Freitag, 26. Mai 2023

Die Wärmewende in Deutschland fällt vorerst aus: "Sollten Sie das nicht beurteilen können? Tut mir leid, aber das ist einfach nicht meine Aufgabe. Ich bin Politiker..."

Ein interessantes Interview, auch wenn man danach das Gefühlt hat, dass mit vielen Worten wenig Substanzielles gesagt wurde, das uns vorwärts bringt.

NTV hier  25.05.2023,

Der simple Wärmeplan der FDP "Absurd, dass wir Verbote fordern, aber hier tun wir das"

Die FDP will die Klimakrise technologieoffen bekämpfen - mit einer Ausnahme.

Die Wärmewende in Deutschland fällt vorerst aus. Vor allem, weil die FDP in die eigenen Reihen feuert und Grüne und SPD beim Heizungsgesetz auflaufen lässt. Und zwar ohne schlechtes Gewissen, wie der stellvertretende Fraktionschef der Liberalen im "Klima-Labor" von ntv klarstellt.

 "Ich kann doch kein Gesetz machen, das die Menschen völlig verunsichert, und dann versuchen, alles mit Förderungen zu übertünchen", verteidigt Lukas Köhler die Blockade der FDP im Interview

In dem Gespräch stellt er auch den liberalen Plan für die deutsche Wärmewende vor: einen Emissionshandel mit einem CO2-Deckel, über den hinaus kein Ausstoß erlaubt ist.


Denn "dort, wo der Emissionshandel eingesetzt wird, funktioniert er", betont Köhler. Und im Gegensatz zum Heizungsgesetz nimmt der Staat damit auch noch Geld ein, das er umverteilen kann - womöglich an die Menschen, die sich derzeit verunsichert und wütend um Öl- und Gasheizungen reißen, weil sie keine Wärmepumpe einbauen wollen.

ntv.de: Grüne und SPD wollen das Heizungsgesetz gerne vor der Sommerpause verabschieden, aber es sieht nicht so aus, als würde das klappen. Unter anderem, weil Sie noch 100 Fragen an Robert Habeck und das Wirtschaftsministerium haben. Können Sie mal eine dieser Fragen nennen?

Lukas Köhler: Ganz am Anfang natürlich: Wie verbinden wir Klimaschutz und Bezahlbarkeit? Mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird das sehr konkret. Es betrifft jeden Menschen in Deutschland, weil jeder wohnt - sei es zur Miete oder im Eigenheim. Diese Frage muss geklärt werden. Und zwar so, dass alle Menschen mitmachen können. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Es gibt eine ganze Reihe von Dingen zu diskutieren.

Vor allem die Grünen sagen aber, dass eine Förderung von bis zu 80 Prozent geplant ist. Die Bezahlbarkeit scheint man also bedacht zu haben, oder sehen Sie das anders?

Ich kann doch kein Gesetz machen, das die Menschen völlig verunsichert, und dann versuchen, alles mit Förderungen zu übertünchen. Das ist kein sinnvoller Ansatz, denn niemand weiß, ob wir das bezahlen können. Auch der Staat hat limitierte Ressourcen. Außerdem muss der Ansatz doch sein, Klimaschutz im Gebäudesektor so zu gestalten, dass ihn sich alle Menschen leisten können - und zwar mit den Optionen, die sie brauchen. Baue ich eine Gasheizung ein, die in Zukunft mit Wasserstoff betrieben wird? Setze ich auf eine Kombination aus Wärmepumpe und Solaranlage? Nehme ich nur die Wärmepumpe? Je nach Haus ist das unterschiedlich. Unser Ansatz muss sein, realistische Optionen zu finden und so zu fördern, dass es für die Menschen tragbar ist.

Aber wenn sich die Leute die geförderte Wärmepumpe nicht leisten können, wie sollen sie dann die ungeförderte Wärmepumpe plus Solaranlage bezahlen?

Es gibt ja nicht "die Leute" in Deutschland, sondern einzelne Menschen mit einzelnen Bedingungen. Manche haben ein bisschen mehr Geld, manche ein bisschen weniger. Und zu einer Wärmepumpe gehört oft genug auch, dass sie das Haus sanieren müssen. Auch das überfordert. Deswegen sind individuelle Sanierungsfahrpläne wichtig, bei denen jeder und jede selbst überlegen kann, wann man welchen Schritt geht. Manche können sich sofort ein Haus neu bauen oder es komplett renovieren. Bei anderen Menschen sieht es anders aus.

Dann bekommen wir also ein Heizungsgesetz, das super individuell, aber auch erst 2030 fertig ist?

Nein. Das Gesetz muss natürlich früher fertig sein, denn es soll beantworten, was geändert wird. Eine Frage sind die Fristen. Eine andere ist die Harmonisierung des Gebäudeenergiegesetzes mit der kommunalen Wärmeplanung. Denn ich kann niemandem sagen, baue eine Gasheizung ein, wenn die Kommune ihr Gasnetz Mitte der 2030er Jahre zurückbauen will. (geht es also darum die Gasnetze  zu erhalten?) Dann stehe ich wie der Ochs vorm Berg. Deswegen muss eine Kommune klar sagen, wie sie ihre Wärmeplanung gestalten will: Machen wir Fernwärme? Gasnetze mit Wasserstoff? Gar nichts? Oder starke Stromleitungen für mehr Wärmepumpen? Das muss im GEG eingebaut sein.

Aber wie genau sieht jetzt der FDP-Vorschlag für die Wärmewende aus? Gerade der Gebäudesektor muss doch sehr schnell sehr viel klimafreundlicher werden.

Ein Punkt ist der europäische Emissionshandel, den wir sehr eng mit unserer Klimapolitik verbinden. Der gilt ja in Deutschland und schafft eine Sache, die für Klimaschutz wesentlich ist: Er schreibt ein CO2-Limit vor. Einen Deckel, über den hinaus nichts ausgestoßen wird und der jedes Jahr sinkt, bis die Netto-Null erreicht ist. Auf europäischer Ebene passiert das 2050. In Deutschland 2045. Dieser Deckel sorgt dafür, dass alle Mengen, die noch an CO2 übrig sind, gehandelt werden können. Am Markt bildet sich ein Preis, der dafür sorgt, dass fehlender Klimaschutz teurer wird.

Es geht. Aber aktuell gibt es auch keinen Emissionshandel im Gebäude- und Energiesektor, sondern nur die CO2-Steuer. Für Industrie und Energie liegt der CO2-Preis mittlerweile bei etwa 90 Euro pro Tonne. Das ist stark. Und der Emissionshandel ist das einzige Instrument, das bisher bewiesen hat, dass es wirklich Klimaschutz bringt. Bei allen anderen ordnungsrechtlichen Maßnahmen - und nichts anderes ist das GEG - fehlt dieser Beweis noch.

Und warum befinden wir uns dann nicht auf dem 1,5-Grad-Pfad?

Weil wir keinen weltweiten Emissionshandel haben und keinen, der alle Bereiche abdeckt.

Sie glauben wirklich, wir könnten die Klimakrise allein durch einen weltweiten Emissionshandel lösen?

Es gehören noch andere Instrumente wie ein sozialer Ausgleich dazu, aber ja, wenn Sie weltweit ein 1,5-Grad-konformes CO2-Budget festlegen, werden Sie die Klimaziele einhalten, weil sie aus diesem Instrument nicht rauskommen. Das ist der große Vorteil, den alle Wissenschaftler bestätigen (meines Wissens stimmt das überhaupt nicht): Es gibt ein CO2-Limit und darüber hinaus ist jeder Ausstoß verboten. Es ist eigentlich absurd, dass die FDP Verbote fordert, aber in diesem Fall tun wir das. Und dort, wo der Emissionshandel eingesetzt wird, funktioniert er. Deswegen ist auch für den Gebäudesektor der erste Schritt, zu sagen: Es gibt ein klares CO2-Limit. Wir würden die Umsetzung gerne von 2026 auf 2024 vorziehen. Dann muss das GEG aber unterschiedliche Optionen für Klimaneutralität bieten: Gasheizungen, die Wasserstoff-ready sind; der Einsatz von Biomethan, Holz und Pellets, Wärmepumpen.

Derzeit kaufen aber ganz viele Menschen wieder Öl- und Gasheizungen, um ja keine Wärmepumpe einbauen zu müssen. Einige sind bestimmt nur verunsichert, andere wahrscheinlich wütend. So oder so, diesen Menschen ist bestimmt nicht bewusst, dass ihre Entscheidung steigende Kosten bedeutet. Sollten Sie denen nicht erklären, dass es für sie durch den Emissionshandel bald viel teurer wird, anstatt Robert Habeck 100 Fragen zu stellen?

Sie merken ja, dass man zwei, drei Minuten länger braucht, um Klimapolitik zu erklären, als das in Interviews häufig möglich ist. Aber dieser Podcast ist auch öffentlich und ich sage ganz klar: Eine Heizung, die man nicht klimaneutral betreiben kann, wird teurer. Diese Botschaft ist bekannt. Das sagen wir auch auf Parteitagen, im Bundestag und in öffentlichen Meldungen.

Aber lassen Sie die Leute damit nicht allein?

Die Leute sind klüger, als wir annehmen. Unsere Prämisse ist, dass jemand, der für die kommenden 20 oder 30 Jahre in eine Heizung investiert, sich sehr viele Gedanken darüber macht, wie die Zukunft aussieht. Und ich habe nicht gehört, dass sich unheimlich viele Leute Ölheizungen einbauen.

Doch, es gibt derzeit eine Rekordnachfrage.

Klar, einige Leute machen sich Sorgen. Aber genau das ist doch der Punkt: Ein Gesetz, das keine Klarheit bei Förderkonzepten schafft und Leute mit harten und kurzen Fristen massiv verunsichert … diese Verunsicherung bricht sich Bahn.

Das stimmt. Und natürlich haben Grüne und Bundeswirtschaftsministerium große Fehler in der Kommunikation gemacht. Aber die FDP hat auch nicht geholfen, die Panik zu verhindern.

Das Problem ist doch, dass ein Gesetzesentwurf in seiner Rohfassung veröffentlicht wurde, bevor er innerhalb der Regierung diskutiert werden konnte. Wir müssen aber trotzdem sagen, welche Probleme wir sehen und unseren Änderungsbedarf benennen. Das ist die Aufgabe von Politik. Denn es ist wichtig, dass man gemeinsam über Ideen sprechen und streiten kann, sonst funktioniert eine Regierung nicht. Aber der Vorteil der Ampel ist, dass wir bei unseren Diskussionen tatsächlich die gesamte Breite der Öffentlichkeit und Gesellschaft abbilden.

Dann sprechen wir doch mal über Ihre Ideen. Sie haben den CO2-Preis erwähnt, aber auch Gasheizungen, die Wasserstoff-ready sind, um die bestehenden Gasnetze für den Transport von grünem Wasserstoff zu benutzen und damit zu heizen. Wir haben aber keine Expertin oder Experten gefunden, der oder die das für eine realistische Option hält. Tatsächlich sagt ein Mitglied des Wasserstoffrats sogar, es sei "unverantwortlich", den Leuten zu sagen: Stellt euch eine Wasserstoffheizung in den Keller.

Das ist nicht unverantwortlich. Wir müssen auf klimaneutrale Energie setzen, sonst machen wir keinen Klimaschutz. Das ist klar. Schaut man sich die Szenarien an, wie wir an klimaneutrale Energie kommen, gibt es zwei Probleme: Woher kommt die Energie? Wie bringen wir sie von A nach B? Wenn man dafür ausschließlich Strom nutzen will, bekommt man ein massives Ausbauproblem.

Aber für grünen Wasserstoff braucht man doch auch Strom.

Es gibt einen Netzentwicklungsplan. Der zeigt, dass wir bis 2035 Stromförderkapazitäten von fünf neuen Trassen im Südosten brauchen. Zusätzlich. Wie diese riesige Trasse, die wir in Deutschland seit … seit ich mich erinnern kann, planen. Das ist ein gigantischer Ausbaubedarf. Wenn wir aber Strom und grüne Moleküle - also Wasserstoff - kombinieren, geht das viel besser. Heißt das, dass jedes einzelne Haus, das derzeit ans Gasnetz angeschlossen ist, mit Wasserstoff versorgt werden kann? Ich glaube nicht. Wasserstoffnetze nur für Privatpersonen, also ohne Anschluss an einen Industriestandort, ergeben wahrscheinlich keinen Sinn. Ich kann es aber nicht beurteilen.

Sollten Sie das nicht beurteilen können?

Tut mir leid, aber das ist einfach nicht meine Aufgabe. Ich bin Politiker, kein Wasserstoffexperte.

Sie unterstützen doch aber diesen Plan.

Es ist nicht meine Aufgabe, zu sagen, wo in Deutschland welche Wasserstoffinfrastruktur gebraucht wird. Genauso wenig, wie es meine Aufgabe ist, zu sagen, welcher Motor der richtige ist oder welche Technologie. Das können Leute, die klüger sind als ich, besser beurteilen: Ingenieure und Techniker und am Ende auch die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen. Das regelt der Markt. Aber natürlich ist Wasserstoff möglich, wo es große Abnehmer gibt. Denn dann kann eine Kommune sagen: Mensch, in der Nähe gibt es Chemie- und Stahlunternehmen, die Wasserstoffinfrastruktur brauchen. Ich betreibe mein Netz, das ja eh schon im Boden liegt, auch damit. In diesen Regionen kann man sich eine Wasserstoff-fertige Heizung einbauen. Die allermeisten Heizungen, die Sie heute einbauen, können Sie übrigens umrüsten. Das ist also keine verlorene Investition. Der Wasserstoff wird nur nicht aus Deutschland kommen. Das ist die einzige Einschränkung.

Also regelt sich bei der FDP alles über Markt und Preis, und wer sich nicht rechtzeitig kümmert, der hat am Ende einfach Pech gehabt?

Das wäre richtig, wenn ich gesagt hätte, es braucht kein GEG und keine Förderung. Aber das habe ich weder in diesem noch in einem anderen Interview gesagt. Vor 20 Jahren hätte Klimaschutzpolitik nur über den Emissionshandel vermutlich funktioniert. Aber heute fordert kein seriöser Politiker, nur den Emissionshandel wirken zu lassen. Es gibt umgekehrt aber auch niemanden, der seriös fordert, alles über das Ordnungsrecht zu regeln. Das ist nämlich ein großes Missverständnis dieser Diskussion: Es wird immer gesagt, der Emissionshandel mache alles teurer. Das Ordnungsrecht und Verbote aber auch.

Weil sie kontrolliert werden müssen?

Nein, weil Verbote dazu führen, dass Sie etwas machen müssen. Nehmen wir die Heizungen: Wenn das GEG wie geplant in Kraft tritt, steigt die Nachfrage nach Wärmepumpen massiv an und kann kurzfristig nicht bedient werden. Dann steigen die Preise. Auch der Handwerker wird teurer und Klimaschutz insgesamt auch viel teurer als er sein müsste. Mit dem Emissionshandel nimmt der Staat dagegen Geld ein, das er umverteilen kann. Und mit CO2-Preisen sorgen Sie dafür, dass Klimaschutz immer dort gemacht wird, wo er am günstigsten ist.

Aber wir müssen doch kurzfristig viele Heizungen austauschen, weil wir Klimaschutzziele erreichen wollen. Wenn das Gesetz Ihretwegen verschoben wird, schaffen wir das nicht.

Es gibt einen Unterschied zwischen der Frist, wann ein Gesetz fertig sein soll, und wann Menschen Dinge tun müssen. Und bei einem Gesetz, das jeden Menschen in Deutschland betrifft und ganz viel verändert, sollte es darum gehen, ein möglichst gutes zu machen, nicht ein möglichst schnelles mit faulen Deals und Kompromissen, die Sie in drei Jahren revidieren müssen. Dann sind die Leute gekniffen, die Stimmung in der Bevölkerung ist schlecht und Sie schaden dem Klimaschutz. Das darf nicht passieren.

Das Gesetz wird also fertig, bevor die Legislaturperiode der Ampel vorbei ist?

Natürlich. Es muss eine Änderung im GEG geben, das ist klar. Das sagen wir, das sagt der Koalitionsvertrag. Wir werden dieses Gesetz zeitnah verabschieden. Ich kann aber nicht sagen, ob das vor oder nach der Sommerpause passiert. Falls nächste Woche alle unsere Fragen beantwortet und alle unsere Forderungen erfüllt sind … Aber daran mache ich mal ein Fragezeichen.


Mit Lukas Köhler sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet.

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