Ein schönes Beispiel dass es manchmal ganz anders kommt als man plant - auch mal zum Guten hin, wenn man die Energiewende im Kopf hat. Denn Texas als Vorreiter der grünen Energie - damit rechnet nun wirklich niemand. Nur dass der republikanische Gouverneur dann ausgerechnet den Bayern nacheifert, da spielen hoffentlich die Texaner nicht mit.
NTV hier 13.05.2023
Früher wurden in Texas Bohrlizenzen verkauft, heute verdienen viele Rancher ihr Geld mit Windparks.
Das grüne Herz der USA schlägt in Kalifornien - das ist die weit verbreitete Annahme. Tatsächlich erzeugt Texas fast dreimal so viel Wind- und Solarstrom wie das liberale Energieparadies, dann dafür ist Texas prädestiniert. Der Bevölkerung gefällt's, den Republikanern nicht.
George W. Bush ist für viele Dinge bekannt. Er war US-Präsident, als Terroristen am 11. September 2001 die Vereinigten Staaten angegriffen haben. Bush hat völkerrechtswidrig den Irakkrieg begonnen und das Land damit ins Chaos gestürzt. Der 76-Jährige ist außerdem ein begnadeter Künstler und eng mit der früheren First Lady Michelle Obama befreundet.
George W. Bush war aber offenbar auch ein grüner Visionär. Denn 1999 hat er als Gouverneur unabsichtlich den Grundstein für Texas als das grüne Powerhouse der USA gelegt.
Denn eigentlich ging es ihm nur darum, den Strommarkt zu liberalisieren, wie Energiehistoriker Stephen Milder von der LMU München im "Wieder was gelernt"-Podcast von ntv.de erklärt. Jeder Texaner sollte wählen können, von wem er seinen Strom bezieht.Ziele werden pulverisiert
Eine weit verbreitete Annahme ist, dass das grüne Herz der USA in Kalifornien schlägt. Kein US-Staat produziert mehr Solarenergie als der liberale an der Pazifikküste. Bereits in den 80er Jahren ist Kalifornien als Windkraft-Pionier Vorbild für Länder wie Deutschland geworden. Im amerika-weiten Vergleich der erneuerbaren Energien reicht es inzwischen aber trotz des frühzeitigen Starts nur zum zweiten Platz: An der Spitze thront Texas - und zwar mit weitem Abstand. Nur mit Wind und Sonne hat der Lone Star State im vergangenen Jahr 136.000 Gigawattstunden (GWh) erneuerbaren Strom generiert - und damit fast dreimal so viel wie Kalifornien (53.000 GWh).
Seit dem grünen Startschuss 1999 schafft es Texas, jedes einzelne Ausbauziel für die Erneuerbaren zu "crushen", wie die Amerikaner sagen. Pulverisiert. Die Vorgabe von Bush waren nämlich lediglich Kapazitäten für zwei Gigawatt erneuerbare Energien bis 2009. Dieser Meilenstein wurde schon 2005 erreicht.
Rick Perry, Bushs Nachfolger als texanischer Gouverneur, erhöhte das Ziel anschließend auf zehn Gigawatt installierte Leistung bis 2025. Dieses Ziel wurde 2011 erreicht. Vor gut einem Jahr lag die erneuerbare Leistungsfähigkeit bei mehr als 35 Gigawatt. Weltweit haben nur China, Deutschland, Indien und die USA selbst größere Kapazitäten.
Windparks auf der Ranch
Denn Windkraftanlagen sprießen in Texas seit gut 20 Jahren wie Pilze aus dem Boden. Die weiten, flachen Ebenen und großen Wüstenflächen sind prädestiniert für Wind- und Solarparks. Genauso wie das überragende Platzangebot: Der zweitgrößte amerikanische Bundesstaat erstreckt sich von Osten nach Westen und von Norden nach Süden an den jeweils weitesten Stellen über beinahe 1300 Kilometer. In der Fläche ist Texas insgesamt fast doppelt so groß wie Deutschland, hat mit 29 Millionen Menschen aber nur ein Drittel der Einwohner - und denen schreibt die republikanische Führung mit ihrer Ablehnung von Bürokratie nur selten vor, was sie tun und lassen dürfen.
"Die großen Landbesitzer, die Rancher, haben irgendwann Besuch bekommen von Investoren. Die haben denen gesagt, dass sie Geld dafür bezahlen werden, wenn sie auf der Ranch einen Windpark mit Dutzenden oder gar Hunderten Windkraftanlagen bauen dürfen", erzählt Stephen Milder bei "Wieder was gelernt". "Und Texas hat keine strengen Regeln, wenn es darum geht, wofür man sein eigenes Land benutzen darf."
Die Texaner stimmen zu
Windkraft ist in Texas das neue Öl. Auf den Riesenstaat verteilen sich inzwischen mehr als 150 Windparks mit insgesamt mehr als 15.000 Anlagen. Das sind in nur einem US-Staat ungefähr halb so viele wie in Deutschland insgesamt. Kapazitäten, die im amerikanischen Vergleich überdeutlich werden: Gut ein Viertel des gesamten amerikanischen Windstroms kommt aus den texanischen Ebenen. Auch beim Solarstrom holt Texas mit großen Schritten auf Spitzenreiter Kalifornien auf.
Und die Texaner? Stehen drauf, sagt Stephen Milder. Schon in den 90er Jahren hätten 80 Prozent der Menschen in Umfragen gesagt, dass sie saubere Energietechnik unterstützen und sogar bereit wären, mehr dafür zu bezahlen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Grüne Subventionen
Doch die grünen Erfolge stoßen nicht überall auf Gegenliebe: Vor allem vermeintlich naturverbundene Texaner beschweren sich zunehmend über Windräder am Horizont und Solarparks in der Wüste, die das texanische Panorama stören. Ein besonderes, nicht nur optisches Ärgernis, sind wie in Deutschland zudem Stromtrassen. Denn je mehr Windkraftanlagen vor allem in abgelegenen Gebieten entstehen, desto mehr Stromleitungen sind notwendig, um die grüne Energie anschließend dorthin zu leiten, wo sie gebraucht wird - in den dicht besiedelten Regionen im Osten und an der Küste.
An besonders windigen und sonnigen Tagen sind die bestehenden Trassen zudem schon heute mit dem Überfluss an grünem Strom überfordert. Um das texanische Netz nicht zu überlasten, werden viele Windräder und Solaranlagen regelmäßig heruntergefahren und gedrosselt. Benachbarte Staaten können die überschüssige Energie nicht abnehmen: Das texanische Stromnetz ist nicht an den Rest der USA angeschlossen.
Ein komplexes Problem, das von einem weiteren übertrumpft wird: Der republikanischen Führung, die nach wie vor in der texanischen Hauptstadt Austin das Sagen hat. Die scheint am grünen Image keinen Gefallen zu finden, obwohl es Texas ganz viel Geld bringen würde: Der grüne Subventionshammer der US-Regierung, der Inflation Reduction Act (IRA) belohnt den Bau und die Entwicklung von E-Autos, Batterien, aber auch Wind- und Solarparks mit bis zu 370 Milliarden Dollar.
Den größten Anspruch darauf hat neuesten Berechnungen zufolge Texas: Energieprojekte, aber auch Unternehmen wie Tesla und andere könnten mutmaßlich knapp ein Fünftel der Summe abrufen, also 70 Milliarden Dollar. An diesem Geld scheint der heutige Gouverneur, Greg Abbott, aber so wenig Interesse zu haben, dass er sehr un-republikanisch in den freien Markt eingreift. "Paradox", sagt Stephen Milder.
Vorbild Bayern?
Denn Abbott und seine Verbündeten im texanischen Parlament versuchen seit einiger Zeit, mehr als ein Dutzend Gesetze verabschieden, die den Ausbau der Erneuerbaren einbremsen würden. Angedacht ist zum Beispiel, dass weitere Windparks in Zukunft an den Ausbau von Gaskraftwerken gekoppelt werden. Ein anderes Gesetz sieht neue Abstandsregeln für Windräder und Solaranlagen vor, die an die 10H-Regelung aus Bayern erinnern, und die für fossile Infrastruktur wie Ölbohrlöcher oder Pipelines nicht gelten würden.
Verabscheut Greg Abbott grüne Energie? Das wäre keine Überraschung. Aber für den Widerstand liegt eine andere Erklärung näher: Texas ist nicht nur das windige (26 Prozent), sondern auch das fossile Powerhouse der USA. Fast die Hälfte (43 Prozent) des amerikanischen Öls wird in Texas gewonnen. Beim Erdgas beträgt der texanische Anteil 25 Prozent. Produktionsquoten, die Einfluss, aber auch Geld und vor allem Arbeitsplätze bringen: Texas ist in den vergangenen zehn Jahren um vier Millionen Menschen gewachsen. Kann das grüne Powerhouse der USA auch sie mit Energie versorgen?
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