Donnerstag, 18. Mai 2023

Energiewende: BGH verhandelt über Schiedsklagen von Energiekonzernen gegen Staaten

Ein Vertragswerk aus der fossilen Vergangenheit, damals als die Welt noch scheinbar ganz zufrieden vor sich hindümpelte. Na ja, vielleicht auch nicht, die Erdölriesen wussten 1998 ja bereits ganz genau, was los war....und werden heute auch schon gelegentlich vor Gericht gezwungen wegen der Klimaschäden, die sie zu verantworten haben.(hier)

Da wird wirklich mit allen Mitteln versucht, noch mehr Geld auszuquetschen für die fossile Lobby.
Es wird spannend was der Bundesgerichtshof dazu sagt.
Ich würde - ganz naiv als Staatsbürger - meinen, die fossile Lobby hat schon viel länger als 25 Jahre lang die Menschen vorsätzlich getäuscht und sich damit eine goldene Nase verdient. Wenn man bedenkt, welches Szenario uns allen droht - dann hat das Überleben der Menschheit eindeutig Vorrang vor Profitgier.

Wie der irische Konzern mit seinen Off-shore Windparks in dieses Schema passt, wird in beiden Artikeln nicht dargelegt. Das ist noch etwas rätselhaft.

Zeit hier 17. Mai 2023  AFP

Dürfen Energiekonzerne EU-Staaten für ihre Klimapolitik auf Milliardenzahlungen verklagen? Darüber verhandelt heute der Bundesgerichtshof.

Der Bundesgerichtshof (BGH) befasst sich heute mit Klagen von Energiekonzernen gegen Staaten vor Schiedsgerichten. Die Frage ist, ob solche Schiedsverfahren zwischen Investoren aus einem EU-Staat und einem anderen EU-Staat auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags zulässig sind.

Die EU-Kommission bereitet schon den Ausstieg aus diesem völkerrechtlichen Vertrag vor, Deutschland und andere EU-Länder haben ihren Rückzug angekündigt.

Der Energiecharta-Vertrag trat 1998 in Kraft und sollte Investitionen in Osteuropa schützen. Ost- und westeuropäische Staaten sollten so in einen gemeinsamen Energiemarkt eingebunden werden. Streitfälle sollten von Schiedsgerichten geklärt werden. Durch sogenannte Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) können Investoren Staaten in privaten Schiedsverfahren auf Schadensersatz in Milliardenhöhe verklagen, wenn diese Gesetze verabschieden, die die Gewinne der Energiekonzerne verringern würden.

In die Kritik geriet die Energiecharta, weil Energiekonzerne Staaten wegen ihrer Klimapolitik verklagten. Bei den Fällen am BGH sind deutsche Unternehmen oder der deutsche Staat beteiligt. Es geht zum einen um ein Verfahren, das ein irischer Investor gegen Deutschland einleitete und zum anderen um zwei Verfahren von deutschen Konzernen gegen die Niederlande. 

Deutschland wird wegen Umstellung der Förderung von Offshore-Windparks von dem irischen Energieinvestor Mainstream Renewable Power verklagt. Die deutschen Energiekonzerne RWE und Uniper verklagen den niederländischen Staat wegen des Kohleausstiegs ab 2030 auf eine Entschädigung in Milliardenhöhe.

Die Bundesregierung hatte im November vergangenen Jahres den Austritt Deutschlands aus dem Energieabkommen beschlossen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einem wichtigen Schritt für mehr Klimaschutz. "Der Energiecharta-Vertrag war und ist ein Hindernis für die Energiewende und ist schlicht nicht vereinbar mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens." Die Ausstiegsfrist beträgt allerdings 20 Jahre.


17. Mai 2023, Süddeutsche Zeitung hier Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Energiecharta-Vertrag: Darf ein irischer Energie-Investor die Bundesrepublik verklagen?

Das Unternehmen wollte Offshore-Windparks in der Nordsee errichten - und will nun hunderte Millionen Euro erstreiten. Helfen soll eine umstrittene Klausel.

Wenn die Politik die Richtung wechselt, dann muss sie mit den Klagen von Unternehmen rechnen, die ihre Investitionen gefährdet sehen. Das kann teuer werden, der Energiekonzern Vattenfall hat wegen des Automausstiegs vor einem Schiedsgericht immerhin 1,4 Milliarden Euro Entschädigung erstritten. Grundlage war damals der Energiecharta-Vertrag, ein drei Jahrzehnte altes Abkommen zwischen rund 50 Staaten sowie der EU, das unter anderem Investitionen im Energiesektor schützt. An diesem Mittwoch hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe über drei solcher Klagen verhandelt, in denen es um einen anderen Richtungswechsel geht - die Energiewende.

Gestritten wurde über eine Klausel im Energiecharta-Vertrag, wonach Investorenklagen gegen Staaten durch ein Schiedsgericht in Washington entschieden werden müssen - und zwar exklusiv, wenn die Kläger das wollen. Womit die Klagen der staatlichen Justiz entzogen werden. Ein Urteil wird erst am 27. Juli verkündet, aber der Gang der Karlsruher Verhandlung legt nahe: Das oberste Zivilgericht wird die Millionenprozesse wohl kaum der nichtstaatlichen Paralleljustiz überlassen.

Klage nach Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz

Im ersten der drei Verfahren macht der irische Projektentwickler Mainstream Renewable Power Ansprüche von rund 275 Millionen Euro gegen Deutschland geltend, plus 56 Millionen Zinsen. Das Unternehmen wollte in der Nordsee Offshore-Windparks errichten, sah aber nach Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz seine Investitionen als gefährdet an. Die beiden anderen Klagen stammen noch aus der fossilen Welt: Der Energiekonzern RWE fordert von den Niederlanden rund 1,4 Milliarden Euro, Uniper verlangt mehrere hundert Millionen Euro, in beiden Fällen wegen des niederländischen Kohleausstiegs; die Unternehmen hatten dort in Kohlekraftwerke investiert.

Die entscheidende Frage lautet nun: Können sie ihre Ansprüche vor dem Schiedsgericht in Washington geltend machen, wo sie sich offenbar eine deutlich investorenfreundlichere Haltung erhoffen? Genau dies sieht der Energiecharta-Vertrag vor - und beide haben ihn unterschrieben, Deutschland ebenso wie die Niederlande.

Allerdings sind solche Schiedsgerichtsverfahren in den letzten Jahren stark unter Druck geraten, und zwar in den Fällen, in denen die Beteiligten innerhalb der EU angesiedelt sind. Man könnte auch sagen: Sie gehören fast schon der Vergangenheit an. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mehrfach entschieden, dass sich Staaten und Investoren in Intra-EU-Verfahren nicht einfach per Schiedsvereinbarung aus dem europäischen Recht ausklinken können. Wo die Regeln der EU gelten, müssen eben auch nationale und europäische Gerichte entscheiden; eine Spezialjustiz für Investoren widerspricht diesem Prinzip.

Grundlegend war das Achmea-Urteil des EuGH von 2018, da ging es um ein bilaterales Abkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei. Eine Schiedsklausel sei rechtswidrig, weil damit die "volle Wirksamkeit des Unionsrechts" unterlaufen werde, befand der EuGH. Die große Mehrheit der EU-Staaten hat auf diese Rechtsprechung reagiert, die bilateralen Investitionsschutzverträge sind seither gefallen wie die Dominosteine.

BGH letzte Hoffnung der Unternehmen

Vor zwei Jahren dehnte der EuGH seine Rechtsprechung auch auf ein multilaterales Abkommen aus - und zwar auf ebenjenen Energiecharta-Vertrag. Das dort festgelegte Schiedsverfahren verstoße gegen EU-Recht, der entsprechende Artikel 26 sei schlicht nicht anwendbar. Auch hierauf reagierte die Politik: Die Bundesregierung beschloss am 30. November 2022 den Rücktritt vom Energiecharta-Vertrag. "Aus der EuGH-Rechtsprechung folgt eindeutig, dass angerufene Schiedsgerichte ohne Rechtsgrundlage agieren", heißt es auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums.

Der BGH in Karlsruhe ist mithin die letzte, wenngleich geringe Hoffnung der Unternehmen, das Schicksal der Schiedsklausel doch noch zu ihren Gunsten zu wenden. "Investitionen ausländischer Unternehmen in fremden Staaten sind erwünscht", sagte Thomas Winter, Anwalt des niederländischen Unternehmens. Sie setzten allerdings Vertrauen in die Geltung des Abkommens voraus. Uniper-Anwalt Gottfried Hammer hielt das Schiedsgericht ohnehin für die bessere Instanz, weil es unabhängig von politischen Streitigkeiten sei - und keinen Staat als Dienstherrn habe, der im Prozess den Heimvorteil hätte.

Bleibt der BGH bei seiner vorläufigen Einschätzung, wird sich die Hoffnung der Unternehmen allerdings zerschlagen. Der Senatsvorsitzende Thomas Koch arbeitete eine regelrechte Checkliste ab, an der sich Wohl und Wehe des Schiedsgerichts entscheidet. Ergebnis: Das Schiedsgericht würde europäisches Recht anwenden, ohne dass es einer Kontrolle durch nationale oder EU-Gerichte unterläge. Nach der EuGH-Rechtsprechung sei das Schiedsverfahren damit unzulässig. Dass Deutschland und die Niederlande mit der Unterschrift unter den Vertrag die Schiedsklausel akzeptiert haben, wäre unbeachtlich.

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