Das Geld fließt in den Klima- und Transformationsfonds und ist für zahlreiche Maßnahmen zum Klimaschutz schon verplant. In der Zukunft könnte die Summe jedoch über eine monatliche oder jährliche Auszahlung an die Bürger zurückfließen, um sie in Zeiten von steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten zu entlasten, klimafreundliches Handeln zu fördern und so auch die Akzeptanz für die Klimapolitik zu erhöhen.
Noch ist das Klimageld allerdings nur Theorie. Es hakt an der Umsetzung: Der Staat versagt dabei, Bürgern Geld direkt zu überweisen. Das war schon bei den Corona-Hilfen und in der Gaskrise ein Problem. Dem Tagesspiegel zufolge sitzt im Arbeitsministerium nun immerhin eine Task-Force an einer Lösung für die Auszahlung des Klimageldes. Wann diese Denkgruppe eine Lösung produzieren wird, ist ungewiss.
Doch selbst wenn es in naher Zukunft gelänge, den Bürgern das Klimageld zu überweisen, das "eigentliche Problem" sei dann noch immer ungelöst, sagt der Ökonom Jens Südekum. "Viele Menschen, etwa Pendler oder Besitzer von alten Ölheizungen, wären Verlierer eines solchen Systems von hohen CO₂-Preisen." Um dem CO₂-Preis zu entkommen, müssen sie auf klimafreundliche Heizungen oder Autos umstellen – doch das kostet ja auch Geld. Doch das Klimageld würde "bei Weitem nicht ausreichen, um die Kosten für eine Wärmepumpe oder ein E-Auto zu decken", sagt Südekum.
Er geht davon aus, dass dann "dieselben Diskussionen und Kampagnen, die wir gerade erleben", sehr schnell in leicht abgewandelter Form zurückkehren würden. "Sofort beginnen dann die Diskussionen über flankierende Förderungen. Also mehr Geld für bestimmte Gruppen, mit der offenen Frage, woher dieses Geld kommen soll." Prinzipiell sei die Dekarbonisierung im Gebäudebereich besser mit CO₂-Preisen, statt mit Ordnungsrecht zu erreichen, sagt Südekum, aber zu glauben, man könne das Gebäudeenergiegesetz mal eben stoppen und durch eine vorgezogene Einführung des Emissionshandels ersetzen, sei "eine Illusion".
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