Montag, 15. Mai 2023

Vogelhäuschen und Bänke oder doch lieber mehr Autos in der Innenstadt?

Mobilitätswende in Berlin angedacht- während bei der Bremenwahl die SPD mit der Brötchentaste liebäugelt. Mobilitätswende mal kurz aufgeschoben.

Berliner Zeitung hier  Peter Neumann  13.05.2023

Was jetzt mit Parkplätzen in Kreuzberg passiert: Es ist mehr als Berlins erster überdachter Fahrradweg. Das Versuchslabor für die Radbahn wird um ein Testfeld erweitert. Jetzt wurden die Pläne vorgestellt.

Es ist eine kleine Sensation: In Berlin können Dinge draußen stehen, ohne beschmiert oder beschädigt zu werden. „Die Infotafeln, die wir hier vor einem Jahr aufgestellt haben, sind immer noch da“, sagt Matthias Heskamp. Auch die Bänke, die aus Pflastersteine, Holz und Gurten gebaut, sind bislang keinem Vandalismus zum Opfer gefallen. Für den Berliner Architekten und sein Radbahn-Team ist das ein gutes Omen.

Ein gutes Zeichen für den nächsten Schritt, den sie hier, unter dem Hochbahnviadukt auf der lauten Skalitzer Straße in Kreuzberg, bald gehen möchten. Nicht mehr lange, dann fallen auf dem Mittelstreifen 24 Autostellplätze weg. Auf dem freiwerdenden Platz entsteht etwas Neues. „Es geht los“, kündigt Heskamp am Sonnabend an.

Radbahn Berlin: Das ist ein Vorhaben, bei dem sich seit den Anfängen vor fast einem Jahrzehnt die Schwerpunkte gewandelt haben. Zunächst stand im Fokus, auf den neun Kilometern zwischen dem Bahnhof Zoo und dem Schlesischen Tor eine Radverbindung zu schaffen. „Es begann damit, dass uns jemand anrief: Warum kann ich nicht unter der Hochbahn fahren – vor Sonne und Regen geschützt“, erinnert sich Heskamp. So fing es an, die Idee war geboren. Und sie wurde immer größer. 2015 nahm sie an Tempo auf.

„Wir wollen zeigen, dass Raum mehr kann als nur für Autos da zu sein“

...„Doch es geht längst nicht mehr nur ums Radfahren“, sagt Heskamp am Sonnabend. Bei der Führung am Tag der Städtebauförderung muss er in ein Mikrofon sprechen, auf dem lärmumtosten Mittelstreifen der Skalitzer Straße wäre er sonst kaum zu hören. Die Radbahn ist ein Städtebauprojekt geworden, nun geht es um die Veränderung des städtischen Raums. „Wir wollen zeigen, dass er mehr kann als nur für Autos da zu sein“, so der Planer. Das ist auch eine Reaktion auf die Zweifel, ob der von vielen Querstraßen gekreuzte, mitunter schmale Weg unter dem Viadukt für längere Fahrradstrecken geeignet ist. Von einer schnellen Radverbindung spricht inzwischen niemand mehr.

In drei Wochen ist der Mittelstreifen in diesem Bereich für Autos tabu

Um zu erproben, was notwendig und möglich ist, wurde ein Abschnitt unter der Hochbahn, der im Osten an der Kreuzung am U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof beginnt, im vergangenen Sommer zum Reallabor erklärt. Dort stehen die Info-Tafeln und Sitzgelegenheiten, von denen anfangs die Rede war. Manchmal kann man hier Kaffee trinken und sein Fahrrad reparieren. Zimtahorn,  Traubenkirsche, Gemeine Felsenbirne und ein Kanadischer Judasbaum wurden gepflanzt, auch sie sind unbeschadet.

...Das künftige Testfeld auf dem Mittelstreifen der Skalitzer Straße in Kreuzberg. Alle Autostellplätze fallen von Juni an weg, die Flächen werden entsiegelt. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat das genehmigt. .... Bereiche werden begrünt. Damit sich Menschen treffen können, entstehen „Interaktionsinseln“. Paten könnten Beete bepflanzen, Vogelhäuschen sollen Sperlinge anlocken. Auch Fledermäusen und Eidechsen soll das Testfeld Heimstatt bieten.

Nördliche Fahrbahn der Skalitzer Straße soll für Fußgänger geöffnet werden

Im Ernst? Mitten auf der lauten, schmutzigen Skalitzer Straße? „Ich bin hier auch nicht gern, aber wir müssen ein paar Jahre weiter denken. 20 Jahre weiter“, sagt Matthias Heskamp. Inzwischen ist sei das Blickfeld noch weiter geworden. Vor Kurzem wurde die Machbarkeitsuntersuchung vorgestellt, die der deutsche Ableger des dänischen Planungsbüros Ramboll für den Senat und den Bezirk erstellt hat.

Deren Autoren gaben der Variante B den Vorzug. Danach soll der Kraftfahrzeugverkehr zwischen dem Schlesischen und dem Kottbusser Tor auf der Südseite der Skalitzer Straße zusammengefasst werden. Statt vier Fahrstreifen in beiden Richtung stünden künftig noch zwei zur Verfügung. Die Nordfahrbahn würde Fußgängern und Radfahrern überlassen. Ein benachbarter Park könnte direkt ans Testfeld anschließen, künftig wäre es viel ruhiger als heute, sagte Matthias Heskamp.

...Berlins neue Mobilitätssenatorin Manja Schreiner (CDU), die ihre Vorgängerin Bettina Jarasch (Grüne) abgelöst hat, machte allerdings zumindest bislang nicht mit Plädoyers für die Umwidmung von Hauptverkehrsstraßen von sich reden. „Wir werden sehen, wie sich die Politik jetzt äußert“, so Heskamp. Erste Kontakte habe es bereits gegeben, und was die zentrale Idee anbelangt, sei man nicht weit voneinander entfernt.

Es geht um ein besseres Miteinander auf Berlins Straßen – das betont auch die neue Senatorin immer wieder. Der Radbahn-Macher ist zuversichtlich, dass sich das Projekt weiter entwickelt. „Die Sterne sind hell.“

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